Emil (23): „Vor Kurzem erhielt ich eine erste Einladung zum Vorstellungsgespräch und bin etwas verunsichert. Ich würde alles geben, um diese Stelle zu bekommen, will aber meine eigenen Wünsche und Vorstellungen nicht über Bord werfen. Bin ich als Berufseinsteiger überhaupt in der Position, Forderungen zu stellen? Wie formuliere ich diese am besten?“
Machen Sie sich Ihren eigenen Wert bewusst: Wer seinen Wert nicht kennt, kann ihn nicht benennen. Im Vorstellungsgespräch wirkt dies unsicher und wenig selbstbewusst. Je besser ich weiß, wer ich bin, was ich kann und was ich will, desto mehr bin ich mir meines Selbsts bewusst, heißt desto selbstbewusster kann ich meinen Wert vertreten.
Nehmen Sie die Perspektive Ihres künftigen Chefs ein: Er will erfahren, ob Sie fachlich und persönlich der Richtige sind. Am Ende entscheidet er sich für den Bewerber mit dem besten Gesamtpaket. Nicht für denjenigen, der die niedrigste Gehaltssumme genannt hat.
Machen Sie sich schlau: Mit welchem Gegenwert können Sie typischerweise rechnen? Was sind Unternehmensleistungen (Gehalt, Urlaubstage, Weiterbildungsmaßnahmen) für Ihr Stellenprofil, für diese Unternehmensgröße, Branche und Region? Wissen schafft Klarheit.
Must-haves und Nice-to-haves: Überzogene Forderungen wirken überheblich oder zumindest schlecht informiert, unterzogene Forderungen können auf ein schlechtes Selbstwertgefühl hindeuten. Wenn Sie sich unklar darüber sind, ob Sie eine Forderung ansprechen wollen, dann fragen Sie sich: Wie wichtig ist mir das Thema? Das kostenlose Mittagessen ist eher ein Bonus des Arbeitgebers und hat als Frage im Gespräch nichts zu suchen. Dahingegen ist das Thema Urlaubstage für den einen ein Nice-to-have, für den anderen ein Must-have, das geklärt werden will. Bei Must-haves geht es um Ihre untere Schmerzgrenze. Würde ich die Stelle dafür ablehnen? Oder hat dieses Thema für Sie eine geringe Priorität, weil Sie fast alles dafür tun würden, um diese Stelle zu bekommen?
Sich überzeugend verkaufen: Üben Sie das Vorstellungsgespräch idealerweise vor der eigenen Kamera – die Begrüßung, der Händedruck, das Lächeln. Wie ist der erste Eindruck? Beim Anschauen Ihres Films wird Ihnen vieles auffallen, beispielsweise ob Sie entspannt sitzen oder ob Ihre Antworten flüssig genug sind. Meiner Erfahrung nach macht jede Übungseinheit selbstsicherer und authentischer.
Das Vorstellungsgespräch: Begegnen Sie Ihrem Gesprächspartner auf Augenhöhe. Schließlich möchten nicht nur Sie etwas von ihm, sondern er auch etwas von Ihnen. Leistung gegen Lohn. Nicht nur Sie haben Mitkonkurrenten, sondern auch das Unternehmen. Der Fachkräftemangel lässt grüßen.
Im Gespräch – Fragen stellen: Ein Vorstellungsgespräch ist wie ein Verkaufsgespräch. Ihr Chef will zuerst in Erfahrung bringen, ob Sie der Richtige sind. Wenn Sie sich im Gesprächsverlauf zu früh für finanzielle oder andere Gegenleistungen interessieren, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie das Aufgabengebiet weniger interessiert. Nicht der Bewerber, sondern die Person auf der anderen Seite des Tisches führt das Gespräch. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Gegenüber Themen wie Gehalt oder Urlaub ansprechen wird, sobald sich ein positives Ergebnis zeigt und keine weitere Runde geplant ist. Sollte dann noch ein Must-have-Aspekt ungeklärt sein, fragen Sie. Schließlich müssen Stelle, Unter nehmen und Konditionen unbedingt auch für Sie die richtigen sein.
Das Jahresgehalt: Range oder fester Betrag? Beides ist ok. Der Festbetrag eignet sich eher, wenn nur geringe oder keine leistungsabhängigen Anteile vorhanden sind. Außerdem erübrigt sich die Frage nach Urlaubs- und Weihnachtsgeld, weil beides enthalten ist. Eine Range bietet sich an, wenn mehrere oder variable Gehaltsanteile eine Verhandlungsmasse bilden. Will ich weniger Fest-, dafür mehr Leistungsanteil? Firmenwagen? Provisionen? Und und und. Berücksichtigen Sie auch, dass Ihr Eintrittsgehalt die Ausgangsbasis für zu – künftige, oft prozentuale Gehaltssteigerungen ist. Wenn Sie also niedrig einsteigen, wird sich das niedrige Niveau sehr wahrscheinlich noch über mehrere Jahre fortsetzen.
Die Unternehmenskultur: Schauen Sie genau hin. Wie gehen die Personen miteinander und mit Ihnen um? Wie sind die Räumlichkeiten? Welches Gefühl entsteht bei Ihnen dabei? Spätestens wenn man Sie fragt: „Haben Sie noch eine Frage an uns?“ können Sie hier nachhaken. Fragen wie „Welche Weiterbildungsmöglichkeiten bieten Sie an?“ oder „Wodurch entstehen bei Ihnen erfolgreiche Teams?“ ergeben Einblick in Team-, Lern- und Förderkultur.
Wer also alles gibt, seinen Wert jedoch angemessen verkauft, der kann auch alles gewinnen.
Dipl.-Ing. Marcel Matischok ist selbstständiger Berufungs- und Karriereberater im süddeutschen Raum. Als zertifizierter Coach und Trainer unterstützt er seine Kunden bei der erfolgreichen Entfaltung ihrer Berufswege. Davor hat er 18 Jahre in ver – schiedenen Funktionen von Großunternehmen gearbeitet. Er ist erreichbar über www.berufungs-und-karriereberatung.de
Mehr Tipps zum Berufseinstieg findet ihr in unseren Ratgebern
Ein Kommentar
Pingback: Artikel in high potential: "Verkaufe ich mich unter Wert?" | Berufungs- und Karriereberater Marcel Matischok