Dr. Stephanie Coßmann gehört zur raren Spezies der weiblichen Vorstände in börsennotierten deutschen Unternehmen. Als Arbeitsdirektorin des Kölner Spezialchemiekonzerns Lanxess hat sie den Blick nicht nur für ihr eigenes Business, sondern macht sich auch Gedanken über gesellschaftliche Entwicklungen. Bei der Gleichstellung der Geschlechter sieht Stephanie Coßmann noch deutlichen Nachholbedarf und bekennt sich ausdrücklich zur Förderung von Frauen. Im Interview erklärt sie auch, warum Absolventinnen Lanxess bei der Planung ihrer Karriere unbedingt auf den Radar nehmen sollten.
Fränzi Kühne, Multi-Aufsichtsrätin und Geschäftsführerin der Digitalagentur TLGG, hat kürzlich ein Buch verfasst mit Interviews von Männern, welche von ihr die Fragen gestellt bekommen haben, die üblicherweise stereotyp immer wieder Frauen gestellt werden. Welche Fragen sollten wir Ihnen heute keinesfalls stellen?
Das Buch von Franzi Kühne habe ich mir neulich wirklich gekauft, weil ich es sehr spannend fand. In der Tat werden meist Frauen die Frage gestellt, wie sie es hinbekommen, Karriere und Kinder zu vereinbaren, Männern dagegen nie. Daher ist meine Antwort auf diese Frage auch immer genau diese entsprechende Gegenfrage. Ansonsten gibt es keine Fragen, die man mir nicht stellen sollte, ich habe ja die Freiheit zu antworten.
„Verantwortung zu übernehmen hat mir immer Spaß gemacht“
Dann legen wir direkt los: Sie tragen heute als Arbeitsdirektorin von Lanxess Verantwortung für rund 15.000 Mitarbeiter – mussten Sie sich erst daran gewöhnen, sehr viel Verantwortung und auch Macht zu besitzen?
Vor Verantwortung habe ich mich noch nie in meinem Leben gescheut, im Gegenteil – Verantwortung zu übernehmen hat mir immer Spaß gemacht. Und ja, die Position als Arbeitsdirektorin bringt auch Macht mit sich. Das hilft, Dinge voranzubringen und sich durchzusetzen. Macht ist insofern ein wichtiges Mittel zum Erfolg. Wichtig ist dabei aber auch, die Entscheidungen gut zu vermitteln. Gerade in Corona-Zeiten habe ich mir als Arbeitsdirektorin viele Gedanken gemacht, wie ich die Mitarbeitenden in diesen herausfordernden Zeiten mitnehmen kann, da ich ja nicht wie gewohnt an unsere Standorte reisen konnte, um dort in den persönlichen Austausch zu gehen. Das ist über Videokonferenzen meist nicht zu kompensieren. Auch wenn Entscheidungen unabhängig von Individuen im Konzerninteresse getroffen werden, bleiben diese Entscheidungen menschlich und müssen vermittelt und vertreten werden. Da habe ich in den letzten eineinhalb Jahren viel dazugelernt.
Lernen ist ein gutes Stichwort. Sie haben Jura studiert. Inwieweit haben sie als junge Studentin oder Berufseinsteigerin einst einen Karriereplan gemacht?
Als ich nach meiner Ausbildung in einer Kanzlei angefangen habe, wusste ich nicht, dass ich irgendwann Arbeitsdirektorin in einem M-DAX-Unternehmen werden würde. Mich haben aber immer Wirtschaftsthemen fasziniert, in die ich durch die vielen M&A-Projekte vertiefte Einblicke bekommen habe. Ein Schlüsselmoment war sicher meine Zeit in der Rechtsabteilung eines unserer Mandanten. Dort habe ich die andere Seite kennengelernt und verstanden, wie ein Unternehmen tickt und welche Dynamiken sich dort entwickeln. Nach meiner Rückkehr in die Kanzlei bin ich dann auf die Suche gegangen und so zu einer sehr spannenden Zeit, nämlich der Gründung des Konzerns, zu LANXESS gekommen. Dort gab es dann immer herausfordernde Fragestellungen, die mich motiviert haben, selber Themen voranzubringen. Daraus hat sich meine weitere berufliche Entwicklung ergeben. Rückblickend würde ich sagen, ein Karriereplan kann hilfreich sein, damit man rechtzeitig Grundlagen für den weiteren Verlauf legen kann. Ansonsten kann er aber auch hinderlich sein, wenn man dafür spannende Aufgaben liegen lässt, aus denen sich unvorhergesehene Chancen ergeben können.
Sich fest an einen Karriereplan zu halten, kann hinderlich sein. Welche Faktoren dagegen sind Erfolgstreiber – oder um Sie direkt anzusprechen: Welche sind in Ihrem Leben entscheidend für Ihren beruflichen Erfolg gewesen?
Ich bin als Kind mit meinen Eltern sehr oft umgezogen. Dabei habe ich gelernt, mich auf neue Umstände immer gut und schnell einzustellen. Diese Flexibilität hat mir sicher geholfen. Daneben sind Disziplin und Fleiß unerlässlich, um erfolgreich zu sein. Eine sehr weise ältere Freundin hat mir mal gesagt, dass im Wirtschaftsleben Disziplin mindestens 80 Prozent des Erfolgs ausmacht. Da ist viel Wahres dran. Manchmal braucht man natürlich aber auch das nötige Quäntchen Glück oder Hilfe vom Zufall.
Sie sprachen vorhin die herausfordernden Fragstellungen bei Lanxxess an. Nun interessiert uns natürlich, welche Sie als die wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre und wie Sie diesen begegnen?
Wir sehen derzeit große Herausforderungen bei der Verfügbarkeit und den Preisen von Rohstoffen sowie den Energiekosten. Dazu kommen die gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen – vor allem aus der Politik und von Investoren -, denen wir uns stellen. Hinzu kommt, dass die Chemiebranche in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal keinen allzu guten Ruf hat. Ich finde zu Unrecht: die Chemie ist Teil der Lösung für eine nachhaltige Zukunft. Es liegt auch an uns, das bewusst zu machen und damit noch attraktiver für Talente zu werden.
Und wie wird sich Lanxess als Arbeitgeber wandeln, um als Magnet für Mitarbeiter und Talente zukunftsfähig zu bleiben?
Wir haben einen Großteil der Kolleginnen und Kollegen in Schichtarbeit in den Werken. Mobiles Arbeiten ist dort oft nicht möglich. Das ist aber eine Forderung von vielen neuen Mitarbeitenden. Da müssen wir uns also etwas einfallen lassen. Eine Stellschraube sind flexible Arbeitszeiten. Das sehen wir mittlerweile weltweit vor und starten auch da erste Mal mit dem Angebot, eine Ausbildung in Teilzeit absolvieren zu können. Daneben positionieren wir uns als moderner Arbeitgeber mit einer attraktiven Entlohnung, mit herausfordernden Aufgaben und einem guten Miteinander.
Wichtige gesellschaftliche Frage: Diversity und Frauenförderung
Wo steht die deutsche Wirtschaft heute in Bezug auf Gender Equality nach Ihrer Einschätzung?
Meines Erachtens hat die deutsche Wirtschaft im Hinblick auf Gender Equality noch einen weiten Weg zu gehen. Das zeigt sich auch in Statistiken im internationalen Vergleich. Es fängt schon mit dem oftmals noch vorhandenen klassischen Rollenbild an, dass die Frau nach der Geburt der Kinder als Hausfrau zu Hause bleibt oder maximal in Teilzeit arbeitet. Den Begriff der Rabenmutter gibt es ja auch nur im Deutschen. Solange es immer noch Betreuungsthemen, das benachteiligende Ehegattensplitting und Geschäftsessen per se immer am Abend gibt, wird sich daran auch nicht viel ändern. Wir alle müssen hier unseren Beitrag leisten, um auch die notwendige gesellschaftliche Veränderung voranzubringen.
Die chemische Industrie ist per se keine, die speziell für Frauen eine magische Anziehungskraft ausübt. Welches Potential sehen Sie für Ihr Unternehmen darin, noch gezielter Frauen für Lanxess zu begeistern?
Sie haben recht. Auf den ersten Blick scheint die Chemiebranche keine für Frauen attraktive Industrie zu sein. Dass zu ändern sehe ich als eine der Kernaufgaben für den Personalbereich. Denn wenn ich mir die Zahl der Absolventinnen in den Chemiestudiengängen anschaue, so sind wir dort fast pari. Und die Schichtarbeit, die oft als Argument angeführt wird, ist für mich auch kein Argument. Schließlich arbeiten im medizinischen Umfeld überwiegend Frauen im Schichtbetrieb. Wir wollen uns als offener und für Frauen attraktiver Arbeitgeber positionieren, bei dem es für engagierte und interessierte MitarbeiterInnen viele spannende Aufgaben in einem tollen Team gibt. Und wir haben viele attraktive Angebote, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern.
Wir haben kürzlich eine Umfrage unter Studierenden gemacht und gefragt, welche weiblichen Unternehmensführerinnen sie kennen. Auch Studentinnen fielen von Jeff Bezos über Elon Musk bis hin zu Joe Kaeser und Herbert Diess fast ausschließlich Männer in den Top-Positionen der Wirtschaft ein. Müssten sich Frauen an der Spitze sichtbarer machen, um Role Model für den Nachwuchs zu sein?
Die von Ihnen beschriebene Situation zeigt das Dilemma. Oft sehe ich, dass junge Frauen zweifeln, weil sie meinen, sich zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen. Es braucht Role Models, die das Gegenteil beweisen und mutig den Karriereweg beschritten haben. Davon gibt es immer noch zu wenige. Wir haben hier eine Verantwortung, dies zu ändern und Mut zu machen.
Sollten Frauen in Führungspositionen deshalb gezielt junge Absolventinnen fördern?
Definitiv ja. Wir haben hier eine Verantwortung, gezielt zu fördern und mit gutem Beispiel voranzugehen. Da jede Besetzung die Eignung und Fähigkeiten berücksichtigen muss, sehe ich keine Benachteiligung von männlichen Bewerbern.
Die Herausforderung einer einheitliche Unternehmenskultur
Als Arbeitsdirektorin sind Sie darauf angewiesen, dass eine verbindliche Unternehmenskultur durch alle Bereiche und Hierarchieebenen gelebt wird. Wir stellen es uns extrem schwierig vor, dies zu erreichen, ohne in der Gefahr zu sein, ein extremes Overengineering an Kontrollmechanismen zu installieren. Wie gehen Sie dabei vor?
Wir leben bei LANXESS eine Erfolgskultur basierend auf Grundwerten für ein gutes Miteinander. Jeder kann sich mit seinen Stärken und Kompetenzen einbringen und aktiv am Unternehmenserfolg mitwirken. Das bietet Platz für viele gute Vorbilder und verlangt kein Overengineering.
Wie wird sich unser Verständnis von Arbeit durch die Erfahrungen während der Pandemie verändern und welche Arbeitsmodelle werden in den kommenden Jahren für uns zum Standard werden?
Wir bei LANXESS haben schon vor Corona flexibles Arbeiten befürwortet. Daher haben wir es auch während der Coronazeit, in der viele unserer Mitarbeitenden aus der Verwaltung und den verwaltungsnahen Bereichen von zu Hause arbeiten mussten, geschafft, produktiv zu sein. Diese Erfahrungen werden Corona überdauern. Wir haben aber auch gemerkt, was aus dem Home Office nicht funktioniert und auf der Strecke bleibt, wenn man sich nicht trifft. Vor allem der informelle Austausch und die Kreativität leiden darunter. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, für die Zukunft ein hybrides Modell zu fahren, was das Beste aus beiden Welten, der Arbeit im Büro und dem flexiblen Arbeiten, vereint. Darüber hinaus bieten wir schon seit langem flexible Teilzeitlösungen an, die vor allem Eltern mit kleinen Kindern oder Mitarbeitenden mit pflegebedürftigen Angehörigen entgegen kommen.
An welchen Stellen in Ihrem Unternehmen spüren Sie die größten Veränderungen durch die digitale Transformation der Wirtschaft?
Wir haben bereits vor einigen Jahren auf das Thema Digitalisierung gesetzt, wobei das für uns zunächst Standardisierung und Verfügbarmachen von Daten bedeutete. Heute sind wir da einen ganzen Schritt weiter, führen digitale Lösungen für die Produktion ein und betreiben mit Chemondis einen der erfolgreichsten digitalen Marktplätze in der Chemieindustrie. Darüber hinaus brauchen wir für diese Transformation auch ganz andere Talente. So haben wir mittlerweile ein ganzes Team an hochkarätigen Datenexperten, was uns sehr stolz macht. Per se sind wir als produzierendes Unternehmen nämlich nicht die erste Adresse für solche Spezialisten. Gleichzeitig vermitteln wir unseren Mitarbeitenden die erforderlichen Kompetenzen, damit sie mit den Anforderungen aus dem technologischen Wandel mithalten. Lebenslanges Lernen ist da mehr als nur ein Schlagwort.
Mitarbeiter gesucht – Karriere bei der Lanxess AG
Und nun eine Frage, die vor allem die angehenden Absolvent:innen unter unseren Leser:innen interessiert: Welche Mitarbeiter:innen suchen sie eigentlich?
Damit wir auch in Zukunft erfolgreich sind, brauchen wir vor allem Experten aus den Bereichen Chemie, Ingenieurwesen und Data Science. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Kandidatinnen und Kandidaten zu unserer Kultur passen. Sie sollten motiviert, aufgeschlossen, neugierig und erfolgshungrig sein und gerne Dinge eigenverantwortlich voranbringen. Mich persönlich überzeugen Kandidaten, die authentisch sind und Persönlichkeit haben.
Und was für eine Unternehmenskultur können Sie Kandidaten versprechen, die sich bei Lanxess bewerben?
Wir bei LANXESS leben eine Erfolgskultur, die auf den Werten Vertrauen, Integrität, Professionalität, Respekt und Eigenverantwortung basiert. Sie ist die Grundlage unseres Handelns und Miteinanders und geht mit einem ausgeprägten Teamgeist einher. Auch Vielfalt und Inklusion werden bei uns groß geschrieben. Mitarbeitende egal welchen Alters, welcher Herkunft oder welchen Geschlechts, um nur ein paar Kriterien zu nennen, sind bei uns herzlich willkommen. Wir sind der Überzeugung, dass uns gerade die Vielfalt erfolgreich macht und hilft, unsere strategischen Ziele zu erreichen.
Was macht Sie persönlich – abseits beruflicher Themen – eigentlich glücklich?
Glücklich macht mich Zeit mit meiner Familie zu verbringen und im Garten zu arbeiten. Dabei kann ich herrlich abschalten. Das gelingt mir aber auch gut auf dem Segelboot oder bei langen Spaziergängen an den Stränden der Bretagne oder in den Bergen.
Hier findest du einen weitern Beitrag zu einer interessanten Female Leadership Persönlichkeit
Stephanie Coßmann studierte Rechtswissenschaften in Paris und Münster und schloss ihr erstes Staatsexamen in Münster, das zweite Staatsexamen in Essen und promovierte anschließend in Münster. Ihre berufliche Laufbahn begann zunächst als Rechtsanwältin in der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance in Düsseldorf und arbeitete parallel in der Rechtsabteilung der EADS Deutschland in München. 2004 wechselte sie zur LANXESS und übernahm dort leitende Funktionen in der Rechtsabteilung. Ab 2014 leitete sie die Abteilung General Law im Zentralbereich Legal and Compliance und ab 2017 übernahm sie die Leitung der Human Resources. Seit dem 1. Januar 2020 ist sie Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektorin der LANXESS AG.