Es gibt ein neues Bild der High Potentials
Früher fiel es leichter, das Profil von Führungskräften zu definieren. Bis in die 80er Jahre hinein war es der durchsetzungsstarke Manager, der auf Effizienz getrimmt gewesen ist und Kraft seiner Position Teams und Unternehmen sehr hierarchisch führte. In den 90ern und 2000ern war der charismatische Visionär gefordert, der Marktnischen entdecken und erschließen konnte. Und wie könnte heute ein High Potential aussehen, der morgen Führungsverantwortung übernimmt? Wir befragten Experten aus unterschiedliche Gebieten zu Themen, mit denen ein High Potential umgehen muss. Den Anfang macht unser Redakteur Martin Schneider.
Sich mit dem Thema Berufseinstieg zu beschäftigen ist so ungefähr das letzte, was man als Student macht (oder gibt es Leute, die bei einer WG-Party mal ein gepflegtes ,Bei meiner Karriereplanung setze ich folgende Prioritäten´ fallen lassen?). Es gibt so viele Dinge, die während den Studiums wichtiger sind: Freunde, Liebe, Sport, Hobbies und – nicht zu vergessen – den Leistungsdruck, den man ja manchmal sogar schon an der Hochschule hat. Machen wir uns nichts vor: Das Studium ist nach Fußball die schönste Nebensache der Welt!
Natürlich gibt es an der Uni auch ein paar Kommilitonen, die für die Wissenschaft brennen. Das Gros aber möchte einen wohltemperierten Ausgleich zwischen dem Privaten haben und dem, was einen ja doch irgendwie auf einen späteren Beruf vorbereiten soll. Und dieser sollte schon etwas zu bieten haben: Spannende Aufgaben, gutes Geld, echte Aufstiegschancen und das ganze möglichst nicht in irgendeinem deprimierenden Kaff. Nur, wer etwas erwartet, muss auch etwas bieten können: Ein High Potential hat in der Regel eine bessere Auswahl an möglichen Jobs als der 33-jährige Studienabbrecher. Was aber ist genau ein High Potential? Zunächst einmal jemand, der aus Sicht des Arbeitgebers das Potential verspricht, einmal eine tragende Rolle im Unternehmen zu spielen. Und in jedem Fall ein Kandidat, der einmal zu einer Führungskraft werden kann. Wer jetzt fragt: „Ist das überhaupt erstrebenswert?“ – Ja. Führungskräfte leben länger als diejenigen, die keinen Gestaltungsraum bei der Arbeit haben und ausschließlich fremdbestimmt sind.
Lebenslauf als erstes Indiz für einen künftigen High Potential?
Das Problem beim Berufseinstieg ist folgendes: Ob man wirklich zu einer erfolgreichen Führungskraft wird, kann der potentielle Arbeitgeber bei der Bewerbung noch gar nicht wissen. Deshalb versucht er, möglichst viele Indikatoren im Lebenslauf zu finden, die ein Indiz für einen High Potential sein könnten: Studienfach, Noten, die persönlichen Ambitionen und wie man sich generell verkauft sind in den meisten Fällen entscheidend für die Beurteilung von Hochschulabsolventen. Nur: Sagt das wirklich viel aus, ob man einmal zu einer Führungskraft wird? Ich meine, nein. Wir leben in einer Zeit, in der sich Branchen in einer absurd kurzen Zeit wandeln. Wer wusste vor fünf Jahren schon, was die Blockchain-Technologie bedeuten wird? Und wer weiß heute, was Robotik, Automation und künstliche Intelligenz (KI) in den nächsten Jahren an Aufgaben überflüssig machen werden?
Erfolgreich wird man in Zukunft also kaum deswegen sein, weil man erlerntes Wissen zu reproduzieren weiß. Eine Führungskraft wird sich in Zukunft vor allem dadurch auszeichnen, dass sie beherrscht, was ihre originäre Aufgabe ist: Menschen zu führen, anzuleiten, Teams zu bilden und Mitarbeiter zu überzeugen. Dinge also, die auch durch KI niemals obsolet werden.
Führungskräfte sollten sich mit moderner Mitarbeiterführung beschäftigen
Wer eine erfolgreiche Führungskraft werden will, sollte sich meiner Meinung nach neben seinem ursprünglichen Fachgebiet deshalb vor allem mit den Grundlagen moderner Mitarbeiterführung beschäftigen. Welche Persönlichkeitstypen gibt es und welche Form der Kommunikation brauchen sie, um leistungsfähig zu sein? Wie führt man ein Team und verhindert Gruppendenken und Kaskadeneffekte? Oder: Welches sind die Elemente eines integrativen Führungsstils? Ich bin überzeugt davon, dass anthropologische und sozialpsychologische Kompetenz im Digitalzeitalter nachgefragter sein wird denn je und zum Kern einer Führungskraft gehört. Ein High Potential sollte darauf vorbereitet sein, in Zukunft vor allem als versierter Kommunikator gefragt zu sein.