Tipps für Berufseinsteiger
Du fängst bald einen ersten „richtigen“ Job nach deinem Studium an? Dann bist du sicher voller Erwartungen und Vorfreude auf die neue Tätigkeit, die Herausforderungen, das neue Team. Endlich kannst du dein ganzes Wissen und deine Motivation bei der neuen Stelle einbringen.
Laut einer Studie vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus dem Jahr 2015 sind 55 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Arbeit unzufrieden. Das ist dramatisch, da Arbeitsunzufriedenheit viele negative Folgen hat. Einerseits für die Unternehmen, da Unzufriedenheit der Beschäftigten mit einer geringeren Unternehmensverbundenheit, erhöhter Kündigungsabsicht und schädigendem Verhalten zusammenhängt. Aber vor allem auch für Einsteiger, da sie aufgrund von Arbeitsunzufriedenheit an geringerem Wohlbefinden leiden werden – angefangen von Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen bis hin zu Depression und kardiovaskulären Krankheiten wie Bluthochdruck.
Arbeitsunzufriedenheit birgt viele Risiken für die eigene Gesundheit
Was also tun, um gar nicht erst in die „Unzufriedenheitsfalle“ zu tappen? Damit du nicht zu denjenigen gehörst, die gesundheitliche Probleme bekommen oder Karriereeinbußen hinnehmen müssen, ist es wichtig, zu wissen, dass Arbeitsunzufriedenheit nicht einfach das Gegenteil von Arbeitszufriedenheit ist. Faktoren, die Unzufriedenheit minimieren, führen nicht automatisch zur Zufriedenheit und umgekehrt. Beides ist abhängig vom individuellen Vergleich deiner eigenen Bedürfnissen und Erwartungen sowie den tatsächlichen Möglichkeiten der Umsetzung bei der Arbeit. Fällt dieser Vergleich negativ aus, ergibt sich Unzufriedenheit.
Was nun? Du kannst dein Anspruchsniveau senken („im Großen und Ganzen bin ich zufrieden – es könnte ja noch schlimmer kommen“) und somit eine sogenannte resignative Arbeitszufriedenheit herstellen. Eine andere Option, mit dem negativen Ergebnis umzugehen, ist, die Verfälschung der Situationswahrnehmung („mein narzisstischer Chef ist gar nicht so schlimm“). Des Weiteren kannst du gar nichts tun und in der misslichen Situation verharren. Das nennt man „fixierte Arbeitsunzufriedenheit“. Diese passive Art des Umgangs ist allerdings keine langfristige Lösung. Besser ist es, proaktiv mit der Situation umzugehen und nach konstruktiven Lösungsvorschlägen zu suchen.
Unzufriedenheit einfach hinnehmen ist die schlechteste Lösung
Noch besser ist es allerdings, du findest dich gar nicht erst auf der Seite der „Unzufriedenen“ wieder. Dazu sollte möglichst schon während der Suche nach einem geeigneten Arbeitgeber auf folgende Dinge geachten werden: Zunächst benötigst du einen angemessenen Verdienst. Das Verhältnis von dem, was du in das Unternehmen einbringst und dem Gehalt muss ausgeglichen sein. Dabei spielt das absolute Einkommen am Ende des Monats keine zentrale Rolle. Viel wichtiger für deine erlebte Unzufriedenheit ist die erlebte Fairness und Gerechtigkeit. Verdient Kollegin X mehr, obwohl du die innova-tiveren Ideen hast und viel proaktiver bist? Wird dein Einsatz gesehen und belohnt? Ganz wichtig ist es also, das Gehalt schon vor Eintritt in das Unternehmen gut zu verhandeln und sich vorab über die üblichen Gehälter der jeweiligen Branche zu erkundigen. Außerdem solltest du darauf achten, dass deine Ergebnisse gesehen werden. Betreibe also Selbstmarketing und berichte regelmäßig über deine Erfolge. Das Einkommen bestimmt allerdings nur zu einem kleinen Teil über die Unzufriedenheit mit der Arbeitstelle.
Das sorgt für zufriedene und motivierte Mitarbeiter
Mangelnde Ressourcen und Schwierigkeiten, an Informationen heran zu kommen, sind wesentliche Faktoren für Arbeitsunzufriedenheit. Prüfe daher im Vorfeld, ob es zum Beispiel eine strukturierte Einarbeitungsphase gibt, in der du auf deine Tätigkeiten vorbereitet wirst. Gibt es eine Mentorin oder Ansprechpartnerin? Gibt es besondere Veranstaltungen für Neueinsteiger, Einstiegsmanuals oder Patensysteme. Das könnte schon ein guter Hinweis auf die Rahmenbedingungen sein mit denen du in deinem Job rechnen kannst.
Fehlende Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sorgen bei vielen Arbeitnehmern für Frust und Unzufriedenheit. Daher ist es wichtig, auf entsprechende Angebote zurückzugreifen. Gute Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten reduzieren im Übrigen nicht nur die Arbeitsunzufriedenheit, sondern beflügeln auch deine Karriere im Sinne von höherem Gehalt. Es lohnt sich also, deine eigenen Erwartungen mit denen der tatsächlichen Möglichkeiten in deinem Job frühzeitig abzugleichen.
Geringe Chancen zur Gestaltung der eigenen Work-Life-Balance können auch zu Unzufriedenheit führen. Daher solltest du die Erwartungen hinsichtlich Erreichbarkeit und Kommunikation sowie Möglichkeiten zur Flexibilisierung deiner Arbeitszeiten in der Freizeit in Erfahrung bringen. Kann ich beispielsweise früh am Nachmittag nach Hause gehen, um Zeit mit meiner Familie zu verbringen und abends arbeiten? Gibt es im Unternehmen Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung? Die Gestaltungsmöglichkeiten der Work-Life-Balance spielen eine tragende Rolle – unterschätze deren Bedeutung nicht.
Das Betriebsklima ist entscheidend für die Zufriedenheit
Entscheidend für den Verlauf deines Berufseinstiegs und die ersten Karrierestufen ist jedoch der Faktor „Mensch“. Wir sind „social animals“ und das, was uns am meisten beeinträchtigt, sind negative soziale Interaktionen mit anderen Personen, beispielsweise Konflikte mit Vorgesetzten. Diese negativen, sozialen Interaktionen geben uns negatives Feedback und signalisieren, dass wir etwas ändern sollten. Solchen Interaktionen schenken wir besonders viel Aufmerksamkeit. Deshalb solltest du dich schon im Vorfeld über das Betriebsklima des Unternehmens erkundigen. Vielleicht kennst du jemanden, der dort arbeitet und der dir vor Jobantritt etwas über die Art der Zusammenarbeit im Betrieb berichtet kann.
Hast du es in deinem Job mit einer Führungskraft zu tun, die feindseliges und hinderliches Verhalten zeigt, solltest du unbedingt etwas unternehmen. Negative und destruktive Formen von Führung sind weit verbreitet. Der wirtschaftliche Schaden despotischer Führung ist immens und wird mit 23,8 Milliarden US-Dollar jährlich beziffert. Dazu gehören Verhaltensweisen der Chefin oder des Chefs wie Anschreien, Lächerlich machen, Unhöflichkeit, Kompetenzen anzweifeln und Anlügen. Infolgedessen wirst du an deinen eigenen Fähigkeiten zweifeln, dich weniger an das Unternehmen gebunden fühlen und es so schnell wie möglich verlassen wollen. Wahrscheinlich ist auch, dass du deine Unzufriedenheit durch schädigendes Verhalten zum Ausdruck bringst. Du wirst schlecht über das Unternehmen reden, Leistung reduzieren, langsamer arbeiten oder deine Ideen zurückhalten. Alles in allem schlecht für dich und deinem Start in die Karriere.
Eine erste Reaktion auf die destruktive Führung könnte sein, dass du aus Angst vor negativen Folgen nichts sagst, schließlich bist du neu im Unternehmen und willst nicht als sensibel gelten. Das ist keine gute Strategie, da sich das Problem und das tyrannische Verhalten der Führungskraft weiter auswachsen werden. Besser, du sprichst es direkt an. Suche dir vorher Personen, die ähnliches erlebt haben und dich unterstützen. Wichtig ist: Der Fokus liegt dabei auf dem Problem, nicht auf der Person. Beispielsweise: „Barbara, im Kundengespräch hast du mich mehrmals unterbrochen. Ich möchte gerne mit dir darüber sprechen, wie wir in Zukunft besser miteinander arbeiten können“. Soviel ist sicher: Die destruktive Führungskraft wird sich nicht nach einem Gespräch ändern. Bleibe dennoch dran. Wichtig ist auch, dass du den dysfunktionalen Teufelskreis gleich zu Beginn unterbrichst. Mach dir bewusst, dass das Verhalten deines Chefs oder deiner Chefin nichts mit dir zu tun hat und ruf dir deine Stärken ins Gedächtnis. Wende dich auch an jemanden aus der nächsthöheren Führungsebene. Am besten mit einer Dokumentation der Ereignisse, damit deine Karriere keinen Schaden nimmt.
Du siehst, dass du als Berufseinsteiger eine aktive und gestaltende Rolle einnehmen und deine Arbeit auch zu großen Teilen selbst mitgestalten kannst. Du kannst deinen Job „craften“.
Prof. Dr. Judith Volmer ist seit 2013 Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Sie forschte und lehrte zuvor an zahlreichen nationalen und internationalen Universitäten und hat als Consultant unter anderem bei der German-American Chamber of Commerce in New York gearbeitet. Sie berät Unternehmen zu den Themen Führungskräfte- und Karriereentwicklung, Arbeit und Gesundheit sowie Digitalisierung. Bei Interesse kontaktieren Sie sie gerne judith.volmer@uni-bamberg.de.