In kaum einer anderen Branche arbeiten Informatiker*innen und Betriebswirtschaftler*innen derart auf partnerschaftlicher Augenhöhe zusammen wie in der Wirtschaftsprüfung. Betriebswirtschaftliche Prozesse durchlaufen die Digitalisierung und sorgen so für fachlich gemischte Teams. Dabei können gerade ITler*innen frei entscheiden, ob sie mit oder ohne Mandantenkontakt arbeiten möchten, erklärt uns Timo Husemann, Senior Manager bei Forvis Mazars, im Interview.
Herr Husemann, welche Rolle spielt das Thema Data Science Ihrer Meinung nach in der klassischen Wirtschaftsprüfung?
Ganz grundsätzlich richten sich die Geschäftsmodelle der Wirtschaftsprüfung (WP) an betriebswirtschaftlichen Prozessen aus. In der klassischen WP spielt die IT – wenig überraschend – eine immer größer werdende Rolle. Finanzdaten werden durch Data Scientists in Analyse-Dashboards aufbereitet und anschließend vom Prüfungsteam analysiert, bewertet und in den Kontext gesetzt. In diesem Zusammenspiel aus BWL, IT, Statistik und Mathematik übernehmen die Data Scientists kaum Mandantenkontakt, sondern fokussieren sich auf die Aufbereitung der Daten und Anforderungen der Fachkolleg*innen. Dabei kommt zunehmend auch Machine Learning zum Einsatz, indem zum Beispiel ein Tool Belege ausliest und kategorisiert. Ich selbst kann nicht beurteilen, ob ein Code gut oder schlecht gemacht ist, denn als Wirtschaftsprüfer fehlt mir hier die technische Expertise, dafür ziehe ich unsere IT-Kolleg*innen oder unsere Data Scientists zu Rate, die über entsprechende Kompetenzen verfügen. Um hier weiter Know-how aufzubauen, kooperiert Forvis Mazars unter anderem auch mit Start-ups, wobei wir danach streben, die Expertise inhouse zu etablieren.
Inwiefern unterscheidet sich der Bereich Data Science von dem der IT-Forensik?
Auch wenn Data Science oft im gleichen Kontext wie IT-Forensik genannt wird, möchte ich hier differenzieren. Die Wirtschaftsprüfung an sich ist ein hoheitlicher Auftrag: Wir erbringen als Prüfer*in eine Aufgabe für die Gesellschaft, die darauf vertrauen kann, dass die zu berichtenden Finanzzahlen unserer Mandanten im Wesentlichen verlässlich sind. Es ist aber nicht grundsätzlich unsere Aufgabe, beispielsweise Zugang zu den E-Mails des Mandanten zu verlangen und KI einzusetzen, um einen möglichen Betrug aufzudecken. Dies wäre eher ein Teilbereich der IT-Forensik.
Die Daten zu prüfen, die wir zur Verfügung gestellt bekommen, ist eine der komplexesten und herausforderndsten Aufgaben in unserem heutigen Alltag. Die Daten aus unterschiedlichen Haupt- und Nebensystemen zu beschaffen, stellt dabei aufgrund der Systemvielfalt und des vielfach angewandten Customizing eine besondere Herausforderung dar. Daher benötigen wir intern ein Team zur Vor- und Aufbereitung der Daten. Dies erfolgt oftmals mithilfe von Scripten, die von Data Scientists erstellt wurden. Diese Scripte pflegen wir, halten sie aktuell und entwickeln sie gegebenenfalls für diverse Systeme weiter.
Jenseits der Finanzbuchhaltung wird die Systemlandschaft rund um die verschiedenen Vorsysteme immer bunter und die Aufbereitung der Daten entsprechend spannender. Damit unsere standardisierten Lösungen zu denen unserer Mandanten passen, setzen wir Wirtschaftsprüfer*innen uns in der Regel in Workshops mit den Datenexpert*innen unserer Mandanten zusammen, um zu erarbeiten, welcher Datenabzug der effizienteste ist. Wir nehmen das kundenseitige System in Augenschein und prüfen, welche Daten wie exportiert werden können, was welches System zulässt und wie wir diese Informationen verarbeiten können.
Wenn neue Technologien eingesetzt werden, ersetzen sie zum Teil (bisher) menschlichen Arbeitsaufwand. Welche Entwicklungen sehen Sie für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer im Zusammenhang mit der Digitalisierung? Welche nicht? Und was bedeutet das für Absolvent*innen?
Auch als Wirtschaftsprüfer*in ist es eine Kunst, das IT- mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Know-how zu verknüpfen. Auf der einen Seite haben Data Scientists eine sehr technische Perspektive, wohingegen Betriebswirt*innen eine prüfungsbezogene Perspektive einnehmen. Beide Expertisen sind essentiell, damit Projekte erfolgreich verlaufen. Wir Wirtschaftsprüfer*innen müssen ein bisschen mehr wie Data Scientists denken und andersherum. In der Ausbildung ließe sich das sicherlich widerspiegeln, wobei die Uni-Ausbildung, die viele Kandidat*innen mitbringen, schon sehr spezifisch ist und viele übergreifende und generalistische Themen fürs Gesamtverständnis nicht mehr unterrichtet werden. Bislang können wir das nötige Wissen aber auch on-the-job gut vermitteln.
Wir arbeiten in einem sehr regulierten Markt, in dem neue Technologien erst einmal Fuß fassen und sich etablieren müssen. Das heißt, wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen oder Machine-Learning, ist das für den Berufsstand mit den jetzigen Regelwerken neu. So gibt es bislang keinen Prüfungsstandard zur Anwendung von Machine Learning oder zur Prüfung von Robotics Process Automation. Momentan unterstützt die Maschine lediglich, während die finale Beurteilung weiterhin beim Menschen liegt. Nicht zu vergessen ist die bekannte Kritik an Data Science: Eine Maschine kann an gewissen Stellen keine vollumfänglich fundierten Entscheidungen treffen, denn sie hat aus vergangenen Daten gelernt, während die Zukunft vielleicht eine ganz andere Entscheidung benötigt.
Auch verfügt jede*r Mandant*in über individuelle Fragestellungen und Geschäftsmodelle, die kaum generelle Entscheidungen erlauben. Gerade die bekannten Fälle aus den Medien in der jüngsten Zeit zeigen, dass es wichtig ist, mit betriebswirtschaftlichem Hintergrundwissen die Geschäftsmodelle zu hinterfragen und verschiedene Daten sowie Ankerpunkte miteinander zu verknüpfen und in ein Gesamtbild zusammenzufügen. Was können Informatiker*innen und Betriebswirt*innen voneinander lernen? Kurz gesagt: sehr, sehr viel. Alle sind Expert*innen in ihren Gebieten, alle sind aufeinander angewiesen. Sie müssen sich eng miteinander austauschen und abstimmen, um die Möglichkeiten der Digitalisierung optimal nutzen zu können.
Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wird also so schnell nicht durch Roboter ersetzt. Zukünftig wird es weniger manuelle, repetitive Tätigkeiten geben, weil einfachere Tätigkeiten durch Automatisierungsprozesse erledigt werden. Ich gehe jedoch fest davon aus, dass es weiterhin Wirtschaftsprüfer*innen geben wird, die den Kontakt zu Mandant*innen, den Menschen, halten und die Prüfung orchestrieren. Der Markt für Wirtschaftsprüfer*innen bleibt langfristig bestehen. Auch wenn die Digitalisierung hier einiges ändern wird, ist das Grundhandwerkszeug nicht wegzudenken. Der Wandel geschieht nicht von heute auf morgen, sondern eher langfristig.
Was erwartet IT-interessierte Talente bei Forvis Mazars?
Für Informatiker*innen gibt es bei Forvis Mazars zwei attraktive Wege: den Bereich IT-Audit und IT-Consulting mit Mandantenkontakt. Wir haben aus dem Consulting kommende Laufbahnstufen, die es recht ähnlich in der Wirtschaftsprüfung gibt. Davon losgelöst gibt es den Bereich Data Science in unserem Competence Center Digital Solutions. Hier geht es darum, inhouse clevere und innovative Ideen und Prozesse aus unserem fachlichen Alltag umzusetzen und Forvis Mazars, aber auch unsere Mandant*innen in ihrer digitalen Transformation zu unterstützen.
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