Banken brauchen Querdenker und Innovatoren
Humanoide Roboter, komplexe IT-Systeme und die gesamte Klaviatur der Mobile Devices – Berater bei PwC gestalten die zukünftige Bankenbranche von Grund auf mit. Rainer Wilken, Partner bei PwC in der Finanzberatung, weiß, warum das traditionelle Bankengeschäft eine Revolution braucht und welche Akademiker dafür besonders gesucht werden.
Herr Wilken, vor welchen Herausforderungen stehen Banken heute?
Wir erleben heute vor allem umfassende Veränderungen im Verhalten der Kundschaft – egal ob Privat- oder Firmenkunden. Die Kunden haben eine ganz andere Erwartungshaltung an die klassischen Banken als früher. In Zeiten der Digitalisierung, in der jeder stets online ist, fordern Kunden auch passende und individuelle Angebote zu jeder Zeit. Zudem müssen sich Banken mit den technologischen Fortschritten befassen; Was passiert im Bereich der Innovationstechnologie und wie kann ich diese nutzbar machen, um meine Kunden weiterhin an mich zu binden und um neue Kunden zu gewinnen?
Inwiefern hat sich die Erwartungshaltung der Kunden gewandelt?
Wir alle sind es gewohnt, über eBay, Amazon oder andere Anbieter online Bestellungen zu tätigen. All diese Services sind undenkbar einfach und erfordern lediglich ein Smartphone, eine stabile Web-Verbindung und die entsprechende App. Sofort habe ich Zugriff auf die Angebote und erhalte umgehend die Bestätigung, dass eine Transaktion abgeschlossen wurde. Genau dieser Prozess, den ich als Kunde als sehr zuverlässig und unbekümmert erlebe, ist in der Bankenwelt noch nicht etabliert. Dort sind Transaktionen teilweise noch umständlich, formularbehaftet und oft mit dem Weg in die Filiale verbunden.
Seit der Finanzkrise haben die Banken um ihr Überleben gekämpft
Woran liegt es, dass die Banken in diesem Punkt hinterherhinken?
Das hat mehrere Gründe. Seit 2008 haben die Banken im Zuge der Finanzkrise auch um ihr Überleben gekämpft und sind mit Regulierungswellen überzogen worden. Diese Richtlinien mussten sie folglich in ihren Systemen umsetzen. So sind die Budgets zur Veränderung und Weiterentwicklung vorrangig da hineingeflossen und nicht in Innovationen. Zudem ist über die Jahre eine komplizierte und mit Sicherheitsauflagen versehene IT-Infrastruktur entstanden, die sehr unflexibel ist. Ein Stück weit sind aber auch die Banken schuld, für die es eine Selbstverständlichkeit geblieben ist, zu sagen ,Wir bieten eine Basisdienstleistung, die jeder braucht, also können wir mit unserem Service und unserem Angebot im Grunde so verharren, denn der Kunde wird sowieso immer ein Konto oder einen Kredit brauchen.’ Banken konnten sich viele Jahre einfach nicht vorstellen, dass ihr Geschäftsmodell angegriffen werden könnte.
Dort kommen Sie als Unternehmensberatung ins Spiel: Wo müssen Ihre Bankkunden nachrüsten?
Beim Thema Datenintelligenz zum Beispiel. Das Geschäftsmodell vieler junger Unternehmen besteht darin, aus Kundendaten Informationen herauszulesen, und diese wiederum gewinnbringend neu zusammenzufügen, um damit zielgruppenorientiertere Angebote zu machen. Das haben die Banken nie wirklich geschafft – und da helfen wir. Zudem führen wir unsere Kunden an Innovationen heran. Eine der spannendsten Innovationen sind die Fortschritte im Bereich Robotics, sprich, mithilfe künstlicher Intelligenz, lernenden Systemen oder Algorithmen kann man viele Unternehmensprozesse optimieren. Vielleicht haben Sie schon von Pepper gehört, einem humanoiden Roboter, der in der Lage ist, Gespräche zu führen und somit beispielsweise in der Filiale Informationen zur Verfügung stellen kann. Er spricht einen direkt an und erkennt die Mimik und die Stimmung im Gespräch.
Die persönliche Beziehung zu den Kunden ist ein großer Vorteil
Und, haben Sie schon mit Pepper gesprochen?
Ja, denn wir haben selbst einen im Haus, der aktuell in verschiedenen Bereichen erprobt wird. Ich bin mir sicher, dass sich Banken auch dafür interessieren werden.
Laut einer Ihrer jüngsten Studien haben 83 Prozent der Kunden Vertrauen zu den Banken und die Mehrheit aller Befragten setzt bei Entscheidungen immer noch auf den persönlichen Bankberater. Warum sind FinTechs dennoch so erfolgreich?
Es ist richtig, dass die persönliche Beziehung zu den Kunden ein großer Vorteil der Banken ist. Aber auch in der persönlichen Beratung muss der Kunde heute Zeitverzögerungen in Kauf nehmen – ein Berater ist ja nicht 24/7 erreichbar. Und jetzt kommen eben Online-Angebote, mit denen du deinen Finanzstatus einsehen kannst, wann immer du willst oder am Wochenende Anlageentscheidungen treffen kannst. Da merkt der Kunde eben doch, dass er die persönliche Be- ratung nicht unbedingt braucht. Den FinTechs gelingt es, genau da anzusetzen und kleine Stückchen aus der Bankdienstleistung ,herauszuknabbern’ – solche, die Kunden dann eben auch gerne annehmen.
Können die Banken angesichts dessen in Zukunft überhaupt bestehen?
Wenn die Banken bestehen wollen, müssen sie ihren Kunden signalisieren ,Ich bin die Bank an deiner Seite, egal in welcher Situation du dich befindest. Wir beschaffen deine Informationen, vermitteln und stellen Kontakte her.’ Das hat sie bisher nicht getan. Bisher hat sie gesagt ,Wir haben dein Konto und wenn du einen Kredit brauchst, kommst du zu uns’. Zukünftig muss sie den Lebenszyklus ihrer Kunden kennen und sie permanent mit passenden Angeboten durch Lebensstationen begleiten – von der ersten Kontoeröffnung, über einen Studenten- oder Ausbildungskredit bis zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
Der Schwerpunkt muss auf die Technologie gelegt werden
Welche Köpfe suchen Sie denn im Bereich Banken?
Im Bankenbereich funktioniert heute alles über Technologie. Studierende, die sich für die Finanzdienstleistungswelt interessieren, sind also gut beraten, einen Schwerpunkt auf Technologie zu legen. Auch Banken brauchen heute Einsteiger, die nicht nur eine klassische Bankausbildung haben, sondern die ganz natürlich mit den digitalen Innovationen umgehen und die einen Blick für neue Geschäftsmodelle haben. Das müssen übrigens keine Informatiker sein, die perfekt program-mieren können, sondern neben Wirtschaftswissenschaftlern auch Querdenker aus allen möglichen Fachbereichen, wie Psychologen, Mathematiker oder Statistiker.
PwC hat sich im Jahr 2014 mit Booz & Company (heute Strategy&) zusammengeschlossen. Wie unterscheiden sich die beiden eigentlich voneinander?
Strategy& konzentriert sich auf die Strategieberatung, beispielsweise auf die Organisationsentwicklung oder Entwicklung von Geschäftsmodellen. Die PwC Berater beginnen eigentlich mehr oder weniger dort, wo Strategy& aufhören würde. Nachdem die Strategie entwickelt ist, kommt ja die große Frage, wie das Ganze umgesetzt wird. Da ist dann unsere Kompetenz als eher fachlich orientierte Beratung gefragt. Wir haben auch gemeinsame Projekte, bei denen wir quasi on-the-fly übernehmen – in dem Moment, wo der Strategieanteil weniger wird und es in Richtung Umsetzung geht. Wir geben aber auch an die Kollegen ab, wenn sich ein strategisches Thema aufgetan hat.
Ein Berater bei PwC beschäftigt sich mit der Umsetzung
Damit sich unsere Leser ein Bild von Ihren Aufgaben machen können: An welchem Projekt haben Sie in der Vergangenheit gearbeitet?
Zum Beispiel hat eine Automobilbank festgestellt, dass sich die Kunden wünschen, online mobile Transaktionen abzuschließen. Dazu gehört, sich das Konto online anzuschauen und vielleicht ein Wertpapier zu kaufen oder einen Kredit zu beantragen und das eben in kurzer Zeit und ohne großen administrativen Aufwand. Dazu haben wir den Markt an passenden IT-Systemen untersucht und letztlich ist es uns gelungen, die Kundenwünsche erfolgreich umzusetzen.
Arbeiten Sie bei Ihren Projekten auch mit FinTechs zusammen?
Ja, viele Banken sehen, dass sie die eigenen Entwicklungen nicht mehr aufholen können. Deshalb suchen wir gemeinsam mit unseren Kunden spannende Start-ups, an denen sie sich beteiligen, und deren Modell sie in ihre Service- und Wertschöpfungskette integrieren können.
Herr Wilken, was macht für Sie PwC in der Bankenberatung aus?
Über die Jahre hat es mich immer wieder begeistert, dass es auch heute mit den komplexen Anforderungen der Digitalisierung, fast keine Aufgabenstellung bei unseren Kunden gibt, die wir nicht lösen können. Ich habe eine Kundenbetreuungsrolle bei zwei großen Banken in Deutschland. In 99 Prozent der Fälle kann ich mich bei meinen Kunden direkt wieder melden und sagen ,Das sind die Experten, so würden wir es angehen, wann können wir uns treffen?’ Das ist das, was PwC ausmacht und weshalb ich mir vorstellen kann, dass ein Absolvent, der ja heutzutage noch viel mehr als wir früher nach Abwechslung und Spannung sucht, genau das bei uns findet.
Rainer Wilken
Dipl.-Wirtschaftsingenieur (TU Darmstadt, Fachrichtung Maschinenbau, Diplom-Schwerpunkte Finanzwissenschaften und Unternehmensführung) ist Partner im Bereich Financial Services Consulting in Frankfurt. Er leitet das deutsche Beratungsgeschäft im Sektor Banking & Capital Markets. Darüber hinaus ist er als Global Relationship Partner verantwortlich für das Key Account Management zweier großer Banken. Vor seiner Zeit bei PwC war Herr Wilken bei einer Marktforschungsgesellschaft für Investitionsgüter tätig.