Die Hochschule ist ein Ort, der so behütend für viele Studierende ist, dass der nach Studienende folgende Berufseinstieg oft einem Kulturschock gleichkommt. Doch man kann sich vorbereiten auf die Wirtschaftswelt. Ein Schlüssel dazu ist ein ausgeprägtes Selbstmanagement, das uns bereits frühzeitig Orientierung geben kann, wie der Coach Guido Wenski erläutert.
Nach einer erfolgreichen Karriere als Experte und Führungskraft in verschiedenen Industriebereichen haben Sie es gewagt, als Verhandlungstrainer nochmal neu zu starten. Warum?
Dies hat zweifellos den Wechsel in meiner beruflichen Laufbahn mit der größten Tragweite dargestellt. Vorher war ich als Chemiker fast drei Jahrzehnte bei einem großen Chemie- und Halbleiterkonzern in technischen und kaufmännischen Funktionen im In- und Ausland tätig. Als Leiter im Strategischen Einkauf durfte ich hohe Budgetsummen und komplexe Verträge verhandeln, was für mich eine Erfüllung bedeutet und mir viel Freude bereitet hat.
Parallel dazu hatte ich die Möglichkeit, über mehrere Jahre ein Schulungsprogramm für die Einkäufer:innen an den verschiedenen internationalen Standorten zu entwickeln und durchzuführen. Mit Mitte 50 schien mir vor dem Hintergrund der so gesammelten Expertise der geeignete Zeitpunkt gekommen, mich mit kundenorientierten Seminaren selbstständig zu machen und Verhandlungstraining für Einkäufer und Vertriebsingenieure am Markt anzubieten. Daneben entstanden die Schulungsangebote zum Thema Selbstmanagement.
Wie kann Selbstmanagement denn dabei helfen, eine glückliche und erfolgreiche Karriere zu führen?
Selbstmanagement ist viel mehr als nur Zeitmanagement, dem geschickten Umgang mit begrenzt zur Verfügung stehenden Zeitressourcen zur Selbstoptimierung.
Dahinter verbirgt sich eine ganze Palette weiterer Themen und Fragestellungen, die allesamt verbindet, wie wir mit unserer eigenen Person umgehen, wie wir uns „selbst managen“. In der Arbeitswelt bedeutet dies, dass der Beruf im Idealfall Berufung sein sollte. Unverzichtbar für eine glückliche Tätigkeit sind sinnstiftende Aufgaben, Selbstbestimmung und ein positives Umfeld.
Ein gesunder Ehrgeiz ist dabei natürlich ebenfalls von Vorteil und zu begrüßen. Allerdings befinden sich Berufstätige jedweder Ausrichtung vor allem in unserer modernen Arbeitswelt stets in einem Spannungsfeld aus wünschenswertem Karrierestreben und einem gesunden Aufwand/Nutzen-Verhältnis.
Die wenigsten von uns können unbeschadet dauerhaft unter Volldampf arbeiten. Daher ist es von hoher Bedeutung, dass jedes Individuum selbst auf sich schaut, gesund lebt und eine ausgeglichene Work-Life-Balance anstrebt – der Arbeitgeber wird ihm diese Aufgabe nicht abnehmen.
Wie erkennt man überhaupt, dass das eigene Arbeitsleben von anderen gelenkt wird?
Oft kommt diese Erkenntnis leider erst viel zu spät, da manche Dinge als selbstverständlich angesehen werden, und resultiert in Frustration und innerer Kündigung und schlimmstenfalls im Burn-out. Dabei haben Arbeitnehmer:innen diverse Möglichkeiten, ihren Aufgaben- bereich und ihr Arbeitsumfeld individuell zu gestalten.
Um die Notwendigkeit dafür zu erkennen und Maßnahmen zu definieren, sind etwa Einsicht und Selbstkritik, gesunder Menschenverstand und eine gute Vernetzung von Bedeutung. Es erfordert mitunter Mut, Veränderungen anzustoßen und einzuführen – dennoch muss man sich dazu durchringen.
Wie früh sollte man mit dem Selbstmanagement anfangen, und was gilt es als Berufseinsteiger:in vor dem ersten Job zu beachten?
Im Idealfall – und dies war weder bei mir selbst so, noch trifft es auf die meisten anderen jungen Menschen zu – sollte dies bereits während des Besuchs weiterführender Schulen losgehen: Strebe ich das Abitur an? Für welche Themen des Arbeitslebens interessiere ich mich besonders? Ist ein Studium oder eher eine Berufsausbildung der geeignete Weg? Inwieweit übt die Familie, meist die Eltern, hier eine Fremdbestimmung aus? Wie suche ich mit meinem Abschluss einen Arbeitgeber aus? Bleiben mir dabei noch ausreichend Zeit und Muße zu sportlicher Betätigung und der Pflege anderer Hobbys und von Kontakten?
All dies sind Fragen zum Selbstmanagement, mit denen man sich nicht früh genug beschäftigen kann. Je eher jemand lernt, bewusst seine eigene Komfortzone zu verlassen und damit an Selbstbewusstsein zu gewinnen, desto besser.
Wie erkennt man dann später, dass ein Job der richtige ist?
Ein Job ist dann der richtige, wenn er – trotz aller Höhen und Tiefen – zu einem Gefühl der Zufriedenheit verhilft, die Folge davon, etwas geleistet zu haben. Dies funktioniert nur, wenn sinnvolle Aufgaben geboten werden, die mit den verfügbaren Möglichkeiten lösbar sind und zu Erfolgserlebnissen führen. Am kreativsten sind Mitarbeiter:innen, die größere berufliche Zeitabschnitte im Flow verbringen, dem Gleichgewichtszustand zwischen Über- und Unterforderung, der ein völliges Versinken in die Aufgaben erlaubt.
Andererseits ist ein konstruktives Miteinander Grundvoraussetzung für Erfüllung im Berufsalltag: In einem toxischen Umfeld mit neidischen Kolleg:innen und irrationalen, cholerischen Vorgesetzten gehen die kreativsten Köpfe zugrunde. Jede:r Einzelne sollte erkennen, wann das Maß voll und es Zeit ist, die Reißleine zu ziehen und sich um eine andere Arbeitsstelle zu bemühen. Größere Unternehmen bieten intern vielfach Alternativen zur Querversetzung an; bei kleineren Arbeitgebern bleibt nur der Weg über den erneuten Bewerbungsprozess. Das gelingt am besten aus ungekündigter Stellung heraus. Voreilig Hinzuwerfen und Wegzulaufen vor den Herausforderungen ist ebenso wenig ratsam, wie ein zu langes Erdulden einer inakzeptablen Arbeitssituation.
Was würden Sie Studierenden raten, die sich nach dem Berufseinstieg überfordert fühlen?
Berufsanfänger:innen stellen schnell fest, dass die Hochschule sie auf verschiedene Herausforderungen nur unzureichend vorbereitet hat: Mitarbeiterführung, Projektmanagement, Knüpfen von Netzwerken, unternehmerisches Denken und Handeln sind einige Beispiele. Gleichzeitig müssen sie oft an einem neuen Wohnort erst einmal Fuß fassen und auch die Freizeitgestaltung neu organisieren. Daher ist es wichtig, sich den neuen Herausforderungen aktiv zu stellen und bereits frühzeitig Akzente zu setzen.
Meine Vorschläge zum Selbstmanagement wären deshalb:
(1) Versuchen Sie, Ihr neues Arbeitsgebiet so gut wie möglich zu durchdringen und zu verstehen, was man von Ihnen erwartet.
(2) Erledigen Sie Ihre Arbeit stets so gut wie möglich, und arbeiten Sie an den dafür notwendigen Kompetenzen. Vergessen Sie nicht, Ihre Arbeitsergebnisse intern zu vermarkten.
(3) Suchen Sie sich eine:n Mentor:in oder zumindest Ihnen zugetane Ratgeber, die nicht Ihrem unmittelbaren Kollegenkreis entstammen und die Ihnen Feedback geben.
(4) Stellen Sie sicher, dass Sie zu ihrem neuen, ungewohnten Job einen adäquaten Ausgleich herstellen: Sport, Musik, Veranstaltungen, Ehrenamt, Reisen etc.
(5) Stellen Sie sich selbst Ziele und folgen Sie immer Ihrem moralischen Kompass.
Guido Wenski ist Verhandlungstrainer und Coach und hat sich damit erfolgreich selbstständig gemacht.
Darüber hinaus ist er Autor von mehreren Büchern, die im Springer Verlag veröffentlicht wurden.