Und wie erreiche ich, was ich will?
In seiner Promotion erarbeitete der Schweizer Alexander Osterwalder (43) Konzepte für die Entwicklung von Geschäftsmodellen. Daraus entwickelte er strategische Tools, von denen sein „Business Model Canvas” millionenfach zum Einsatz gekommen ist. Dieser Business-Ansatz hilft auch für die persönliche Karriereplanung.
Justin ist 24 Jahre alt und studiert Wirtschaftsingenierwesen an der TU München. Über seinen späteren Beruf hat er sich noch nicht viele Gedanken gemacht, das Studium ist gerade stressig genug und bis er seinen Master in der Tasche hat, wird noch einige Zeit vergehen. Wenn man ihn danach fragt, wie er später einmal leben möchte, antwortet er, dass er Angst davor hat, in jungen Jahren das Falsche zu entscheiden und unwiderbringlich nicht richtig abzubiegen.
Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow, der in den 40er Jahren die Maslowsche Bedürfnispyramide entwickelte, sagt: „Es ist nicht normal, zu wissen, was wir wollen. Das ist eine seltene und anspruchsvolle psychologische Leistung”. An diesem Punkt kommt Alex Osterwalder ins Spiel. Der entwickelte seine Blau pause zur Entwicklung von Geschäftsmodellen zunächst im Rahmen einer Promotion. Er wollte etablierten Unternehmen und zweifelnden Gründern über ein einfaches Tool die Möglichkeit bieten, Ordnung in ihre Köpfe zu bringen. Die Kernfrage ist dabei: Ist ein Geschäftsmodell wirklich gut genug für den Markt? Es sind neun Bausteine als zentrale Fragestellungen, die ein Unternehmen dabei beantworten muss. Jedes Unternehmen braucht ein Geschäftsmodell, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In seinem Handbuch „Business Model YOU” überträgt Osterwalder diesen Ansatz auf die persönliche Lebens- und Berufsplanung. Ein persönliches Geschäftsmodell hilft seiner Meinung nach dabei, besser zu wissen, wie man eine klare Linie bei den Umwelt- und Wirtschaftsfaktoren findet, die sich laufend ändern und dadurch auch bei den Menschen eine Veränderungsbereitschaft voraussetzen.
Business Model YOU
„Wenn Berufseinsteiger es nicht schaffen, ihren Traumjob zu finden, liegt das meist nicht an ihren mangelnden Kenntnissen des Arbeitsmarktes, sondern an ihrem mangelnden Wissen über sich selbst”, sagt Dick Bolles, Autor der Karrierebibel „Durchstarten zum Traumjob”. Wie sehr belastet es unsere private Lebenssituation, wenn der Job un – glücklich macht? Schätzungen gehen da von aus, dass der Beruf zwischen 70 und 90 Prozent des privaten Glücks ausmacht, weswegen es sehr sinnvoll ist, sich mit einer möglichst konkret erarbeiteten Selbsterkenntnis dem Ziel zu nähern, was die (Berufs-)Welt am stärksten von dir braucht.
Osterwalder beginnt mit den Schlüsselressourcen, die aus zwei Kernelementen bestehen: Dem, was dich ausmacht – deine Interessen, Fähigkeiten, Kenntnisse und deine Persönlichkeit – und das, was du an Wissen, Erfahrung und beruflichen Kontakten oder anderen ma teriellen oder immateriellen Ressourcen mitbringst. Trag diese beiden Bereiche deiner Schlüsselressourcen in die (vergrößerte) Vorlage ein – genauso, wie du es mit den folgenden Bausteinen machst. Die Schlüsselaktivitäten werden von den Schlüsselressourcen gesteuert. Da du noch nicht im Beruf stehst, solltest du dir Gedanken machen, wie deine Schlüsselressourcen anderen Menschen helfen könnten.
Nun beschäftigst du dich mit den Kunden in deiner Canvas: Wem innerhalb eines Unternehmens könntest du helfen, wenn du deine Schlüsselressourcen optimal einsetzen würdest? Diejenigen, denen du in einer Firma nutzen stiftest, sind schließlich diejenigen, die der Organisation gestatten, dich zu bezahlen. Bei deinem Wertangebot für einen Arbeitgeber ist es wichtig, nicht deine Schlüsselaktivitäten mit dem vermittelten Wert gleichzusetzen: Wenn du als Ingenieur Maschinenstraßen entwerfen möchtest, ist dies eine Schlüsselaktivität. Dein Wertangebot ist es, dass dein Arbeitgeber damit millionenschwere Kunden binden kann, die ihre Produktionsanlagen von Verbrennungsmotoren auf E-Motoren umstellen.
Bei der Frage nach deinen Kanälen geht es um dein mögliches Selbstmarketing. Wie erfahren mögliche Arbeitgeber von dir? Nur im Rahmen deiner Bewerbung? Oder könnte einer deiner Professoren dich empfehlen? Betreibst du ein Blog, über den Researcher einen Eindruck davon bekommen könnten, welchen Nutzen du stiften könntest? Oder besitzt du ein Profil bei einem Karrierenetzwerk? In deinen Kundenbeziehungen geht es darum, wie proaktiv du bereit wärst zu sein, um Unternehmen kennenzulernen. Sprichst du Arbeitgeber auf Messen an, bewirbst dich für Events und hältst auch nach dem Praktikum den Kontakt? Die Schlüsselpartner sind all diejenigen, die dich bei deiner Karriereplanung unterstützen. Vielleicht hast du Mentoren? Im Bereich „Was du bekommst” geht es nicht nur um deine Gehaltsvorstellungen, sondern auch um weiche Vorteile, wie beispielsweise die Sinnstiftung aufgrund eines sozialen Beitrages, den du von deiner Arbeit erwartest. Zu den Kosten gehören die materiellen Kosten (etwa weitere Anreise) und die mentalen (etwa Leistungsstress wegen „up or out”).
Nun hast du über deine ausgefüllte Canvas einen Überblick darüber, was dein persönliches Geschäftsmodell sein könnte. Du solltest zukünftige berufliche Möglichkeiten immer ausgehend von den Schlüsselressourcen abklopfen: Wenn deine Interessen, Kenntnisse, Fähigkeiten und deine Persönlichkeit – wie du gerne mit anderen arbeitest und umgehst – am besten zur Geltung kommen, ist die Chance am größten, zu erkennen, was du mit deinem Leben anfangen solltest und auch erreichst, was du erreichen möchtest. Gleichzeitig wird es so sein, dass du beim Ansehen deiner Canvas Dinge siehst, die nicht zusammenpassen wollen. Vielleicht würden die von dir geplanten Schlüsselaktivitäten zu hohe weiche Kosten verursachen, was auf ein unausgewogenes Verhältnis zwischen Ressourcen und Aktivitäten hindeutet. Oder du stellst fest, keine Schlüsselpartner zu haben, die du nutzen könntest, dir ein Netzwerk aufzubauen. Egal, was es ist: Du wirst über dich nachdenken.
„Was soll ich nur mit meinem Leben an – fangen, wo ist mein Platz?” ist wohl eine der zentralen Fragen, der sich jeder Mensch früher oder später stellt. Ihre Antwort ist nicht einfach. Osterwalder zitiert dazu den Psychotherapeut Robert Symons, der Menschen behandelt, die gequält werden von der Annahme, nicht ihre wahre Berufung im Leben gefunden zu haben: „Die häufigste und am wenigsten hilfreiche Illusion ist die, dass Menschen während des normalen Verlaufs der Ereignisse – lange bevor sie ihre Ausbildung abgeschlossen, Familien gegründet, Häuser ge kauft hatten und an der Spitze von Anwaltsfirmen gestanden hatten – hätten ahnen sollen, was sie richtigerweise mit ihrem Leben hätten anfangen können”. Sich diesem Druck auszusetzen ist ganz und gar unnötig, weil wir uns klar machen müssen, dass wir die oft zufälligen Variablen und Einflussfaktoren in unserem Leben niemals planen können. Der bekannte Quantenphysiker und Glücksforscher Florian Aigner formuliert es so: „Wir glauben Muster zu sehen, wo in Wirklichkeit nur das Chaos am Werk ist, wir verwechseln echte Leistung mit purem Glück.”
Osterwalder hat „Business Model YOU” für Menschen geschrieben, die bereits im Beruf stehen und sich neu orientieren möchten. Der Ansatz des Canvas ist auch für angehende Einsteiger ein wichtiges Tool, um sich selbst zu erkennen und die noch nicht stimmigen Bausteine im Laufe der Zeit so zu justieren, dass es leichter fällt, seinen Platz im Leben zu finden und die persönlichen und beruflichen Ansprüche miteinander zu verbinden.