Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf das Wohlbefinden
Sarah Diefenbach ist Professorin für Wirtschaftspsychologie. Sie beschäftigt sich mit der Erforschung des Konsumentenerlebens und der Gestaltung interaktiver Produkte unter psychologischen Gesichtspunkten. Außerdem setzt sie sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Psyche auseinander.
In Ihrem Buch ,Digitale Depression’ beschäftigen Sie sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unser Wohlbefinden. Wie stabil muss die Psyche sein, wenn man sich permanent vergleichen kann mit den beruflichen Überfliegern und millionenschweren Jungunternehmen?
Vergleichen konnte man sich grundsätzlich ja schon immer, allerdings ist durch soziale Medien die Taktung und Reichweite enorm gewachsen, wodurch man natürlich potentiell immer mehr erfolgreiche Menschen zu sehen bekommt.
Konkrete Empfehlungen wären:
- Sich die Frage stellen: Muss man sich überhaupt so viel vergleichen? Die Glücksforschung benennt gerade Vergleiche als Anleitung zum Unglücklichsein …
- Sich wenn eher an den Menschen im direkten Umfeld orientieren: Daran sieht man meist schnell, dass die in den Medien präsenten Überflieger eher Ausreißer sind und die Darstellungen wahrscheinlich auch geschönt.
- Generell hilft es sich bewusst zu machen, dass das, was man in sozialen Medien sieht, immer nur ein selektiver, geschönter Ausschnitt aus dem Leben anderer ist. Genau so wie man selbst ja auch nur einzelne Einblicke gibt, und damit auf die anderen perfekter wirkt als man ist.
Die Digitalisierung gilt in der Wirtschaft als existenzielle Bedrohung wie auch als möglicher Heilsbringer. Haben Sie das Gefühl, dass es wirklich die Zukunft ist, alles zu digitalisieren oder ist auch ein Gegentrend möglich, wenn die in Ihrem Buch geschilderte Frustration über das Social Web zunimmt?
Alles lässt sich sicher nicht digitalisieren, aber die Digitalisierung wird die Wirtschaftslandschaft weiter umwälzen. Alte Branchen und Berufsfelder werden zerstört und neue entstehen. Aber wichtig ist auch: Jeder Einzelne kann sich auch Rückzugsräume schaffen, gerade im Privatleben. Man muss sich ja nicht jedem Trend beugen, sondern sich bewusst machen, man kann zum Beispiel auch noch ohne iPad kochen. Trends, die es auch jetzt schon gibt wie Digital Detox Camps werden sicher noch zunehmen. Vielleicht auch im kleinen Rahmen: sich bewusst mit Freunden mal für einen technologiefreien Abend treffen.
Mit Blick auf Geschäftsfelder der Zukunft ist mir wichtig im Auge zu behalten: Es wird weiter darum gehen, psychologische Grundbedürfnisse der Menschen zu erfüllen, online wie offline. Verbundenheit entsteht nicht mehr so viel durch Briefe schreiben, sondern heute auch durch WhatsApp. Digitale Werkzeuge können helfen, Bedürfnisse auf neuen Wegen zu erfüllen, aber sie müssen so gestaltet sein, dass sie das auch wirklich tun. Das Digitale allein genügt nicht, um etwas erfolgreich oder gut für den Menschen zu machen.
Wie viel Arbeitserleichterung bringt uns das Web eigentlich wirklich im Vergleich zu der Zeitverschwendung, die Menschen beim Onlinekonsum empfinden?
Das muss man nicht so gegenüberstellen. Eigentlich ist genau das die Herausforderung für den Einzelnen: zu differenzieren, was ist hilfreich, auf was verzichte ich. Das Internet stellt sehr viele Angebote bereit: sehr nützliche und viele Konsumangebote, die dann als Zeitverschwendung erlebt werden. Die Aufgabe bleibt, für sich selbst das Positive rausziehen, wie in vielen Bereichen des Alltags.