Fortschritt, Veränderung und Digitalisierung – der Wirtschaftsprüfung steht vieles bevor. Doch neben den neuen technischen Herausforderungen sollten sich Studierende im Laufe des Studiums auch verschiedene Soft Skills aneignen, um erfolgreich in die Branche zu starten. Welche dabei besonders relevant sind und warum ein Blick über den Tellerrand wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Direktor des Instituts für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung (IRW) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Die WP-Branche wird sich in den nächsten Jahren sicherlich vielen neuen Herausforderungen stellen müssen, sei es durch technische Fortschritte oder Veränderungen in der Wettbewerbsstruktur. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden, die dem Bereich bevorstehen?
Eine große Herausforderung könnte der Nachwuchsmangel in der Wirtschaftsprüfung werden, welcher durch den hohen Altersdurchschnitt der derzeit tätigen WPs in Zukunft noch verstärkt werden wird. Die Branche ist für viele Studierende nicht mehr so attraktiv wie früher, einerseits wegen der anspruchsvollen Ausbildung und andererseits aufgrund eines oftmals von den Studierenden empfundenen antiquierten Image des Berufs.
Die Hürden liegen jedoch nicht nur bei dem Mangel an interessierten Studierenden, sondern auch in den strukturellen Entwicklungen. Die zunehmende Regulatorik, wie beispielsweise durch die Prüferrotation und die striktere Trennung von Prüfung und Beratung sowie die Regulierung von Nichtprüfungsleistungen durch den Abschlussprüfer, verändert nachhaltig den Prüfungsmarkt. Hinzu kommt, dass es im Bereich der nichtfinanziellen Berichtsbestandteile einen sehr viel höheren Bedarf an Prüfungsleistungen gibt als bisher.
Darüber hinaus sind vor allem kleine und mittelgroße Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit herausfordernden Marktstrukturen konfrontiert, die eine strategische Neuorientierung erfordern. Da auch das Geschäftsmodell von WP-Gesellschaften einen Wandel erfährt – vom traditionellen Prüfer hin zum „Assurance Dienstleister“ – steigen die Leistungserwartungen der Mandanten. Dies ist nicht nur eine Folge des zunehmenden Wettbewerbsdrucks, sondern auch der wachsenden Digitalisierung, die Blockchain, Big Data und dergleichen mit sich gebracht hat.
Bleiben wir kurz bei der Digitalisierung. Wie wirkt sie sich konkret auf die Wirtschaftsprüfung aus und wie können sich Studierende darauf am besten vorbereiten?
Die Digitalisierung hat großen Einfluss auf die Wirtschaftsprüfung sowohl in Bezug auf den Mandanten als auch für den Prüfungsprozess des WPs. Durch die Fortschritte gibt es einen rasanten Wandel, der bisherige Geschäftsmodelle verändert und neue ermöglicht. Diese neuen Modelle müssen jedoch in gleicher Tiefe verstanden werden, wie die traditionellen, was für den WP unter anderem Auswirkungen auf die Risikoanalyse bei der Prüfung hat. Die Entwicklung führt noch stärker weg von der Belegprüfung und hin zur Prüfung von IT-Systemen, beziehungsweise zur Vollprüfung.
Wie ich schon erwähnt hatte, steigt die Erwartungshaltung der Mandanten. Aufgrund der Digitalisierung wird von Wirtschaftsprüfern zunehmend Expertise in Bezug auf neue Technologien wie Blockchain oder Künstlicher Intelligenz erwartet, um einerseits mit Kunden auf Augenhöhe kommunizieren und agieren zu können und andererseits die eigenen Prüfungssysteme zu verbessern. Der WP wird meines Erachtens darüber hinaus weiterhin ein wichtiger Ansprechpartner für Fragestellungen bleiben, bei denen betriebswirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Aspekte miteinander verzahnt sind oder für Fragestellungen, die Empathie und Einfühlungsvermögen voraussetzen – beispielsweise bei der Unternehmensnachfolge im Mittelstand.
Vor den Auswirkungen der Digitalisierung darf man keine Angst haben, stattdessen sollte sie als Chance gesehen werden. Hier steht meines Erachtens vor allem das Konzept des „lebenslangen Lernens“ im Vordergrund. Man sollte bereit sein, sich ständig weiterzubilden und offen für neue und zum Teil noch unvertraute Themengebiete sein. Sofern man sich für das Themengebiet Digitalisierung interessiert, kann ich nur empfehlen bereits an der Uni entsprechende Kurse zu belegen. Beispielsweise gibt es an der Universität Münster im Masterstudium BWL die Möglichkeit einen Minor in Wirtschaftsinformatik oder Entrepreneurship zu wählen.
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Sie erwähnten, dass für Studierende die Wirtschaftsprüfung nicht mehr so attraktiv sei. Was würden Sie dem entgegnen, worin liegt der besondere Reiz der Wirtschaftsprüfung?
Die Arbeit ist äußerst abwechslungsreich und dadurch auch spannend, unter anderem durch den häufigen Mandantenkontakt, die Arbeit in wechselnden Prüfungsteams und tiefe Einblicke in sehr unterschiedliche Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Gepaart mit dem Fachwissen in den Bereichen Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Steuern werden Wirtschaftsprüfer so zu einem wichtigen Ansprechpartner der Mandanten auch abseits der Jahresabschlussprüfung. WPs haben zudem die Möglichkeit, das im Studium erlernte Fach- und Detailwissen in der Praxis auch tatsächlich anzuwenden.
Wie werden Studierende an Ihrer Universität darauf vorbereitet, nach Abschluss des Studiums direkt auch in der Praxis bestehen zu können?
Studierende haben sowohl im Bachelor als auch im Master die Möglichkeit eine Vielzahl von qualitativ hochwertigen und anspruchsvollen Accounting-Veranstaltungen an unserem traditionsreichen Accounting Center (ACM) zu besuchen. Das ACM besteht insgesamt aus vier Einheiten: Dem Lehrstuhl für Controlling und Unternehmenssteuerung (Prof. Dr. Martin Artz), dem Lehrstuhl für BWL, insbesondere Internationale Unternehmensrechnung (Prof. Dr. Peter Kajüter), dem Institut für Unternehmensrechnung und -besteuerung (Prof. Dr. Christoph Watrin) und dem Institut Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung. Das ACM folgt dem Leitbild einer theoriegestützten und praxisnahen Ausbildung, was insbesondere auch an den zahlreichen Veranstaltungen deutlich wird, die wir in Kooperation mit verschiedenen Lehrbeauftragten aus der Praxis durchführen – darunter sind der Vorstandssprecher des IDW, Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann, der Vorsitzender Richter am FG Köln, Prof. Dr. Rainer Braun und Dr. Florian Funck (Vorstand der Franz Haniel & Cie. GmbH). Zusätzlich haben Studierende die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeit in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen zu schreiben. Wir am Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung möchten unseren Studierenden konzeptionelles und kritisches Denkvermögen vermitteln, was aus unserer Sicht die wohl bedeutendste Kompetenz für eine erfolgreiche Karriere ist.
Was sind Fragestellungen, die an Ihrem Lehrstuhl gerade besonders intensiv diskutiert werden?
Wir am Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung orientieren uns an der Maxime „Möglichst viel zu bewegen“ und versuchen insbesondere, die konkreten regulatorischen Rahmenbedingungen mitzugestalten. Die Mitarbeit in Gremien und Arbeitskreisen ist daher ein zentraler Arbeitsschwerpunkt am Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung. Ich selbst bin Mitglied im IFRS-Fachausschuss des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). Des Weiteren engagiere ich mich im Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung (AKEIÜ), welcher unter anderem an der Ausarbeitung eines Statements zum Entwurf des geänderten Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beteiligt war.
Momentan sind vor allem aktuelle Themen und Trends wie beispielsweise die Bilanzierung von Kryptowährungen sowie Blockchain und ihr Bezug auf die Rechnungslegung und die Abschlussprüfung interessant. Letztens wurden zudem ein Aufsatz zum Thema Kapitalkonsolidierung im mehrstufigen Konzern sowie ein Beitrag über IFRS 11 (Gemeinschaftliche Vereinbarungen) in einem Kommentar zu den International Financial Reporting Standards (IFRS) veröffentlicht.
Beim Berufseinstieg hat man oft die Qual der Wahl. Worin unterscheiden sich die Wirtschaftsprüfer und wie finde ich den passenden Arbeitgeber innerhalb Branche?
Es gibt nicht „den besten“ Wirtschaftsprüfer oder eine allgemeingültige Empfehlung. Die WP-Gesellschaften unterscheiden sich sowohl in Bezug auf Größe, Unternehmenskultur, Mandantenstruktur und dergleichen. Häufig weht auch in unterschiedlichen Niederlassungen der gleichen Gesellschaft ein ganz anderer Wind. Daher ist mein persönlicher Rat, im Rahmen von Praktika verschiedene Arbeitgeber und Gesellschaften verschiedener Größen kennenzulernen. Dadurch bekommt man ein Gefühl, welche Gesellschaft am besten zu einem selbst passt.
Hat man nun ein Unternehmen gefunden, muss man erst einmal durch den Bewerbungsprozess. Worauf achten Arbeitgeber der WP-Branche Ihrer Erfahrung nach am meisten, wenn Sie Kandidaten beurteilen?
Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Natürlich ist eine fundierte akademische Ausbildung – wie man sie beispielsweise bei uns an der Universität Münster bekommt – einer der wichtigsten Aspekte. Allerdings dürfen Soft Skills wie Teamfähigkeit ebenfalls nicht unterschätzt werden. Das Klischee des erbsenzählenden Alleingängers ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Soziale Kompetenz und Kommunikationsstärke sind wichtig, da man als Wirtschaftsprüfer, wie bereits erwähnt, engen Kontakt zu Mandanten hat.
Außerdem ist es wichtig, schon während des Studiums „über den Tellerrand“ hinauszuschauen, indem man beispielsweise einen Auslandsaufenthalt absolviert, sich in Studenteninitiativen engagiert und den Kontakt mit neuen Themen und bisher ungewohnten Situationen nicht scheut. Das hilft aber nur, wenn es nicht nur als Vervollständigung des Lebenslaufes wahrgenommen wird, sondern als intrinsisch motiviertes Engagement.
Und abgesehen von theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung ist natürlich eine gute Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch unerlässlich.
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