Beim Stichwort Wirtschaftsprüfer denken viele instinktiv an die klassischen Big 4 der Wirtschaftsprüfungsbranche. Doch daneben gibt es auch viele kleinere Unternehmen, in denen Studienabsolventen Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können. Welche Berufsmöglichkeiten es für angehende Wirtschaftsprüfer gibt und wie man den idealen Arbeitgeber für sich findet, erklärt Prof. Dr. Eva Bracht von der FH Aachen.
Wie viele Berufsfelder erfährt auch die Wirtschaftsprüfung einen grundlegenden Wandel. Was unterscheidet den Wirtschaftsprüfer von morgen von dem Wirtschaftsprüfer von gestern?
Die WP-Branche erlebt derzeit eine grundlegende Veränderung. Dazu gehört sicherlich einerseits das neue regulatorischen Umfeld, welches u.a. die verpflichtende Rotation von Prüfungsgesellschaften sowie einen neuen Bestätigungsvermerk vorsieht. Der neue Bestätigungsvermerk ist mit einem Bestätigungsbericht vergleichbar und erläutert detaillierter die wesentlichen Prüfungserkenntnisse.
Andererseits vollzieht sich vor allem durch die große Datenvielfalt, die Unternehmen heute für ihren Wirtschaftsprüfer bereithalten, sowie den daraus resultierenden technischen Möglichkeiten zur Analyse dieser Daten ein Wandel der WP- Branche. Der bisher hohe Anteil an manuellen Prüfungshandlungen wird immer mehr durch eine automatisierte Prüfung des Rechnungswesens mit intelligenten Analysetools ersetzt. Daher wird auch die Jahresabschlussprüfung mithilfe von kontinuierlichen Datenanalysen digitalisiert. Die Aufgabe des Wirtschaftsprüfers wird es künftig sein, diese Daten einzuordnen und zu analysieren. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entwickeln derzeit zahlreiche neue Geschäftsfelder und innovative prüfungsnahe Dienstleistungen, um einen ganzheitlichen Beratungsansatz – insbesondere im Bereich IT – bieten zu können und dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben. Dies sind z.B. Beratungsprodukte zum Cloud Computing oder die Entwicklung, Etablierung sowie Prüfung von Blockchain-Anwendungen.
Ganz aktuell stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Wirecard-Skandal ergeben werden, vor allem im Hinblick auf die Zukunft des Enforcements.
Welche Kompetenzen sollten künftige Wirtschaftsprüfer vor dem Hintergrund eines zunehmend digitalisierten Arbeitsumfelds besitzen?
Durch den Einsatz digitaler Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchains in der Abschlussprüfung steigt auch die Komplexität der künftigen Prüfungen immens. Durch die Verzahnung der Geschäftsprozesse mit Technologiekomponenten lässt sich immer schwerer abgrenzen, welche IT-Systeme überhaupt rechnungslegungsrelevant sind und welche nicht.
Das Prüfungsteam der Zukunft wird sich deshalb interdisziplinär aus IT- und Prozessexperten sowie Wirtschaftsprüfern zusammensetzen. Die Prüfungsmethodik selbst muss durch die Digitalisierung fortwährend an die sich weiterentwickelnde digitale Welt angepasst werden. Der Großteil der Prüfungsgesellschaften prüft schon seit einigen Jahren papierlos. Ein Prüfungsteam muss z.B. innerhalb des oft hochkomplexen SAP-Systems des Mandanten arbeiten und dieses verstehen. Das führt allerdings auch dazu, dass Prüfungen von jedem Ort der Welt vorgenommen werden können (Stichwort Remote Audit). Dadurch entfällt Reisetätigkeit und ermöglicht m.E. mehr Flexibilität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die WP-Branche sucht weiterhin starke Persönlichkeiten, die eine breite Fachkompetenz haben, kommunikationsstark und teamfähig sind. Studierende können neben den grundlegenden Kenntnissen im Bereich Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung auch mit Verständnis für IT-Systeme wie SAP überzeugen. Wer zudem Interesse und/oder Kenntnisse über die Arbeitsweise von komplexen Datenanalysetools sowie die Auswertung der Ergebnisse mitbringt, hat gute Chancen. Eine IT-Affinität der Studierenden ist daher von Vorteil.Aufgrund der Tatsache, dass regelmäßig unvorhergesehene Sachverhalte oder Fragestellungen beim Mandanten auftreten, ist auch ein besonders hohes Maß an Flexibilität Grundvoraussetzung für eine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer.
Genauso wichtig sind aber ebenso rhetorische Fähigkeiten sowie Präsentationsfähigkeiten und vor allem Spaß am Umgang mit Menschen, da der Mandant nie eine Maschine, sondern immer ein Mensch ist.
An der FH-Aachen werden beispielsweise im Studiengang Wirtschaftsinformatik gezielt Vertiefungen aus dem Bereich Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung angeboten. Dort versuchen wir auch Studierende aus dem Bereich Informatik für die Wirtschaftsprüfung mit ihren Karrieremöglichkeiten zu begeistern.
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Gibt es Tätigkeiten, die für Sie als Wirtschaftsprüferin besonders spannend sind?
Aufgrund des steten regulatorischen Wandels und des fachlichen Austauschs mit den Kolleginnen und Kollegen sowie den Einblicken in spannende Unternehmen bleibt der Beruf des Wirtschaftsprüfers für mich mehr Berufung als Beruf. Als Wirtschaftsprüfer wird es nie langweilig, da es einen typischen Arbeitstag nicht gibt. Die Tätigkeit in unterschiedlichen Branchen mit ihren speziellen Fragestellungen erfordert stets individuelle Reaktionen.
Die WP-Branche bietet zudem vielfältige Möglichkeiten, sich seinen individuellen Vorstellungen entsprechend weiter zu entwickeln, z.B. durch die Ausbildung eines Branchenschwerpunkts oder die Vertiefung eines Fachgebiets. Gerade diese Möglichkeiten machen den Reiz einer Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung aus.
Da ich selbst Berufsträgerin bin, empfinde ich nach wie vor die Abschlussprüfung und die sich dabei ergebenden Herausforderungen und Möglichkeiten aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung als besonders interessant.
Welche Vorteile bietet Ihre Hochschule Studierenden, die eine Karriere als Wirtschaftsprüfer einschlagen wollen?
An der FH-Aachen liegt ein Schwerpunkt der Lehre auf einem klaren Praxisbezug der Veranstaltungen. Daher lassen wir häufig praxisbezogene Aufgaben und Fallstudien einfließen und laden Wirtschaftsprüfer in unsere Veranstaltungen im Pflicht- und Vertiefungsbereich ein, die den Studierenden einen anschaulichen Einblick in ihrer praktischen Tätigkeit vermitteln können. Wir bieten unseren Studierenden Vertiefungen im Bereich Konzernrechnungslegung, Rechnungslegung nach IFRS, Abschlussanalyse oder Bewertungen in der Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an. Im Bereich Wirtschaftsprüfung haben wir zwei Veranstaltungen die sich mit der Prüfung des Jahresabschlusses und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung beschäftigen. Außerdem absolvieren viele unserer Studierenden direkt vor ihrer Abschlussarbeit eine Praxisphase und sie können dann diese Erfahrungen direkt in Ihre Abschlussarbeit integrieren. Absolventen der FH Aachen verfügen daher neben einem fundierten Grundlagenwissen auch über am Markt nachgefragte Spezialisierungen und Fachkenntnisse.
Mit welchen Schwerpunkten befassen Sie sich momentan an Ihrem Lehrstuhl?
Aufgrund der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Online-Semester, liegt bei uns wie auch bei fast allen Hochschulen der Schwerpunkt zurzeit auf der Digitalisierung unserer Lehrveranstaltungen. Darin sehe ich – trotz einiger Herausforderungen – zukünftig einen großen Vorteil für unserer Studierenden.
Zudem möchte ich gerade in den Vertiefungen im Bereich Wirtschaftsprüfung die Neuerungen aufgrund der Digitalisierung stärker in die Lehre einfließen lassen.
Welche Unterschiede gibt es innerhalb der Wirtschaftsprüfungsbranche und wie finde ich heraus, welches Unternehmen am besten für mich geeignet ist?
Zunächst bieten die Big 4-Gesellschaften, mittelständische oder kleine WP-Gesellschaften meinst unterschiedliche Mandantenstrukturen. Bei den Big 4-Gesellschaften denken viele Studierende meist nur an die international ausgerichteten Konzernprüfungen der Gesellschaften, die in den großen Aktienindizes vertreten sind. Allerdings haben auch die Big 4-Gesellschaften einen starken Anteil an mittelständischen und kleinen Prüfungsmandaten, die von ihnen betreut werden. Weiterhin gilt, dass bei mittelständischen WP-Gesellschaften tatsächlich häufig die Mandanten auch aus dem Mittelstand kommen. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Mandanten immer nur regional agieren. Viele dieser Gesellschaften sind international tätig. Beides hat seinen Reiz.
Auch die etablierten Hierarchie-/Karrierestufen der Gesellschaften unterscheiden sich. Im Mittelstand sind diese häufig flacher als in den Big 4-Gesellschaften und auch bei den Big 4 gibt es kleinere Unterschiede in der Bezeichnung und bei bestimmten Karrierestufen.
Meinen Studierenden rate ich daher, wenn sie sich für einen Beruf im Bereich WP interessieren, möglichst viele Praktika bei verschiedenen Prüfungsgesellschaften zu absolviere. Nur so können sie für sich entscheiden, was sie interessiert, und erleben, was ihnen am meisten „Spaß“ macht. Das führt dann dazu, dass sie dauerhaft im WP-Bereich erfolgreich sind. Während der Praktika sollten die Studierenden darauf achten, wie die Stimmung in der WP-Gesellschaft und die Kommunikation im Team ist.
Meine Kollegen und ich im Bereich WP an der FH-Aachen haben Kontakte zu verschiedenen WP-Gesellschaften. Dazu gehören sowohl die Big 4-Gesellschaften als auch mittelständische Kanzleien in der Region Aachen. Wir stellen Kontakte zwischen den Studierenden und den Gesellschaften z.B. über Fachvorträge, Workshops und Exkursionen zu den Gesellschaften her. Uns geht es durch die Vermittlung von intensiven Kontakten zwischen Studierenden und Prüfungsgesellschaften aber nicht darum, bestimmte Gesellschaften zu bevorzugen, sondern für jeden Studierenden den „richtigen“ Arbeitgeber zu finden, wobei es immer auf den Einzelfall ankommt.
Welche Kriterien sind Arbeitgebern der WP-Branche besonders wichtig, wenn sie Kandidaten beurteilen?
Wichtig ist wie bisher, welche Schwerpunkte die Studierenden in ihrem Studium gewählt haben und ob diese zum Bereich Wirtschaftsprüfung passen. Daran kann man schon die Interessen und gewisse Vorkenntnisse eines potentiellen Kandidaten ablesen. Daher sind die Noten in den Kursen zur Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung, und neuerdings – wie schon zuvor dargestellt – auch Kenntnisse von IT-Technologien von besonderer Bedeutung. Auch absolvierte Praktika bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder im Bereich Rechnungslegung sind bei einer Bewerbung sehr hilfreich. Wesentlich kommt es insgesamt aber nicht auf einzelne Qualifikationen an, sondern auf das Entwicklungspotential, das ein Studierender gegenüber potentiellen Arbeitgebern darstellen kann.
Im Hinblick auf das Vorstellungsgespräch sollten die Studierenden sich gut auf das Unternehmen vorbereiten und sich vor allem den digitalen Auftritt der jeweiligen Gesellschaft ansehen. Sonst kann ein Vorstellungsgespräch schnell unangenehm werden. Generell gilt, dass ein Wirtschaftsprüfer nach wie vor gut kommunizieren und präsentieren können muss, da er viel Kontakt zu Mandanten hat. Die Kandidaten sollten zudem möglichst neben der Darstellung des erworbenen Fachwissens auf die gängigen Umgangsformen und formalen Aspekte im Vorstellungsgespräch achten. Dazu gehören z.B. auch die entsprechende Business-Kleidung sowie Pünktlichkeit.
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