Sie sind diejenigen, die im Milliardenbusiness Profifußball den Unterschied machen: Nicht einzelne Spieler sorgen dafür, dass Vereine nachhaltigen Erfolg haben, sondern die für den sportlichen Bereich entscheidungsbefugten Manager. Ein Expertengremium aus Redakteuren, Top-Managern der Wirtschaft, Sportjournalisten und Wissenschaftlern bewertete für high potential die Macher der Bundesliga.
Das Topmanagement der freien Wirtschaft erlaubt sich seit Jahrzehnten einen dünkelhaften Blick auf die Sportdirekten der Bundesliga. Ehemalige Kicker ohne akademische Vorbildung sind in ihre Position nur gekommen, weil sie zu Spielerzeiten in kurzen Hosen Legendenstatus erlangten – unfassbar eigentlich, dass solchem Klientel Wirtschaftsunternehmen mit mehreren hundert Millionen Umsatz an die Hand gegeben wird. Wenn man nur Zeit hätte, wäre es sicher ein leichtes, den bierselig-amateurhaft geführten Vereinen mal eine Struktur zu verpassen, die selbst notorische Chaosklubs wie den HSV oder den FC Köln im Handstreich an die Spitze führen würden.
So in etwa denkt die Wirtschaftselite, wenn sie sich mal wieder ärgert über den Dilettantismus in ihrem Lieblingsklub und ähnelt darin den Millionen Bundestrainern auf der TV-Couch. Denn: Selbst erfahrene Manager, gestählt an der Spitze von Weltunternehmen, scheitern in der Regel krachend, wenn sie Verantwortung bei einem Bundesligaverein übernehmen.
Die sportlichen Leiter der Bundesligisten brauchen spezielle Kompetenzen, die sie befähigen, das Wohl und Wehe von Vereinen maßgeblich zu beeinflussen. Die Kriterienliste, anhand derer wir Experten aus verschiedenen Bereichen befragt haben und welche die Grundlage unseres Rankings darstellt, ist lang und zeigt, wie umfassend die Aufgaben der Bundesligamanager sind. Zunächst die wichtigste Frage: Wie hoch ist der sportliche Erfolg im Verhältnis zu den Rahmenbedingungen, die ein Verein hat? Mit dem SC Freiburg Achter zu werden, ist schwieriger, als mit dem vom VW-Konzern massiv alimentierten VfL Wolfsburg Siebter. Ebenfalls elementar: Welchen Mehrwert im Spielerkader schafft der Manager für seinen Verein, in dem er kluge Transfers tätigt? Und: Wie gelingt es ihm, Prozesse und Infrastruktur seines Klubs zu verbessern, welche Personalentscheidungen trifft er – von denen die Auswahl des Trainers sicherlich die wichtigste ist, aber nicht die einzige – und wie vertritt er den Verein nach außen?
Bei all den Anforderungen stehen die Bundesligamanager permanent im Brennglas einer je nach sportlicher Situation emotionalisierten Öffentlichkeit, welches vor allem in einem Punkt äußert fordernd für die Verantwortungsträger ist: Durch den wöchentlichen Spieltagsrhythmus wird in einer extrem kurzen Taktung jedes Konzept quasi permanent evaluiert.
„Das schnelllebige Geschäft des deutschen Profifußballs bringt es mit sich, dass ein Manager scheinbar am sportlichen Erfolg oder Misserfolg seiner Mannschaft gemessen wird. Bei sportlichem Misserfolg ist es nicht unüblich, dem Manager das Versagen seines Teams anzulasten und darauf mit seiner Entlassung zu reagieren. In der Öffentlichkeit sorgt diese Darstellung des Öfteren dafür, dass der sportliche Erfolg mit Leistung gleichgesetzt wird. Das führt dazu, dass sportlicher Erfolg als gute Managerleistung und sportlicher Misserfolg als schlechte Managerleistung angesehen wird” erklärt Prof. Dr. Philipp Kaß, der das Fachgebiet Fußballmanagement an der Hochschule für angewandtes Management lehrt. Definiere man den Begriff Leistung mit der physikalischen Formel „Leistung ist Arbeit pro Zeiteinheit“, so führe dies im Sport nicht sonderlich weit, da das Wort Leistung als multidimensionaler Begriff angesehen werde, der wenig messbar wirkt. Diese Problematik der Gleichsetzung wird vor allem im Profifußball deutlich, da sie andere wichtige Kriterien von Managerleistung ausblende“, so Kaß.
Zusätzlich erschwert ein starkes finanzielles Ungleichgewicht die Arbeit der Manager. Vereine wie der FC Bayern München sind durch die Einnahmen aus 23 Jahren Champions League der Konkurrenz weit enteilt, können dabei aber zurecht argumentieren, sich diese Position mit ihren sportlichen Erfolgen erarbeitet zu haben.
Bei Vereinen im Konzernbesitz, die jährlich dreistellige Millionenbeträge in ihre Fußball-Unit pumpen, zweifeln Fans oft an der Gerechtigkeit des sportlichen Wettkampfes. Ein Blick auf die ersten Sieben der Tabelle der letzten Spielzeit (die quasi identisch mit derjenigen in der Saison zuvor gewesen ist) bestätigt diese Sorgen, zeigen sie doch anhand der Besitzverhältnisse der Vereine, dass nur erfolgreich sein kann, wer potente Geldgeber im Boot hat:
FC Bayern 25% Audi, Allianz, Adidas
Dortmund > 94% Externe Aktionäre
RB Leipzig 99% Red Bull
Leverkusen 100% Bayer AG
Hoffenheim 96% Dietmar Hopp
Wolfsburg 100% Volkswagen
Nur ein Verein aus den ersten Sieben der Tabelle, der sich aktuell als Vierter für die Champions League qualifiziert hat und in der vorletzten Spielzeit Fünfter geworden ist, gehört noch zu 100 Prozent den Mitgliedern und hat keine Anteile an Externe verkauft: Borussia Mönchengladbach.
Dies gibt gleich einen Hinweis auf den Mann, den unsere Experten zum besten Bundesligamanager gewählt haben: Max Eberl steht den Gladbachern vor, die nicht aus externen Geldquellen schöpfen können, sondern sich selbst refinanzieren müssen. Erschwerte Bedingungen also für den sportlichen Erfolg, dessen Startvoraussetzungen neben den externen Investoren auch mit dem Standort zusammenhängen. Eher strukturschwächere Regionen wie Mönchengladbach haben einen Standortnachteil gegenüber Wirtschaftsmetropolen wie München, Frankfurt, Stuttgart oder Hamburg, bei denen der Pool potenzieller Sponsoringpartner viel größer ist.
Max Eberl fühlt sich deshalb auch nicht zu Unrecht mit seinen unbeugsamen Mönchengladbachern wie das gallische Dorf, umringt von den hochgerüsteten Bastionen mit ihren besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen.
Eberl ist mit seinem Verein eine Turnaround-Geschichte gelungen, die in die Hall of Fame der Restrukturierung gehört. Ehemals als ambitionierter Jugendfußballer beim FC Bayern München mit großem Herz aber eher eckigen Füßen gestartet, reichte es zu einer formidablen Karriere von 215 zumeist kämpferischen Erst- und Zweitligaspielen, bis Eberl mit Anfang 30 zum Jugendleiter bei Borussia Mönchengladbach wurde. Dies war Mitte der 2000er Jahre und die Gladbacher konnten zwar auf eine glorreiche Zeit in den 70er Jahren mit fünf Meistertiteln zurückblicken, waren aber zu dem Zeitpunkt ein sportlich vor sich hinsiechender Verein, der von seiner ganzen Aura etwas Howard Carpendale-mäßiges hatte: Man versuchte, in Würde zu altern, aber die Jugend hörte nun mal Eminem.
Finanziell war man dank eines umsichtigen Präsidiums zwar dem absoluten Absturz bis hin zur Insolvenz entkommen, sportlich drohte man sich aber nach zwei Abstiegen in die zweite Liga zu einer Fahrstuhlmannschaft zu entwickeln.
Eberl lernte während seiner Zeit als Jugendleiter schnell, welches der wichtigste Erfolgsfaktor für einen Fußballmanager ist: Er muss junge Spieler mit hohem Potenzial entdecken, die zu einem späteren Zeitpunkt einmal nicht nur für sportliche Erfolge sorgen, sondern auch einen Transferwert generieren können, mit denen der Verein wirtschaften und damit etwaige Standort- und Strukturnachteile kompensieren kann.
Die Erfahrungen aus der Jugendarbeit kamen ihm zugute, als er 2008 etwas überraschend zum Sportdirektor befördert wird. Der charismatische Trainer Hans Meyer wird zur wichtigen Stütze für den jungen Bundesligamanager, der in den kommenden Jahren immer mehr Kontur gewinnt und für den die Rettung in der Relegation 2011 so etwas wie die Initialzündung für eine wiedererstarkte Borussia aus Mönchengladbach werden soll: Seitdem ist der Klub vom Niederrhein der einzige Verein neben dem FC Bayern und Dortmund, der im letzten Jahrzehnt immer einstellig platziert gewesen ist. Qualifikationen für Europa League und die Champions League machen aus dem Underdog einen Verein, dessen Entwicklung mittlerweile für viele Bundesligisten zur vorbildhaften Blaupause taugt.
Eberls Geschick zeigt sich dabei besonders ausgeprägt in der Kaderplanung. Im Managerduktus würde man von einer exzellenten Personalentwicklung sprechen: Spieler wie Reus oder Ter Stegen kommen aus der Jugend oder als No-Name-Player und steigern ihren Transferwert so exorbitant, dass es Eberl gelingt, sich kontinuierlich im Regal der Ablösesummen hochzuarbeiten. Er konnte so 2012 für den jungen Schweizer Granit Xhaka 8,5 Millionen Euro ausgeben, diesen aber für 45 Millionen vier Jahre später weiter an Arsenal London verkaufen. Wenn man weiß, dass das in den 2000er Jahren neu gebaute eigene Stadion der Borussia nur rund 87 Millionen Euro gekostet hat, kann man sich vorstellen, welche Bedeutung Transfererlöse in dieser Größenordnung für den Verein haben.
Um talentierte, junge Kicker für einen Verein zu gewinnen, bedarf es Überzeugungskraft. Eberl gilt, obwohl mit Hang zum Schnellsprechen und nicht unempfänglich für die Replikation von phrasenhaften Mantras, als ausgewiesener Smooth Talker im Stile eines Robert Habecks. So, wie die Grünen-Hoffnung die weibliche, bildungsbürgerliche Klientel mit seiner Nachdenklichkeit berauscht, lässt Eberl die umworbenen Spieler reflektieren, was ein Karrierestart bei der Borussia alles an Verheißungen bietet: Weniger Leistungsdruck als in anderen Vereinen, mehr Aussicht auf Spielzeit und ein generell unaufgeregtes, stabiles Umfeld, welches die ideale Startrampe für eine große Karriere ist.
Eine ähnliche Transferphilosophie verfolgt auch sein Kollege Michael Zorc von der anderen Borussia. Diejenige aus Dortmund kann allerdings aus einem doppelt so hohen Etat schöpfen und hat diesen Vorsprung dazu genutzt, Spieler wie Jadon Sancho, Erin Haaland oder Giovanni Reyna zu verpflichten. Heute kann man fast ungläubig auf die Marktwert-Explosion der Dortmunder Jungstars blicken, die einst für ingesamt 28 Millionen Euro verpflichtet worden sind und heute einen Marktwert von 212 Millionen haben. Zorc baut damit eine Mannschaft mit der Perspektive auf, mittelfristig den derzeit uneinholbaren Bayern Konkurrenz zu machen. Deren Sportvorstand Hasan Salihamidzic genießt intern hohe Anerkennung, hat aber mit dem einen oder anderen sehr ungelenken öffentlichen Auftritt zunächst Zweifel an seiner Eignung geweckt.
In unserem Ranking tauchen einige Manager kleinerer Vereine auf den Top-Positionen auf. Die Relation aus sportlichem Erfolg im Verhältnis zu Etat und Standort spielt dabei eine große Rolle. Gleichzeitig finden sich Vertreter von Vereinen und aus Städten im hinteren Feld des Rankings wieder, bei denen der sportliche Ertrag im Verhältnis zu den Möglichkeiten höher sein müsste: Schalke 04 leistete sich noch in der letzten Spielzeit einen der teuersten Kader der Liga und konnte jahrelang dank hoher erzielter Ablösesummen für Spieler wie Draxler, Sane und Kehrer sowie den Gazprom-Millionen aus dem Vollen schöpfen, wirkt aber heute geradezu heruntergewirtschaftet. Genauso wie sein Kollege Horst Heldt ist Sportvorstand Jochen Schneider „auf Schalke“ noch gar nicht lange genug am Ruder, um ihn für alle Versäumnisse der jüngeren Schalker Vergangenheit verantwortlich machen zu können. Zugegeben: Eine echte Bewertung des Wirkens bei ihren aktuellen Vereinen ist nicht vollumfänglich möglich, sodass auch die Leistungen bei ihren Vorgängerklubs mit in die Beurteilungen eingeflossen sind.
Wer den Mehrwert ausrechnet, den Sportdirektoren wie Max Eberl für ihren Verein erwirtschaften können, muss zu dem Schluss kommen, dass es sich um unterbezahlte Führungskräfte handelt, verdienen sie doch deutlich weniger als ihre Spieler. Dominik Thiele, selbst Top-Manager bei der börsennotierten Accell Group erklärt dies am Beispiel Eintracht Frankfurt: „Als Fredi Bobic 2016 Vorstand Sport wurde, traf er auf einen Verein, der ausgezehrt von sportlichen Krisen ein tristes Dasein fristete”. Auf YouTube finde man heute noch Bobic´ sehr interessanten Vortrag vor dem Marketing Club Frankfurt, in welchem er früh seine Strategie vorstellte. „Er hat den Verein strukturell neu aufgestellt und damit wachgeküsst. Der einstige Fahrstuhl-Verein gewinnt Titel und ist finanziell gesund – eine enorme Leistung von Bobic”, so Thiele, der unter anderem als Geschäftsführer die Geschicke von Wrigley’s leitete. „Man stelle sich vor, ein Eberl oder Bobic hätten einen Verein wie den HSV ähnlich erfolgreich geführt: Ihr Impact würde den Verein mittelfristig um einen dreistelligen Millionenbetrag besser dastehen lassen”, analysiert der Marketingexperte den Mehrwert der besten Bundesliga-Manager.
Die Bewertung der Manager setzte sich aus mehreren Faktoren zusammen: Sportlicher Erfolg im Verhältnis zu den Startvoraussetzungen (Platzierung im Verhältnis zum Etat, Erfolg trotz schwachem Standort und Wirtschaftskraft, Bekanntheit, Sympathie, Erfolg dank Anteilsverkauf, erfolgreiche Trainerauswahl und Kontinuität) wurde zu 40 Prozent gewichtet, Transferpolitik mit sportlichem und/oder finanziellem Mehrwert (Marktwertveränderung des Teams seit Amtsantritt, Teamchemie, geringe Fluktuation, gelungenes Scouting) mt einer Gewichtung von 25 Prozent, Strukturierte Jugendarbeit und Chancen für junge Spieler mit einer Gewichtung von 20 Prozent, und Führungskompetenz und Wirksamkeit (Außendarstellung, Mitarbeit an infrastruktureller/personeller Steigerung der Gesamtkompetenz im Verein, gesellschaftliche Verantwortung) mit einer Gewichtung von 15 Prozent.