Irgendwas mit Medien – doch was genau könnte hinter dieser Aussage stecken? Wie vielfältig die Berufe in der Medienbranche sein können, erklärt Prof. Ute Hilgers-Yilmaz im Interview.
Vom klassischen Journalismus bis hin zur Unternehmenskommunikation: Welche Persönlichkeit sollte man im Bereich Medien und Marketing mitbringen, um seine Erfüllung zu finden?
Die Möglichkeiten der Profilierung innerhalb dieser Branche sind sehr vielfältig. Grundsätzlich sehe ich Persönlichkeiten, die gerne und differenziert kommunizieren, kreativ sind und auch Kreativität im Sinne von Querdenken zulassen, sowie die Bereitschaft zur permanenten Weiterentwicklung mitbringen.
Durch die zunehmende Digitalisierung gibt es auch viele neuartige Medienkarrieren. Welche sehen Sie dabei als besonders spannend?
Angefangen bei den Designberufen wären hier etwa der Designmanager, Creative Director, oder Mediendesigner zu nennen, die markenadäquaten Inhalt in Stories beziehungsweise Kampagnen erzählen. Dabei wird immer ein Problem durch und mit Hilfe von Design gelöst, das heißt durch Strategie, Methodik und Nutzerorientierung. Aufgabe ist es, den Nutzer durch zielgerichtete Adressierung seiner Bedürfnisse für die Marke oder eine Handlung zu gewinnen. Auf der anderen Seite gibt es die UX (User Experience) oder UI (User Interface) Designer, die Inhalte gestalterisch wie technisch denken, umsetzen und auf verschiedenen Devices anpassen oder auch Softwareprodukte, deren Prozesse sowie die gesamte Nutzererfahrung im Zusammenhang mit einer Marke oder einem Produkt (User Experience) als Designer gestalten. Dabei sind Researcher, Strategen und Gestalter wie auch agile Coaches gefragt, die Prozesse anstoßen und Teams führen. Im Bereich der Erzählformate werden Motiondesigner sowie Videographer für den Bereich der Werbeagenturen gefordert, über das Medium Video visuell zu erzählen.
Welche Rolle spielt die Kreativität in einer Welt, die von Daten dominiert wird?
Die Technik ist für mich ein Behelf, Phänomen oder Werkzeug. Wenn wir das Beispiel des Animationsfilmes ansehen, gab es in den 90er Jahren eine Welle an Filmen mit Spezialeffekten und Computeranimation. Irgendwann war das ausgereizt und die Effekte versetzen den Zuschauer nicht mehr in Erstaunen. Die Geschichte, die berührt oder das erzählerische Moment, was den Betrachter fesselt ist wichtig. Das kann natürlich ein Effekt sein, eine besondere Interaktion oder auch eine datenbasierte Infografik, die komplexe Dinge in Relation setzt und damit Informationen auf einfache Weise neu vermittelt. Im Zusammenspiel von Technik, visueller Darbietung und inhaltlichem Storytelling liegt die große Chance für Innovation. Als ein interessantes Beispiel empfinde ich das Tool Sphero, eine programmierbare, transparente Kugel. Durch ein ausgeklügeltes, bedienerfreundliches Interface lernen Kinder sie spielerisch zu steuern. Dabei sehen sie die Technik, werden an Programmierung herangeführt und beginnen kreativ zu werden, indem sie die Kugel über Hindernisse oder durch einen Parcour steuern. Das wiederum fördert die räumliche Wahrnehmung in Zusammenhang mit mathematischen Beschreibungen für Dimensionen.
Der Digitalbereich ist geprägt von kürzer und mobiler werdenden Medienangeboten. Könnte sich das auf den Bildungsbereich auswirken?
Lehrvideos etwa werden schon immer zum Lernen eingesetzt, in der digitalisierten Form besteht nun der Vorteil, dass die Videos zeitunabhängig vom Nutzer selbst gesteuert abgerufen werden können. Gerade in Zeiten von Homeschooling und Corona wären im Bildungsbereich Plattformen wünschenswert, die Informationen passend zum Lehrstoff des Kurses oder Moduls bieten. Insgesamt wird das Lernen multimedialer werden, was ich begrüße.
Wo sehen Sie ein positives Beispiel für User Interface oder User Experience im Medien- oder Corporate-Bereich?
Vielen Unternehmen voraus wird immer wieder Apple genannt, die schon früh auf Nutzerzentrierung, Usability und intuitive Bedienoberflächen gesetzt haben. Man kann aber auch viel von Tools lernen, die von der Masse genutzt werden. Dazu würde ich die Apps oder Webseiten der Verkehrsverbünde nennen, natürlich auch die Services von Google, aber genauso Banking-Apps oder Services wie PayPal haben sich aufgrund einfacher Bedienung etabliert. Schade nur, dass nicht viele digitale Services aus Deutschland kommen. Hier wünsche ich mir noch mehr Innovationskraft und Unternehmertum, vor allem aber auch eine höhere Priorisierung auf der politischen Ebene.
Für mich sind Cases interessant, die einen Mehrwert im Sinne der Gemeinschaft leisten oder nachhaltiger produzieren, wie etwa VAUDE.
Die durch Mediennutzung gewonnene Daten gelten, trotz regulierender Maßnahmen wie dem DSGVO, als wertvollstes Asset für Digitalunternehmen der Medienbranche. Würden Sie sich hier eine stärkere Regulierung wünschen?
Natürlich ist der Datenschutz eine wichtige Sache. Wenn Sie aber mal im Unternehmerkreis fragen, wie die Einführung der DSGVO empfunden wurde, sagt jeder hinter vorgehaltener Hand, es sei die Pest. Der Aufwand, der hier betrieben wird ist immens. Im Umkehrschluss erhalten die Unternehmen aber ein perfektes psychologisches Profil ihrer Kunden. Hier wiederum sollten wir mit der Politik daran arbeiten, dass die Hoheit der Daten beim Nutzer liegt und Entscheidungen in dieser Richtung im Sinne dessen getroffen werden. Denn das Thema birgt neben allen Vorteilen von Datenerhebungen immense Gefahren von Missbrauch. Die Entwicklungen in der aktuellen Coronapolitik zeichnen ein gutes Beispiel, zu welchen Spaltungen die Erhebung und Deutung von Daten führen kann.
Ist für Sie eine komplett datenanalysierte Gesellschaft vorstellbar?
Ich sage ganz klar: Nein. Jede Technologie hat auch seine Kehrseiten. Wenn die Daten dafür eingesetzt werden, wirkliche menschliche oder globale Probleme wie etwa Klimawandel oder Armut im humanitären Sinne zu lösen, finde ich es eine sinnvolle und chancenreiche Ergänzung zu anderen sozialwissenschaftlichen Erhebungen.
Da aber leider in vielen Fällen der Profitgedanke hinter Intentionen steckt und nicht das Gutmenschentum, überschreitet das ethische Grenzen und instrumentalisiert die Menschen.
Welche Skills sollten sich Studierende während ihres Studiums aneignen, wenn sie im breiten Feld der „Media, Creative and Data“ eine Karriere planen?
Auch hier brauchen wir Allrounder, die zum einen softwaretechnische Kompetenzen mitbringen, ein großes Maß an konzeptioneller und kommunikativer Kompetenz erwerben sowie Methoden kennen und anwenden können, um den strategischen Herausforderungen im Job erfolgreich zu begegnen. Auch sollten sie den Dingen auf den Grund gehen, Informationen sammeln, hinterfragen und sich aus dem Recherchierten eine eigene kritische Meinung bilden können.
Wo sehen Sie auf der Arbeitgeberseite zukünftig den größten Bedarf an Hochschulabsolventen?
Aus eigener Erfahrung als Unternehmerin und einem Netzwerk in der Branche sehe ich derzeit einen hohen Bedarf an Kompetenzen in Sachen Digitalisierung. Das kann der Medienmanager, der UX-Designer, der Datenjournalist, der Informationsarchitekt, der Agile Coach, der Program- mierer/Entwickler sein. Arbeitgeber sind auch vielseitig: Viele Konzerne bauen gerade digitale Hubs auf, sozusagen als Abteilung für die Digitalisierung, aber auch Digitalagenturen oder Softwareunternehmen sind eine gute Anlaufstelle oder New Economy Unternehmen, die durch ihre digitalen Geschäftsmodelle interessante und schnell wachsende Arbeitgeber geworden sind.
Welche Persönlichkeiten aus Media, Creative and Data empfinden Sie als besonders beeindruckend?
Ich bin immer begeistert über Menschen als „Unternehmer“, da im „Machen“ ganz viel Innovationskraft liegt. Hubert Burda gilt als einer der Menschen in der Medienbranche, der immer wieder Vordenker war und auch in Sachen Digitalisierung die Nase vorn hatte. Auch Verena Pausder möchte ich nennen, die unermüdlich am Thema Lernen der Zukunft arbeitet und dies im Sinne unserer Kinder und der jungen Generation auf allen politischen Ebenen vorantreibt.
Auf der Seite des Designs referenziere ich auf Jonathan Ive, der als Chefdesigner für Apple fast 30 Jahre lang die Produkte von Apple gestaltet hat und damit maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen hat. Er gilt damit auch als einer der bedeutendsten Gestalter der Gegenwart.
Ute Hilgers-Yilmaz lehrt seit 2007 UX Design, seit 2014 als Professorin am Campus Köln der Hochschule Macromedia. Sie studierte Visuelle Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal und bewegt sich seit 1992 als Designerin im Umfeld der Digitalisierung. Mit Teilhabe an einer Digitalagentur bringt sie einschlägige Consultant- und Produktionserfahrungen mit sowie ein großes Netzwerk in der Branche.