
Die Zukunft der Medienbranche
Was bewegt Medienunternehmen wie Verlage und TV-Sender in den Zeiten der Digitalisierung? Wo ergeben sich neue Geschäftsmodelle, aus denen auch neue Anforderungsprofile für zukünftige Mitarbeiter resultieren? Wir fragten die Hochkaräter der Branche, wie sie sie Zukunft einschätzen.
Chancen für kreative Medienspezialisiten

Brauchen Medienunternehmen überhaupt noch charismatische Vermarkter, wenn Mediaentscheidungen zukünftig nur noch Big Data-automatisiert getroffen werden?
Die Komplexität in unserem Geschäft steigt aufgrund der Digitalisierung, des damit verbundenen Bedarfs nach individuellen Strategien und der immer stärkeren Verknüpfung aller Medienkanäle. Das bietet vor allem für breit ausgebildete, versierte und kreative Spezialiste für digitale Medien hervorragende Chancen, um in diesem sehr dynamischen Medienumfeld Karriere zu machen. Wer Werbekunden Lösungen bietet, indem er über alle Medienkanäle bis hin zur kreativen Umsetzung Know-how bietet, dabei Komplexität reduziert und zugleich die Transparenz erhöht, wird im Zeitalter von Big Data starke Nachfrage erfahren.
Zweiklassengesellschaft

Wie zukunftsfähig sind die deutschen Medienunternehmen und was macht den Reiz der Branche für Hochschulabsolventen aus?
Schaut man sich die deutsche Medienlandschaft an, sieht man eine klare Zweiklassen-Gesellschaft. Einerseits gibt es einige Medienunternehmen, darunter auch große wie beispielsweise Springer oder Burda, die bereits heute mehr als die Hälfte ihrer Umsätze mit digitalen Geschäftsmodellen erzielen. Diese haben allerdings häufig (wie zum Beispiel bei Burda mit der Tierfutter-Beteiligung Zooplus) kaum etwas mit dem eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens zu tun. Gleichzeitig gibt es eine zweite Klasse von deutschen Medienunternehmen, zu der zahlreiche kleinere Medienunternehmen und Verlagshäuser zählen, aber auch große TV Senderketten; deren Geschäftsmodelle beruhen noch immer wie bereits vor zehn Jahren auf den klassischen Geschäftsmodellen – der TV Werbung zum Beispiel.
Beide Klassen von Unternehmen sind für Absolventen reizvoll. Die Klasse der digitalen Vorreiter, weil Absolventen hier bereits an und in neuen digitalen Geschäftsmodellen arbeiten können; die Klasse der Medienunternehmen mit digitalem Nachholbedarf, weil Absolventen diese Unternehmen auf dem Weg ihrer digitalen Transformation begleiten können.
Storytelling

Werden gute Storyteller zukünftig eher im klassischen Journalismus benötigt oder für das Content Marketing?
Für beides. Storytelling ist die Basis für gutes Content Marketing. Ein Nutzer, zum Beispiel von Sozialen Medien, wird einem Beitrag seine Aufmerksamkeit nur schenken, wenn ihn dieser interessiert. Nur, wenn er für ihn relevant ist – bei einem absoluten Überangebot an Informationen – wird er hierfür seine Zeit und Konzentration verwenden. Daher ist Journalismus, also das Handwerk des Geschichtenerzählens, die Basis für gutes Content Marketing. Hierbei geht es primär um die Kommunikation mit der Zielgruppe und nicht nur um Markenkampagnen; die stellen meist nur ein einmaliges Highlight dar. Beim Content Marketing wird offen gespielt, dass es industrielle Absender sind, die am Werk sind. Und nicht publizistisch unabhängige Verleger, deren journalistische Aufgabe und Ausrichtung klar ist. Content Marketing wird den klassischen Journalismus nicht abschaffen, sondern einen weiteren Arbeitsast für Journalisten schaffen.
Wird es mehr Unternehmen, wie beispielsweise Red Bull geben, die eigene Medienmarken aufbauen?
Definitiv. So wie es immer schon viele Unternehmen gab, die hervorragend aufgestellte Marken- und Marketingabteilungen hatten, werden immer mehr Unternehmen Content Units auf- und ausbauen. Abteilungen, deren Aufgabe es sein wird, nicht nur die Marke zu inszenieren, sondern sich mit den Kunden der Marke zu beschäftigen und mit ihnen zu kommunizieren. Wir werden hier in den nächsten fünf Jahren wesentliche Veränderungen erleben, die dazu führen, dass viel mehr Unternehmen Geschichten erzählen, die zu ihren Markenwerten passen und nicht wie bislang nur ihre Produkte inszenieren.
Stressfaktor Social Web

Aktuelle Studien der Universität Zürich oder des Happiness Research Institutes in Kopenhagen sagen, dass die Lebenszufriedenheit durch Social Media sinkt. Wie stellst du dir ein Web vor, dass Menschen weniger stresst?
Dass sich das Social Web zu dem, wie es ist, entwickelt, war wohl unausweichlich. Wir lieben es einfach, uns zu unterhalten und zu informieren. Es ist durch die Schnelligkeit und globale Vernetzung des Webs zwar intensiver als im ,realen Leben’, dennoch ist es keine grundlegend neue Sache. Meiner Meinung nach entsteht der Stress durch die weiterhin bestehende Angst und dem Misstrauen gegenüber dem Neuen. Es geht so schnell und man hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Nachkommende Generationen, die direkt damit aufwachsen, kennen es nicht anders und sie können sich das Social Web nach ihren eigenen Wünschen stressfreier formen.
Werbung & Umfelder

Die Times hat neulich anschaulich erzählt, warum wir das Internet an eine Hasskultur verlieren werden. Die Hasskommentare auf Facebook sind ein Beispiel dafür, vor dem letztlich auch der Gesetzgeber kapituliert. Stellen sich Werbetreibende schon die Frage, ob sie diese Gattung noch weiter unterstützen können, wenn sie an eine Kultur des Hasses verloren ist? Sind Werbetreibende überhaupt sensibilisiert dafür, ob sie im Kontext ausländerfeindlicher Pegida-Fanseiten werben?
Bislang hat das Thema Hasskultur im Netz und welche Auswirkung das auf den Werbemarkt hat, speziell in den sozialen Medien und vor allem in Facebook, noch keine Priorität gehabt. In den klassischen Medienkanälen spielt die Qualität von Umfeldern eine überaus große Rolle. Das weist die Werbewirkungsforschung eindeutig nach. Die „Umfeldqualität“ von Content hat auf die darin beworbenen Marken einen erheblichen Effekt und ist auch funktional bedeutsam. Da das Thema Werbewirkungs-Forschung und soziale Medien erst so langsam an Bedeutung gewinnt, wird es auf der Zeitachse auch vermehrt Erkenntnisse geben, wie sich diese „Hasskultur“ als werbliches Umfeld auf Marken auswirkt. Ich persönlich bin aber der Meinung, dass der zur Zeit eher rechtsfreie Raum über einen langen Zeitabschnitt entwickelt und definiert wird.
Arbeitgeberwahl

Sie bezeichneten Ihre Tätigkeit als Chefredakteurin bei BuzzFeed als den „schönsten vorstellbaren Medienjob“. Nach welchen Kriterien sollten Berufseinsteiger ihren ersten Arbeitgeber im Bereich digitale Medien aussuchen, um das auch einmal sagen zu können?
Kann ich bei diesem Unternehmen oder in diesem Projekt etwas lernen, was ich noch nicht weiß? Kann ich eigenverantwortlich arbeiten und habe ich Entwicklungsmöglichkeiten auf die nächsten zwei, drei Jahre gesehen? Teilt das Unternehmen oder das Projekt, für das ich mich interessiere, einen fachlichen Qualitätsstandard, hinter dem ich stehen kann? Wer diese drei Fragen mit ,Ja’ beantwortet, wenn er oder sie vor der Wahl des Arbeitgebers steht, ist auf einem guten Weg bei der Jobwahl.