Anschreiben, Lebenslauf, Assessment-Center und Vorstellungsgespräch sind alles Teile eines Bewerbungsprozess, der immer wieder aufs neue mit Frust, Unsicherheit und Stress verbunden ist. Das muss aber nicht mehr der Regelfall sein. Tamara Schrammel, Autorin des Ratgebers „Die ersten Bewerbungen für Schüler und Studierende“ gibt neben einem Einblick in die MINT-Branche auch Tipps für eine gelungene Bewerbung und wie man richtig netzwerkt.
Frau Schrammel, sie sind Maschinenbauingenieurin und ausgebildete Industriemechanikerin. Gilt die Branche noch immer als Männerdomäne, in der sich junge Frauen behaupten müssen? Auf welche Herausforderungen sind Sie persönlich gestoßen?
Im Maschinenbaustudium waren wir tatsächlich sehr wenige Frauen. Das habe ich persönlich jedoch nie als Einschränkung oder als irgendwie hinderlich empfunden. Meine Ausbildung zur Industriemechanikerin habe ich als Teil eines Dualen Studiums gemacht. Nach der Vorlesung und in den Semesterferien ging es im Zuge dessen in die Ausbildungswerkstatt, um unter anderem Drehen, Schweißen und Fräsen zu erlernen. Ich erinnere mich noch daran, dass die Arbeitskleidung, die wir für die Werkstatt erhalten haben damals alle nur im Männerschnitt verfügbar waren. Die Latzhosen saßen sehr unvorteilhaft und die T-Shirts waren selbst noch in der kleinsten Größe zu groß. Die Hosen habe ich kürzen und die Jacke enger nähen lassen, dann hat es gut funktioniert. Abgesehen davon habe ich persönlich nie Einschränkungen durch mein Geschlecht erfahren, weder in der Ausbildung noch im Studium. Meine Erfahrungen als Frau in einer „Männerdomäne“ waren großteils positiv und das erlernte hilft mir auch heute noch im Berufsalltag sehr viel, obwohl ich nicht mehr im Maschinenbauumfeld arbeite, sondern im Marketing für Medizintechnikprodukte.
Es gibt bestimmt noch einige junge Absolventinnen, die möglicherweise Angst haben in der MINT-Branche nicht ernst genommen zu werden. Welchen Rat können Sie diesen jungen Frauen geben, die in der MINT-Branche Fuß fassen und sich gegenüber männlicher Konkurrenz durchsetzen wollen?
Es gibt in allen Bereichen Konkurrenz und die Gefahr im Beruf nicht ernst genommen zu werden, besonders als junger Mensch ist kein rein weibliches Phänomen oder ausschließlich in den MINT Branchen auffindbar. Anstatt sich auf die Konkurrenz zu fokussieren und diese um jeden Preis überflügeln zu wollen, sollte man sich lieber auf seine eigenen Stärken und Fähigkeiten konzentrieren und diese bestmöglich anwenden und nutzen – sei es im Bewerbungsgespräch oder anschließend im Berufsalltag. Wer gewissenhaft und kompetent seine Arbeit verrichtet und sein Bestes gibt, der kann selbstbewusst Konkurrenten und Zweifler hinter sich lassen. Ob eine Branche traditionell eher Männerdominiert ist oder nicht, sollte einem auf keinen Fall abschrecken und davon abhalten in diesem Fuß zu fassen. Wichtig ist nur, dass einem die Branche interessiert und den eigenen Fähigkeiten entspricht. Das sollte das Entscheidungskriterium sein.
Was gab Ihnen den Anstoß, außerhalb Ihres technischen Berufs Schüler:innen und Studierende bei ihrem Berufseinstieg zu unterstützen? Wie entstand die Idee zu ihrem Buch?
Vor einigen Jahren, habe ich meinen kleinen Bruder bei seiner Bewerbung für einen Ausbildungsplatz nach der Realschule unterstützt. Wir haben gemeinsam seine Bewerbungsmappe erstellt und ich habe mit ihm das Vorstellungsgespräch geübt und ihm dafür ein weißes Hemd geschenkt. Er war erfolgreich und hatte letztlich sogar den Luxus aus mehreren guten Möglichkeiten zu wählen. Ich finde ja, so sollte es allen jungen Menschen gehen. Aus diesem Grund habe ich mit der Volkshochschule Bewerbungstrainings an Schulen unterstützt und sowohl an der Hochschule als auch später in der Arbeit im Rahmen diverser Veranstaltungen immer wieder die Fragen von Schüler:innen beziehungsweise Student:innen betreffend der beruflichen Möglichkeiten und den dafür nötigen Bewerbungsverfahren beantwortet. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Fragen und „Probleme“ stets in eine ähnliche Richtung gingen und die jungen Leute besonders meine persönlichen Erfahrungen als hilfreich angesehen haben. Aufgrund des positiven Feedbacks und großen Interesses habe ich beschlossen, einen Bewerbungsratgeber für junge Menschen zu schreiben, der alles Wichtige an Informationen und Wissen enthält was man über die Berufsorientierung, die Erstellung einer guten Bewerbungsmappe und den Bewerbungsprozess wissen muss. Auch geht das Buch detailliert auf das Assessment Center, Vorstellungsgespräch und den Einstellungstest ein und bereitet den Leser umfassend auf alle Aspekte im Rahmen der ersten Bewerbungen vor.
Mit Ihrem Buch „Die ersten Bewerbungen für Schüler und Studenten“ haben Sie schon einen ausführlichen Ratgeber zu den einzelnen Bewerbungsphasen erstellt. Welche konkreten Tipps können Sie den Student:innen für eine gelungene Bewerbung geben?
Man sollte keine lieblosen Standardbewerbungen verschicken. Wenn mich eine Stelle wirklich interessiert und anspricht, dann sollte ich die Stellenbeschreibung und das Anforderungsprofil genau lesen und darauf basierend im Anschreiben detailliert auf dieses eingehen. Es geht darum dem potenziellen zukünftigen Arbeitgeber zu zeigen, dass man verstanden hat, was gesucht wird und mit Beispielen untermauern, warum man selbst die geforderten Fähigkeiten und Erfahrungen mitbringt. Für eine gelungene Bewerbung sollte man darüber hinaus unbedingt deutlich machen, warum man sich für diese Branche und dieses Unternehmen interessiert.
Sie sind nicht nur Buchautorin, sondern auch Mentorin für Student:innen an den Universitäten Cambridge und Oxford. Wie sind sie dazu gekommen und wie genau helfen sie Studierenden für ihr zukünftiges Berufsleben?
Die Universitäten Oxford und Cambridge bieten im Rahmen der Karriereförderung für junge MINT-Forscherinnen eine Vielzahl an Veranstaltungen und Programmen an, um Innovation und Unternehmertum zu fördern, zu inspirieren und zu unterstützen. Während meiner Zeit als Business Development Managerin bei Siemens Healthineers in England wurde gezielt nach jungen Frauen mit MINT Hintergrund in der Wirtschaft gesucht, um bei einem neu ins Leben gerufenen Programm namens RisingWise die jungen Forscherinnen zu unterstützen. Die Universitäten haben Siemens nach geeigneten Frauen mit MINT-Ausbildung gefragt und ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass ich als Mentorin ausgewählt wurde. Dieses Jahr nehme ich bereits zum dritten Mal an dem Programm teil.
RisingWISE wurde entwickelt, um die Herausforderung von Frauen in MINT-Berufen zu adressieren.
Es bringt Nachwuchsforscherinnen der Universitäten Oxford und Cambridge mit jungen Frauen aus der Wirtschaft zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und zu netzwerken. Meine Aufgabe besteht darin meine Erfahrungen als Maschinenbauingenieurin in der Industrie zu teilen, die Gruppenübungen meiner Gruppe als Moderatorin zu leiten und bei Fragen aller Art beizustehen.
Können Sie sich vorstellen ein Mentoren-Programm auch an den deutschen Universitäten anzubieten? Welche Programme, für einen erleichterten Berufseinstieg, können Sie den Studierenden in Deutschland empfehlen?
Ich habe bisher von keinem ähnlichen Programm in Deutschland gehört. Es wäre aber eine wunderbare Möglichkeit auch hier ein Netzwerk an motivierten, klugen jungen Frauen aus Wissenschaft und Industrie aufzubauen. In England wird das Programm von den Universitäten betreut und organisiert. Die zuständigen Damen sind hoch motiviert und investieren viel Zeit und Leidenschaft in die Betreuung und Entwicklung des Programms.
Neben dem Direkteinstieg gibt es in Deutschland einige Berufseinstiegsprogramme, die sehr gut und empfehlenswert sind. Ich bin selbst nach dem Dualen Studium bei Siemens Healthineers über ein Traineeprogramm im Vertrieb eingestiegen. Für mich war das der optimale Weg, denn neben der Arbeit wurde man umfassend im Verkaufen ausgebildet, konnte von den Profis lernen und gleichzeitig die ganze Zeit über Mehrwert für das Unternehmen generieren. Nach Ablauf des einjährigen Programms, bin ich dann direkt im Vertrieb geblieben und war zunächst zuständig für das Customer Development (CDV).
Es gibt viele Firmen die neben dem Direkteinstieg Programme für Hochschulabsolvent:innen und Berufseinsteiger:innen anbieten, die idealerweise gleich Einblicke in mehrere Abteilungen und Funktionen der Firma bieten.
Gerade zu Beginn des Studiums wissen viele Studierende gar nicht, in welche berufliche Richtung sie gehen möchten. Wie genau können diese für sich selber feststellen, welcher Beruf für sie am geeignetsten ist?
Meiner Meinung nach ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Stärken und Fähigkeiten essenziell für einen erfolgreichen Bewerbungsprozess und das ganze (berufliche) Leben.
Bereits beim Erstellen des Anschreibens sollte man wissen, was einem liegt, was einen persönlich interessiert und welche Fähigkeiten man mitbringt. Wenn man dies weiß, werden nicht nur die Bewerbungsunterlagen gut. Denn auch wenn die Bewerbungsunterlagen überzeugt haben und man zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, ist dieses Wissen von hohem Wert. Im Vorstellungsgespräch möchte der potenzielle neue Chef mehr über einen persönlich erfahren und herausfinden, ob man fachlich und menschlich die Anforderungen der Stelle erfüllt und in das Team passt.
Ich bin der Meinung, dass die wichtigste Vorbereitung für den gesamten Bewerbungsprozess die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit ist. Denn wenn man weiß, wer man ist, was man kann und möchte, hat man schon einen sehr großen Teil geschafft und kann auch andere davon überzeugen.
Netzwerken, vor allem im Zeitalter der Digitalisierung, ist zu einem wichtigen Bestandteil des Berufslebens geworden. Wie können Studierende und Schüler:innen in ihren jungen Jahren am besten Kontakte knüpfen? Für wie wichtig erachten Sie es schon so jung zu Netzwerken und wieso?
Netzwerken ist ein sehr wichtiger Bestandteil der beruflichen Karriere und man sollte so früh wie möglich damit beginnen. Wer ein Praktikum oder eine Werkstudentenstelle in einem Unternehmen absolviert hat, der hat bereits wertvolle Kontakte in einem Unternehmen geknüpft. Man sollte diese nach Möglichkeit um eine Empfehlung bitten und später, wenn das Ende des Studiums in Sicht ist, kann man diese Kontakte erneut nutzen und nach Möglichkeiten fragen, in dieser Abteilung oder Firma Fuß zu fassen. Natürlich nur, wenn man das auch möchte. Auch auf Plattformen wie Linkedin oder Xing sollte man sich anmelden. Zum einen kann man sich hier positionieren und für alle potenziellen Arbeitgeber sichtbar seine beruflichen Erfahrungen, Qualifikationen und Abschlüsse eintragen, zum anderen kann man sich dort mit allen Menschen verbinden, die man im beruflichen Kontext kennengelernt hat.
Ein Netzwerk lebt vom (regelmäßigen) Austausch, weshalb man auf fachbezogenen Plattformen im Internet aber auch auf entsprechenden Veranstaltungen rund um die eigenen Branchen- und Themeninteressen durchaus aktiv sein sollte. Man kann sich zu seinen Interessen austauschen, sowie Neuigkeiten aus der bevorzugten Branche oder Firma bekommen.
Ein gutes Netzwerk kann einem die Tür öffnen, denn durch Kontakte, könnte man auf interessante Stellen aufmerksam werden.
Tamara Schrammel, Jahrgang 1989 ist Marketing Managerin bei Siemens Healthcare, Maschinenbauingenieurin und Autorin. In den letzten 10 Jahren hat sie in Amerika, Thailand, Deutschland und Großbritannien gearbeitet u.a. für Siemens und McKinsey. Ihre Erfahrungen als Mentorin und Trainerin teilt sie offen in ihrem Bewerbungsratgeber: „Die ersten Bewerbungen für Schüler und Studierende“. Heute lebt sie mit Mann und Hund in der Nähe von Nürnberg.
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