Florian (25): „Nach meinem Bachelor-Abschluss habe ich drei Jahre in einem Industriekonzern gearbeitet. Eigentlich wollte ich einen Master machen, habe nun aber das Angebot bekommen, für mein Unternehmen ins Ausland zu gehen. Einige erfahrene Kollegen sagten mir, dass ein Auslandsaufenthalt eine echte Karrierebremse sei: Es fehle einem wichtige Jahre des Networkings und der inländischen Unternehmensentwicklung. Wie stellt man sicher, dass auch ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt kein Karrierekiller ist?“
In vielen Konzernen hat es sich bewährt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens jeweils einmal den Geschäftsbereich, den Funktionsbereich sowie das Land ihrer beruflichen Tätigkeit gewechselt haben sollten, um für höhere Führungspositionen berücksichtigt zu werden. Diese Rotationen helfen, ein umfassendes Verständnis von Märkten, Kunden und nicht zuletzt dem eigenen Unternehmen zu gewinnen.
Auch wir bei thyssenkrupp sehen längere Auslandsaufenthalte grundsätzlich positiv. Dies gilt sowohl bei der Auswahl externer Bewerber als auch bei der Besetzung von Führungspositionen mit internen Kandidaten. In einer wirtschaftlich global integrierten Welt ist die Kompetenz, unterschiedliche Sichtweisen und Kulturen zu verstehen, schon seit längerer Zeit unverzichtbar. Zunehmend wird sie auch für Top-Führungskräfte sowie Fachexperten relevant – sei es in der Produktentwicklung mit Kunden oder bei der Arbeit in international besetzten Projekten.
Ein Auslandsaufenthalt garantiert keinesfalls den beruflichen Aufstieg
Es gilt, Chancen und Risiken abzuwägen. Auf der Seite der Chancen steht neben der Erweiterung des persönlichen Horizonts oftmals die Möglichkeit, eine größere Verantwortung als im Heimatland zu übernehmen. Zu den Risiken gehören Unwägbarkeiten wie die Trennung von Freunden und Familie, außerdem oft unklare berufliche Perspektiven nach der Rückkehr. Machen Sie es sich deshalb so früh wie möglich klar, was Sie erreichen wollen.
Damit der Auslandsaufenthalt nicht zum Karrierekiller wird, sollten Sie sich drei Fragen stellen:
- Was streben Sie mittel- bis langfristig in Ihrer Karriere an?
- Was versprechen Sie sich von einem Auslandsaufenthalt?
- Was verspricht sich Ihr Arbeitgeber davon, Sie ins Ausland zu entsenden?
Sie lassen erkennen, dass Sie sich mittel- bis langfristig in eine verantwortungsvolle Tätigkeit im Unternehmen entwickeln möchten. Dabei kann ein längerer Auslandsaufenthalt besonders dann förderlich sein, wenn Sie währenddessen Verantwortung für Bereiche übernehmen, die bisher nicht oder kaum zu Ihren Aufgaben zählten. Dies kann der Aufbau einer Regionalorganisation sein, die Leitung eines größeren Projektes oder die Führung eines größeren Teams. Wichtig ist auch die Funktion, in der Sie sich entwickeln möchten. So wird – vereinfacht gesagt – Auslandserfahrung für Führungskräfte in der IT oder im HR-Bereich oft für weniger relevant erachtet als für Mitarbeiter, die Verantwortung im Vertrieb oder im Management eines Unternehmens übernehmen möchten.
Ein Auslandsaufenthalt betrifft jedoch nicht nur Ihre langfristige Karriere und Ihren beruflichen Alltag.
Deshalb sollten Sie sich darüber bewusst werden, wie Sie sich persönlich weiterentwickeln möchten. Welche Erfahrungen möchten Sie sammeln – beruflich und privat? Was versprechen Sie sich von diesen Erfahrungen? Wenn Sie diese Erwartungen formuliert haben, sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber überprüfen, inwieweit sie erfüllt werden können.
Dies führt unmittelbar zur dritten Frage. Da Ihr Arbeitgeber mit dem Anliegen auf Sie zugekommen ist, wird er ein Interesse an Ihrer Entsendung haben. Worin besteht dieses Interesse primär? Vorsicht: Wird im Ausland nur eine „zusätzliche Ressource“ benötigt oder soll ein einseitiger Wissenstransfer von Ihnen zu lokalen Mitarbeitern stattfinden? Dann ist Ihr persönlicher Nutzen für Ihre Karriere vermutlich begrenzt. Anders sähe es aus, wenn Ihnen die Aufgabe übertragen wird, um die lokale Einheit besser an die globale Zentrale anzubinden.
Auch dann sollten Sie Wert darauf legen, dass mit Ihrer Entsendung das Ziel verbunden wird, Sie später wieder im Heimatland zu integrieren. Eine vertraglich geregelte Rückkehrgarantie gehört dazu. Es wird Ihnen vermutlich keine spezifische Position in Aussicht gestellt, doch sollte beschrieben sein, wer für Ihre Reintegration verantwortlich sein soll. Förderlich ist auch, wenn Ihnen ein Mentor zur Verfügung gestellt wird, der Ihnen dabei hilft, Kontakt zum Heimatland zu halten und Sie über den gesamten Zeitraum berät. Regelmäßige Heimflüge zu geschäftlichen Terminen helfen Ihnen dabei, sichtbar zu bleiben und Ihr Netzwerk zu pflegen. Wenn Sie dabei in einem maßgeblichen internationalen Projekt mitarbeiten, erhöht dies Ihre Sichtbarkeit umso mehr. Vor diesem Hintergrund sollten Sie eine angemessene Entsendedauer vereinbaren. Auch langfristige Entsendungen dauern heute oft nur noch zwei bis drei Jahre.
Dr. Philip Eisenhardt leitet das Recruiting von thyssenkrupp Deutschland – inklusive der Employer Branding und Active Sourcing Aktivitäten des DAX 30 Konzerns. Nach mehreren Jahren in der Unternehmensberatung war er zuvor verantwortlich für die globale Personalstrategie der Business Area Materials Services bei thyssenkrupp.
Stand: Frühjahr 2018