„Wir müssen einander helfen und füreinander einstehen“
Toyah Diebel ist 34 Jahre alt und hat schon viele Dinge ausprobiert. Sie ist auf Social Media unterwegs, hat ein Buch geschrieben und betreibt einen Podcast. Aber tatsächlich würde sie sich heute am ehesten als Unternehmerin betiteln. Social Media und Co. sind eher Ventile für sie, um sich kreativ auszudrücken und ihre Message zu verbreiten. Wir haben mit ihr über Feminismus, den Umgang mit Erwartungshaltungen anderer und Selbstfindung geredet.
Toyah, du scheust dich nicht – immer mit einem Augenzwinkern – auch mal zu provozieren, laut zu sein und so auf Missstände aufmerksam zu machen.
Ja. Also so war es zum Beispiel bei meiner Kampagne DeinKindAuchNicht, bei der es darum ging, zu zeigen, dass wir oft Fotos von unseren Kindern auf Social Media teilen, die wir von uns selbst nie posten würden. Deshalb habe ich zusammen mit Wilson Gonzales Ochsenknecht Fotos inszeniert, die uns als Erwachsene Menschen zeigen, aber in denselben Situationen, in denen wir so oft unsere Kinder fotografieren. Die Kampagne ist 2019 gestartet und damals war es noch so, dass dieses Thema von Kinderbildern im Internet noch gar nicht so aktuell war und die Thematik auch noch nicht so viele Leute hinterfragt haben. Das wollte ich damals etwas mehr in die Öffentlichkeit rücken und einer der besten Wege um Aufmerksamkeit zu erzeugen ist es eben einfach, zu provozieren.
Würdest du dich selbst als Feministin bezeichnen?
Ja auf jeden Fall. Eigentlich sollte ja wirklich jeder Feminist sein. Der Begriff „Feminismus“ wird leider zur Zeit wie ein Modebegriff verwendet, dabei geht es ja eigentlich darum einfach für die Gleichberechtigung einzutreten und das sollte für uns alle ein wichtiges Thema sein.
Wie kann man – gerade als junge Frau – lernen, sich nicht mehr in Rollenbilder pressen zu lassen und die Erwartungen anderer Menschen nicht mehr an sich ranzulassen?
Da finde ich, sollte man die Frage eigentlich umstellen. Denn es geht mehr darum, was man als Mann tun kann, um Frauen eben nicht in diese Rollenbilder zu drängen. Es macht ja keinen Sinn den – ich nenn das jetzt mal so – Opfern auch noch die ganze Verantwortung aufzutragen. Manchmal realisiert man aber auch gar nicht, dass man nach diesen Rollenbildern lebt. Da wird dann einfach nachgemacht, was vorgelebt wird. Kinder hinterfragen so etwas ja nicht. Ich selbst habe aber nie wirklich in diese Rollenbilder gepasst, deshalb gab es da bei mir keinen so großen Aha-Moment, in dem mir das klar geworden wäre. Also ich war schon immer laut und habe gern gegessen (lacht). Das sind ja eher so Attribute, die man kleinen Jungs zuschreibt und dafür wurde ich dann teilweise auch kritisiert.
Darauf aufbauend: Würden Sie sagen, dass vor allem erfolgreiche Frauen und starke Persönlichkeiten ein „besonders dickes Fell“ brauchen?
Ich finde hier ist es einfach extrem wichtig, dass man Vorbilder hat. Ich glaube, dass viele Frauen einfach nicht prominent damit aufwachsen, dass es eben auch Frauen in Führungspositionen gibt. Aber da denke ich, dass es vor allem die großen Firmen sind, die etwas ändern und fördern sollten. Ich kann zwar provozieren und auf Social Media posten, aber ich glaube nicht, dass meine kleine Reichweite da viel ändern kann. Deshalb ist es so wichtig, Frauen Role Models vorzustellen, damit eben auch die jungen Leute und Kinder von heute mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass das alles möglich ist.
Gerade junge Leute fühlen sich immer mehr verloren in unserer Leistungsgesellschaft. Glaubst du es gibt ein „Rezept“ zur Selbstfindung, damit man irgendwann genau weiß, was man vom Leben will?
Ja das ist überhaupt nicht leicht. Aber vielleicht kann man sich ja in so einem Zustand – oder sogar wenn man älter ist – auch mal fragen was man nicht will. Das ist immer einfacher zu formulieren. Ich finde zum Weg zum Ziel gehört auch einfach das Ausprobieren dazu. Wir haben ja gerade auch darüber geredet, dass ich so viele Facetten hatte und mich auch so oft umorientiert habe. Das wurde mir oft als Scheitern deklariert, weil ich oft den Wunsch meiner Berufung geändert habe – und ich finde absolut nicht, dass eine abgebrochene Ausbildung, oder eine Kündigung automatisch ein Scheitern bedeutet. Das kann doch auch total mutig sein, zu erkennen, dass man sich gerade auf dem falschen Weg befindet.
Welche patriarchalen Strukturen beeinflussen deiner Meinung nach die Entwicklung von jungen Frauen und was ist dein Appell an unsere Leser?
Also gerade politisch finde ich, sollte da noch einiges getan werden um Frauen mehr zu unterstützen. Ob es nun um Mutterschutz, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz oder etwas anderes geht, wirklich Macht ausüben könnte hier die Politik. Aber da gibt es noch einiges zu verbessern. Wir sprechen gerade ja viel über Gleichberechtigung und die Stellung der Frau. Ich weiß natürlich aus eigener Erfahrung, dass wir Frauen schon sehr früh eingetrichtert bekommen, dass für uns an den wichtigen Tischen nochmal weniger Platz ist, als für die Männer. Das äußert sich ganz oft in einer Missgunst gegenüber den Kolleg:innen oder Freund:innen und dann fahren wir die Ellenbogen aus um vermeintliche Konkurrenz auszustechen. Das ist für mich persönlich ein Thema, über das wir auf jeden Fall sprechen müssen. Man ist ja selbst „gebrainwashed“. Man denkt so oft als junge Frau, dass man das so machen muss, um weiterzukommen. Aber das ist nicht der richtige Weg. Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass wir einander helfen und füreinander einstehen müssen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass es für mich immer, wenn ich wusste, dass ich eine Frau im Rücken hatte, die mich supported hat und weitergebracht hat, die größte Anerkennung war. Deshalb versuche ich zumindest auch so eine Frau zu sein.
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