Gutes Gehalt, flexible Arbeitszeiten, Kicker, Obstkorb, Freigetränke – wer neben attraktiven Arbeitsbedingungen auch nach Sinn im Job sucht, kann im Bereich Sustainable Finance fündig werden. Auf welchen Wegen Informatiker*innen Geld verdienen und Welt verbessern kombinieren können und welche Skills helfen, zeigt dieser Beitrag.
„Was kann ich nach dem Studium Sinnvolles mit meinem Wissen anfangen?“ Auf diese Frage suchen fast alle Studierenden früher oder später eine Antwort. Die gute Nachricht: Die Möglichkeiten sind vielfältig – und gerade im Bereich Sustainable Finance gehen die Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung Hand in Hand. Eine unschlagbare Kombination!
Denn die Digitalisierung bestimmt unser Leben, nicht erst seit coronabedingten Videokonferenzen, Homeoffice und E-Learning. In den letzten Monaten mussten sich viele Unternehmen und Organisationen relativ schnell auf digitale Abläufe umstellen. Die aktuelle Krise beschleunigt die Digitalisierung und gleichzeitig kollidiert diese – zumindest auf den ersten Blick – mit dem ebenso wichtigen Thema Nachhaltigkeit: Digitale Vorgänge haben einen riesigen Ressourcenhunger. Jede Suchanfrage verbraucht je nach Schätzung 0,2 bis 10 Gramm CO2. Das klingt nach wenig, summiert sich aber bei allein 3,8 Millionen Google-Suchanfragen in der Minute rasch auf. Neben dem Energieverbrauch von Rechenzentren und Co., ist die Herstellung unserer digitalen Geräte ökologisch und sozial problematisch – bei der Produktion werden häufig Konfliktrohstoffe genutzt, Umweltschäden verursacht und unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen gearbeitet – und am Ende ihrer oft kurzen Nutzungsdauer enden sie als Elektroschrott, werden unsachgemäß entsorgt und nicht vollständig recycelt.
Technologie und Nachhaltigkeit sind also nicht voneinander zu trennen. „Sustainable Finance“ umschreibt in diesem Kontext die darauf aufbauenden Bestrebungen, (digitale) Finanzflüsse nachhaltig auszurichten und Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen. Das Thema Nachhaltigkeit nimmt insbesondere im Finanzsektor an Bedeutung zu. Die Nachfrage nach „grünen“ Kapitalanlagen wächst. Investoren informieren sich gezielt und schauen darauf, wie Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Um Finanzflüsse nachhaltig auszurichten, müssen neue Produkte entwickelt, aber auch bankinterne Prozesse verändert und vor allem viele Informationen bereitgestellt werden. Für die Nachhaltigkeitsbewertung haben sich die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental- Social- und Governance) etabliert. Die Buchstabenreihenfolge zeigt, worum es geht: Um Umwelt, soziale Elemente und Unternehmensführung. Neben klassischen Finanzkennzahlen ermöglichen die ESG-Informationen damit eine ganzheitlichere Beurteilung von Unternehmen und nachhaltige(re) Finanzentscheidungen.
Welche Rolle können ITler dabei in Banken und anderen Organisationen spielen und wie können ITler Nachhaltigkeit vorantreiben? Monika Peukert, Business Analyst Bethmann Bank AG und Absolventin des MBA Sustainability Management, gibt darauf eine Antwort:
„Ganz aktuell erhält das Thema EU-Taxonomie Einzug in die europäische Finanzindustie, das heißt es wird ein EU-weites Klassifikationssystem für nachhaltige Investitionen geben. Diese regulatorischen Änderungen betreffen alle Bereiche und somit verschiedene Stakeholder innerhalb des Finanzinstitutes. Die Informatiker*innen sind in diesem Fall das Bindeglied aller beteiligten Abteilungen wie zum Beispiel Produktabteilung, Compliance, Legal etc., da die Änderungen in alle Systeme hineinspielen. Es müssen neue Wege gefunden werden, um sowohl dem Finanzdienstleister als auch dem Gesetzgeber gerecht zu werden – Kreativität und Einfallsreichtum sind hier gefragt!
Generell ist es von Vorteil, wenn Absolvent*innen ein gewisses Interesse und Verständnis zum Thema Nachhaltigkeit zu haben und für das Thema „Sustainable Finance“ auch ein gewisses Verständnis für die Finanzindustrie. Allgemein ist es aber wichtiger, strukturiert zu arbeiten, ein gewisses Maß an Neugierde und Kreativität erleichtert die Arbeit und eine Portion Mut runden die Skills in diesem Bereich ab.“
Marvin Mechelse, Senior Consultant zeb und Student des MBA Sustainability Management, sieht gleich drei große Spielfelder für ITler*innen im Bereich Sustainable Finance:
„Aktuell sind ITler in der Finanzbranche in drei Bereichen heiß begehrt. Zum einen versuchen Banken unter dem Stichwort Data Analytics oder Big Data ihren Datenschatz für sich nutzbar zu machen. Hierzu bedarf es oft im ersten Schritt einer Zusammenführung und Aufbereitung der Daten in einem Data Warehouse. Mitarbeiter mit Datenbank Know-How spielen hier eine wichtige Rolle. Vor dem Hintergrund zunehmender regulatorischer Anforderungen von EU-Ebene, die zu einer Ausrichtung der Finanzströme in eine nachhaltige Entwicklung dienen sollen, wird die Datenauswertung und Aufbereitung ein Schlüsselelement, um beispielsweise neuen Transparenzanforderungen gerecht zu werden und Steuerungsimpulse abzuleiten.
Ein zweites Feld, auf dem Banken aktuell ITler suchen, ist die Robotergestützte Prozess Automatisierung (RPA). Hier werden vor allem solche Menschen gesucht, die eine hohe Affinität zu strukturiertem Denken und gleichzeitig viel Spaß am Arbeiten im Team haben. Es reicht ein grundlegendes IT und Programmier-Know-How aus, da die gängigen Automatisierungssoftware-Angebote recht einfach nutzbar sind. RPA nimmt strukturierte, wiederkehrende Abläufe mit klaren Entscheidungsregeln ab. Wo bisher eine „10-Finger-Schnittstelle“ Daten von A nach B übertragen musste oder lästige Kontrollen nötig waren, arbeitet in Zukunft ein Roboter. Das spart nicht nur dem Unternehmen und meist auch den Kunden der Unternehmen Zeit, sondern gibt auch den Mitarbeitern neue Möglichkeiten, ihre Arbeitskraft in andere Bereich zu investieren. Somit entsteht im Sinne der Nachhaltigkeit ein sozialer Impact auf die Arbeit.
Das dritte spannende „Spielfeld“ für ITler im Finanzwesen ist die Programmierung und Einbindung Künstlicher Intelligenz (KI). Diese wird zunehmend in Kombination mit den oben genannten Bereichen eingesetzt. Im Rahmen von Big Data kann KI große Datenmengen analysieren, Strukturen erkennen und somit neue Erkenntnisse zu Tage fördern. So werden zum Beispiel in der Gesamtbanksteuerung treffsichere Sondertilgungs-Szenarien ermittelt oder für den Vertrieb „Next-Best-Offer“-Impulse. Im Zusammenspiel mit RPA wird KI meist zur Aufbereitung unstrukturierter Daten eingesetzt. Töne oder Stimmen sowie Bildmaterial wird von der KI in Daten übersetzt, mit denen der Roboter arbeiten kann. Das führt mitunter zu einer höheren Datenqualität. Das Auslesen von eingescannten Ausweisdokumenten wird so weniger fehleranfällig als beim Abtippen der Daten durch einen Mitarbeiter. Der Einsatz von KI im Bereich Sustainable Finance liegt aktuell vornehmlich in der Analyse und Bewertung von kapitalmarktfähigen Unternehmen hinsichtlich ESG-Aspekten. So basiert das Nachhaltigkeits-Research vieler Asset Manager zu großen Teilen auf Algorithmen. Dies bedeutet jedoch auch eine große Herausforderung, denn was nachhaltig ist und was nicht ist eine hochgradig normative Frage.
Alle drei Themenfelder zahlen auch auf die aktuelle Entwicklung einiger Banken ein, „Beyond-Banking“ Angebote zu schaffen, so entstehen zum Teil Plattformangebote, die die Vernetzung und den Austausch diverser Stakeholder-Gruppen fördern und so ebenfalls einer Kernidee der Nachhaltigkeit folgen. Als Beispiel sei hier „Futopolis“ der GLS Bank genannt.
Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung gehen so im Finanzwesen Hand in Hand. Der Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern mit IT-Know-How ist entsprechend riesig!“
Auch in anderen Branchen hat der IT-Bereich ein hohes Potential den eigenen Fußabdruck zu reduzieren und darüber hinaus zu Lösungen von anderen Nachhaltigkeitsherausforderungen beizutragen – etwa indem intransparente Lieferketten durch Blockchain-Technologie durchleuchtet oder Luftverschmutzung durch intelligente Verkehrsleitsysteme vermindert wird. Der Begriff „Green IT“ umschreibt Ansätze, Hard- und Software möglichst nachhaltig zu gestalten und zu nutzen.
Zahlreiche IT-Start-Ups entwickeln bereits technologieorientierten Lösungen – das Portal nachhaltig.digital stellt regelmäßig solche Gründer*innen und Ideen vor: RecyclingMonitor nutzt Daten aus der Recyclingbranche für eine intelligente Software für die Kreislaufwirtschaft, Cloud&Heat Technologies nutzt die Abwärme von Rechenzentren und kombiniert das mit smarten Software-Lösungen und HEDERA unterstützt Mikrofinanzinstitutionen mit digitalen Lösungen für die Wirkungsmessung.
Nachhaltigkeit spielt nicht nur in Start-Ups, sondern in Unternehmen aller Größen eine Rolle – und wer bei der Berufswahl an morgen denkt, kann den Wandel mitgestalten.
Autorin: Anna Michalski arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg. Sie berät Interessent*innen, die den MBA Sustainability Management studieren möchten.
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