Anke Helle und Mateja Mögel teilen sich gemeinsam den Posten als Chefredakteurinnen des Magazins „Freundin”. Die Doppelspitze ist gegen den allgemeinen Print-Trend erfolgreich mit ihrem Produkt und verrät, welche strategischen und operativen Faktoren dafür verantwortlich sind.
Seit vier Jahren sind Sie in Doppelspitze Chefredakteurin der „Freundin”. In einem Interview mit dem Kress Report sagten Sie, Sie mussten die Arbeitskultur in der Redaktion verändern. Was genau meinten Sie damit?
Anke Helle: Schon die Tatsache, dass wir als Doppelspitze angetreten sind, hat von Anfang an gezeigt, wofür wir stehen: Wir glauben daran, dass es nicht die eine absolute Wahrheit gibt und jede Entscheidung durch ein Sparring besser wird. Mit unserem Antritt im September 2019 haben wir außerdem alle Prozesse von analog auf digital umgestellt. Davor fand der Workflow noch im Flur anstatt in einem digitalen System statt. Auch das hat ein großes Umdenken erfordert – uns aber sehr dabei geholfen, flexibel von überall aus arbeiten zu können. Heute arbeiten wir komplett hybrid, alle großen Konferenzen finden sowohl vor Ort als auch per Teams statt. Wir beide nehmen Layouts auf dem Handy ab und nehmen auch mal vom Spiel- oder Fußballplatzrand aus an Meetings teil.
Gerade beim hybriden, dezentralen Arbeiten stellt sich die Herausforderung, wie die Mitarbeitenden in eine Kultur eingebunden werden können. Haben Sie Leitlinien in Ihrer Führung, an denen sich Ihre Mitarbeitenden orientieren können?
Mateja Mögel: Es gibt vier zentrale Stützpfeiler, auf denen unsere Führung als Doppelspitze beruht: Vertrauen, Wertschätzung, Transparenz und Flexibilität. Wir vertrauen unseren Mitarbeiterinnen, statt sie zu kontrollieren. Uns ist es wichtig, durch Wertschätzung jeden einzelnen zu motivieren. Wir kommunizieren extrem transparent, um so mehr Verständnis füreinander zu fördern. Und wir gewähren und fordern größtmögliche Flexibilität, damit jede bestmöglich für sich und für unsere Marke arbeiten kann.
Gegen den Print-Trend entwickelt sich die „Freundin” positiv. Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, um in Ihrem Segment Leserinnen zu überzeugen?
Mateja Mögel: Wir haben seit 2019 das Heft sukzessive, aber auch sehr behutsam weiterentwickelt. Wir haben die Bildsprache modernisiert, die Formate geschärft, die Texte emotionaler und lebensnäher gemacht. Unsere Überzeugung: Wenn du die Freundin gelesen hast, bleibt am Ende ein positives Gefühl übrig. Das heißt nicht, dass wir nur seichte Themen angehen. Im Gegenteil, aber wir lassen unsere Leserin nie mit Hoffnungslosigkeit zurück.
Und wenn wir uns an sehr komplexe Themen wagen, wie im aktuellen Heft zum Beispiel ein großes Interview zum Thema Künstliche Intelligenz, dann bereiten wir es so auf, dass es die Leserin in ihrer Lebenswelt abholt. Wir sprechen Ängste an, aber versuchen vor allem Chancen zu sehen. Egal, was wir tun: Am Ende sind wir immer unsere ersten Leserinnen und erwarten vom Heft auf jeder Ebene eine hohe Qualität, aber auch Emotionalität und Authentizität.
Muss die Leserschaft auch spüren, dass es Ihre persönlichen Emotionalität und Authentizität ist, die Sie einbringen?
Anke Helle: Egal, welches Produkt man heute verkaufen will, man muss vor allem eines sein: glaubwürdig. Wir haben das große Glück, mit der Freundin für eine Marke zu arbeiten, die die deutschen Frauen seit 75 Jahren begleitet – länger als jede andere Frauenzeitschrift. Allein das gibt uns ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig hat sich das Heft mit seiner Leserinnenschaft weiterentwickelt und ist heute mit uns als Doppelspitze so zeitgeistig wie nie. Wir verkörpern genau das, wofür auch die Marke steht: Wir sind Frauen, die sich gegenseitig unterstützen, indem sie sich Ratgeberinnen, Inspiratorinnen, Zuhörerinnen, Unterhalterinnen und – ja – eben Freundinnen sind.
In den letzten Wochen wurde der Niedergang der Gruner & Jahr-Titel bekannt. Ist dieses ein Signal, dass Print keine Zukunft mehr hat?
Anke Helle: Seit ich vor über 20 Jahren angefangen habe, als Journalistin zu arbeiten, wird mir gesagt, dass Print keine Zukunft hat. Genau wie es immer wieder heißt, dass keiner mehr Bücher kaufen wird, weil alle E-Reader lesen werden. Auch das hat sich nicht bewahrheitet. Print hat als Abschaltemedium, als Me-Time-Produkt, als Alternative zum gehetzten Scrollen auf einem Bildschirm seine absolute Berechtigung und das wird es auch weiter geben, daran habe ich gar keinen Zweifel.
Was aber auch stimmt ist, dass viele Verlage die Digitalisierung lange Zeit schlichtweg verschlafen haben, weil es ihnen zu lange zu gut ging. Verbunden mit den explodierenden Papier- und Energiepreisen rächt sich das jetzt.
„Es geht nicht nur um Inhalte, sondern auch um ein Geschäftsmodell.
Als Chefredakteurinnen müssen wir unternehmerisch denken“
Denken Sie, die Anziehungskraft der Arbeit in den Medien für Berufseinsteiger ab- oder zugenommen hat?
Mateja Mögel: Ich denke, die Arbeit ist auf jeden Fall sehr viel sichtbarer geworden, da sie auch in ihrer Bandbreite alle Kanäle bedient, ob Podcasts, Radio, Bewegtbildformate, Soziale Kanäle oder Printmedien. Gerade junge Formate wie etwa funk von ARD und ZDF machen über soziale Netzwerke die journalistische Arbeit der junge Zielgruppe begreifbarer. Aber egal, ob man früher oder heute „irgendwas mit Medien“ machen wollte: Hinter jedem guten journalistischen Content steht mehr Arbeit, Zeit und Engagement, als man es vermuten würde, wenn man rein das Endprodukt sieht.
Anke Helle: Für mich ist Journalistin immer noch einer der schönsten Berufe, die ich mir vorstellen kann. Neugierig sein zu dürfen, Dinge in Frage zu stellen und dafür an Orte zu kommen und Menschen sprechen zu können, die anderen verwehrt bleiben, an dieser Faszination hat sich bis heute nichts verändert. Und auch vor 20 Jahren war der Weg in den Journalismus kein leichter und erst recht kein sicherer.
Und was braucht es heute, um in den Medien erfolgreich zu sein?
Mateja Mögel: Wie in vielen anderen Berufen aktuell braucht es vor allem die Bereitschaft, flexibel zu reagieren. Neue Formate zu wagen, vieles auszuprobieren und auch wieder zu verwerfen und sich Neuem zuzuwenden. Zudem verwischen immer mehr die Grenzen zwischen Redaktion und den weiteren Bereichen der Arbeit in den Medien.
Jede Printmarke ist heute auch eine 360 Grad Marke, die auf allen Kanälen funktionieren muss. Es geht nicht nur darum, Inhalte zu produzieren, sondern auch ein Geschäftsmodell dafür zu haben, sich das Marketing dafür zu überlegen. Als Chefredakteurinnen müssen wir heute auch unternehmerisch denken. Und immer noch gilt wie eh und je: die große Frage, die über allem steht ist, was wollen Leser:innen, User:innen und Hörer:innen? Die Zielgruppe zu verstehen, sich in sie hineinzuversetzen und das anzubieten, was wirklich gebraucht wird, entscheidet am Ende über Erfolg oder Misserfolg.
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