Wirtschaftsprüfung abseits der globalen Konzerne bietet Studierenden oft spannende Alternativen. Statt sich ausschließlich auf die „Big Four“ zu konzentrieren, lohnt es sich, den Mittelstand in den Blick zu nehmen. Prof. Dr. Eva Bracht von der FH Aachen erklärt, welche Vorteile und Besonderheiten diese Arbeit birgt – von engerer Zusammenarbeit mit den Unternehmensführungen bis hin zur Spezialisierung auf „Hidden Champions“.
Welche Vorteile bieten Wirtschaftsprüfer, die sich nicht auf globale Konzerne konzentrieren, sondern eher auf große Mittelständler?
Häufig kommen Studierende auf mich und meine Kolleginnen zu und fragen, ob Sie statt bei einer Big Four Gesellschaft bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eher große Mittelständler betreut, ein Praktikum absolvieren sollten. Da den Studierenden meist der Wirtschaftsprüfermarkt jenseits der Big Four nicht geläufig ist, versuchen wir in unseren Vorlesungen auch diesen zu präsentieren und die Vorteile der Arbeit diesen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu erläutern. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit einem Schwerpunkt auf großen Mittelständlern zeichnen sich durch zahlreiche Besonderheiten aus, die gleichzeitig Chancen und Herausforderungen beinhalten. Große, oft familiengeführte Mittelständler legen häufig Wert auf eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihrem Wirtschaftsprüfer. Der Wirtschaftsprüfer ist in vielen Fragen, auch über die eigentliche Prüfungstätigkeit hinaus, der erste Ansprechpartner für die Führungsebene des Unternehmens. Hierdurch entsteht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die aber auch besonderes Engagement erfordert. In der Praxis kann dies zu kürzeren Entscheidungswegen und einer weniger formalisierten Zusammenarbeit im Vergleich zur Prüfung von globalen Unternehmen durch Big Four Gesellschaften führen.
Große Mittelständler sind in vielen Fällen „Hidden Champions“, die von ihrem Wirtschaftsprüfer vertiefte Kenntnisse der jeweiligen Branche, des Geschäftsmodells und der regionalen Schwerpunkte des Unternehmens erwarten. Es wird erwartet, dass der Wirtschaftsprüfer die Entwicklung des Unternehmens umfassend begleitet und individuelle Besonderheiten kennt. Hierdurch bauen die Prüfungsgesellschaften häufig erhebliches Fach- und Spezialwissen auf.
Schließlich ist der Austausch mit den Unternehmensinhabern von großen Mittelständlern in der Regel deutlich enger als bei globalen, börsennotierten Konzernen. Vor diesem Hintergrund ist der Wirtschaftsprüfer häufiger in zentrale Entscheidungsprozesse, wie Expansionspläne, Generationenübergaben oder Veräußerungsprozesse, deutlich stärker eingebunden. Die Arbeit bei einer auf große Mittelständler fokussierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat hierdurch ihren besonderen Reiz und bedarf besonderer Fähigkeiten. Wir ermutigen unsere Studierenden aktiv, neben den Big Four Gesellschaften auch andere große und mittelständische Prüfungsgesellschaften kennenzulernen.
Sie gehören laut einer Studie des manager magazins zu den 3 Top-Hochschulen. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Studierenden auch in der Lehre und der Forschung an Ihrem Institut schon mit den aktuellen Entwicklungen in der Praxis vertraut gemacht werden?
Um sicherzustellen, dass unsere Studierenden mit den aktuellen Entwicklungen in der Praxis vertraut gemacht werden, setzen wir auf eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Dies fördern wir durch verschiedene Maßnahmen und Kooperationen:
Wir arbeiten mit den global agierenden Big Four-Gesellschaften sowie mit mittelständischen und regionalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammen, um den Studierenden eine breite Praxisorientierung zu ermöglichen. Unser in den BWL-Studiengängen der FH Aachen etabliertes Cafeteria-System (freie Wahl der Vertiefungen ohne den Zwang, Schwerpunkte zu wählen) ermöglicht es den Studierenden, sowohl Vertiefungen im Bereich Rechnungslegung und Prüfung zu belegen, sowie auch Vertiefungen im Bereich Informatik. In unseren Vorlesungen setzen wir beispielsweise KI ein, um die Studierenden für Vor- aber auch zurzeit noch bestehende Nachteile eines KI-Einsatzes zu sensibilisieren.
Zudem laden wir regelmäßig Expertinnen und Experten aus den Prüfungsgesellschaften ein. Sie berichten den Studierenden über die neuesten Entwicklungen in der Prüfung und geben Einblicke in innovative Technologien. In Workshops in Kooperation mit Prüfungsgesellschaften analysieren Studierende konkrete Problemstellungen und erkennen, wie KI-gestützte Tools die Effizienz in der Wirtschaftsprüfung steigern können. Die Kooperationen sowie Networking Events, wie die „Business Insights“, bei dem Praktikerinnen und Praktiker aus ihrer täglichen Arbeit berichten, bieten unseren Studierenden die Möglichkeit, sich mit Fachleuten auszutauschen und potentielle Arbeitgeber kennen zu lernen. Schließlich absolvieren viele unserer Studierenden im Vorfeld zu ihrer Bachelorarbeit in Kooperationen mit Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Praxisprojekte. In diesen Projekten arbeiten Sie in Wirtschafsprüfungsgesellschaften und befassen sich häufig mit aktuellen Themen wie der Implementierung von KI im Audit-Prozess, Datenanalysen oder Automatisierung.
Hieraus ergeben sich auch oft die dann folgenden Forschungsfragen für die jeweiligen Bachelorarbeiten. Diese werden auch häufig in Kooperation mit den Prüfungsgesellschaften durchgeführt. Zum Beispiel habe ich zuletzt eine Studierende betreut, die im Rahmen ihrer Masterarbeit die Implementierung eines neues KI-Tools einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur besseren Risikoeinschätzung der Umsatzrealisierung untersucht hat. Dabei ging es sowohl um KI-basierte Prüfungsalgorithmen als auch um Big Data Analysen. So können die Studierenden aktiv mitwirken und lernen, wie neue Technologien die Wirtschaftsprüfung verändern und welche Anforderungen an Sie als künftige Mitarbeiter:innen gestellt werden. Durch diese und weitere Maßnahmen wird an der FH Aachen der Anspruch gelebt, aktuelle Themen aus der Praxis aufzugreifen, die Lehre an den Bedürfnissen der Praxis zu orientieren und die großen Entwicklungslinien in der Wirtschaftsprüfung wissenschaftlich zu begleiten.

Prof. Dr. Eva Bracht ist Professorin für BWL mit Schwerpunkt Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung
im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der FH Aachen.
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