Experten und die Redaktion vom high potential beantworten an dieser Stelle Karrierefragen von Hochschulabsolventen. Auch dir brennt eine Frage unter den Nägeln? Schick sie uns an wirtschaftspruefung@wordpress-backup0922.p400025.webspaceconfig.de und wir besorgen dir die Antwort – für dich als E-Mail, für alle anderen User öffentlich auf dieser Seite einsehbar. Entsprechend wird dieser Artikel fortlaufend aktualisiert.
Sorgt die Digitalisierung dafür, dass Wirtschaftsprüfer eher mehr oder eher weniger zu tun bekommen?
Prof. Dr. Henning Zülch, Lehrstuhlinhaber für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der HHL Leipzig Graduate School of Management, antwortet:
„Die Digitalisierung führt zu großen Veränderungen in der WP-Branche; konkret werden sich die Prüfprozesse und die erforderlichen Kompetenzen verändern. Festzustellen ist, dass sich zunächst zahlreiche Chancen bieten, etwa gerade durch digitale Prozesse beim Mandanten. Durch diese Art der Digitalisierung wird sich der Prüfer unter anderem vermehrt auf die Prozessprüfung konzentrieren und kann so unter Umständen auf Einzelfallprüfungen verzichten. Das bedeutet aber, dass ein Prüfungsteam zunehmend IT-Kompetenzen aufbauen muss. Des Weiteren kann auch die Einführung des European Single Electronic Format, kurz ESEF, als Aspekt der Digitalisierung in diesem Kontext genannt werden, welches aus WP-Sicht zu Mehraufwand führen wird – zumindest in den ersten Jahren. Insgesamt gesehen hat die Corona-Pandemie für einen großen Digitalisierungsschub bei der Zusammenarbeit zwischen Prüfer und Mandanten gesorgt, etwa beim Cloud-basierten Datenaustausch oder dem ‚remote work‘. Weiterhin verfolgen viele WP-Gesellschaften eigene Digitalisierungsstrategien, um etwa strukturierte Daten effizienter auswerten zu können. Dies erfolgt beispielsweise mithilfe von Analytics-/KI-Werkzeugen.“
Wie wichtig ist es, ein Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsexamen erfolgreich absolviert zu haben, um in einer Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft eine Top-Karriere zu machen?
Prof. Dr. Klaus Ruhnke, Professor für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung an der Freien Universität Berlin, antwortet:
„Die Qualifikation als Wirtschaftsprüfer:in (WP) ist ein zentraler Karriereschritt. Da mittelständische WP-Gesellschaften zumeist generalistisch ausgelegt sind, ist hier regelmäßig zusätzlich auch die Qualifikation als Steuerberater:in gefragt. Der Zugang zur Qualifikation als Wirtschaftsprüfer:in wurde durch die Modularisierung des WP-Examens erleichtert. Auch Spezialkenntnisse sind einer Karriere dienlich. Beispielsweise hat die zunehmende Bedeutung von Data Analytics für die WP-Praxis dazu geführt, dass fundierte Kenntnisse im Bereich der Informatik beziehungsweise Wirtschaftsinformatik eine Top-Karriere fördern.“
Welche Vorteile haben die Consultingeinheiten der Wirtschaftsprüfer gegenüber klassischen Managementberatungen?
Prof. Dr. Michael Dobler, Professor für BWL, insbesondere Wirtschaftsprüfung und Steuerlehre, sowie Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität Dresden, antwortet:
„Ein Prüfungsmandat kann als Türöffner für Beratungsaufträge dienen, gerade um Nachfrage nach Leistungen aus einer Hand zu bedienen. So zeigt die Forschung etwa, dass Familienunternehmen externe Berater anhand von Erfahrungen mit dem Anbieter, seiner Reputation und Vertrauen auswählen. Insoweit haben die Consultingeinheiten der Prüfungsgesellschaften tendenziell einen Vorsprung. Durch parallele Beratung und Prüfung lassen sich Synergieeffekte und Kostenvorteile realisieren, von denen auch Mandanten profitieren können. Parallele Beratung durch Prüfungsgesellschaften unterliegt aber rechtlich wie faktisch Beschränkungen, die auf die Prüferunabhängigkeit abstellen und bei reinen Consultinggesellschaften so nicht bestehen.“
Welche Qualifikationen sollte man bereits im Studium erworben haben, um als Kandidat eine Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft überzeugen zu können?
Prof. Dr. Gunther Friedl, Professor für BWL, Inhaber des Lehrstuhls für Controlling sowie Dekan der TUM School of Management der Technischen Universität München, antwortet:
„Der Beruf des Wirtschaftsprüfers erfordert ein breites Wissen, das neben dem Kerngebiet Betriebswirtschaftslehre auch benachbarte Teilgebiete wie die Wirtschaftsinformatik um- fasst. Studierende sollten sich also nicht nur mit Rechnungswesen, Finanzierung, Marketing, Strategie und Organisation beschäftigt haben. Sie sollten auch technologisches Wissen beispielsweise im Umgang mit großen Datenmengen aufbauen. Darüber hinaus sind hohe soziale Kompetenzen unerlässlich.“
Luisa von der Uni Mannheim fragt: „Die meisten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben ja verschiedene Bereiche, in denen man arbeiten kann, daher werden auch unterschiedliche Anforderungen an die Absolventen und Bewerber gestellt. Nun frage ich mich: Welche sind die „wichtigsten“ Kompetenzen, die in der Wirtschaftsprüfung gefordert werden?“
Die high potential Redaktion antwortet:
Liebe Luisa. natürlich kommt es bei den Kompetenzen immer auf den Arbeitgeber an. Künftige Wirtschaftsprüfer müssen sich der digitalen Transformation aus Sicht von Geschäftsmodellen, Prozessen und Systemen sowie ihrer eigenen Prüfungsdurchführung annehmen. Dafür brauchst du im Wesentlichen drei Kernkompetenzen. Die erste ist offensichtlich: Die Fachexpertise. Grundlegend für jede Prüfungs- und Beratungstätigkeit ist ein Verständnis der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie betriebs- und volkswirtschaftliche Kenntnisse.
Die zweite wichtige Kompetenz umfasst den Bereich Data Science: Wer Daten sinnvolle Aussagen entlocken will, muss wissen, wonach gesucht wird, welche Daten gebraucht werden, wie diese strukturiert und welche Auswertungsmethoden sinnvoll sind.
Außerdem ist das Wissen über Informationstechnologie wichtig. Das Rechnungswesen wird in Form von Prozessen und Datenbanken digital abgebildet. Für die Prüfung dieser Prozesse musst du die zugrundeliegenden Vorgänge verstehen und diese auf Softwareebene nachvollziehen können.
Zum Kompetenzprofil eines Wirtschaftsprüfers haben wir hier übrigens einen tollen Beitrag. 🙂
Aber keine Angst: Niemand erwartet, dass du in all diesen Kompetenzen ein Experte bist.
Peter aus Stuttgart fragt: „Ich habe zunächst mein Studium in BWL begonnen, weil ich noch nicht wusste, in welche Richtung ich genau gehen möchte. Nun finde ich die Wirtschaftsprüfung spannend und möchte mich optimal auf den Berufseinstieg vorbereiten und keinen Fehler dabei machen. Welches Studium mit welchen Schwerpunkten bereitet mich am besten auf den Beruf vor?“
Die high potential Redaktion antwortet:
Lieber Peter, pauschal lässt sich deine Frage nicht beantworten, denn es gibt nicht „den einen“ Studiengang, um Wirtschaftsprüfer zu werden. Eine typische Voraussetzung für eine Bewerbung im Bereich der Wirtschaftsprüfung ist ein Bachelor- oder Masterabschluss in einem wirtschaftswissenschaftlichen Fach mit Schwerpunkt Wirtschaftsprüfung, Controlling oder Rechnungswesen. Aber auch Studiengänge wie Volkswirtschaft oder Rechtswissenschaft sind möglich.
Außerdem sind erste berufliche Erfahrung in der Prüfung oder bei einer Steuerberatung, die du zum Beispiel bei Praktika gesammelt hast, sehr hilfreich bei der Bewerbung. Berufserfahrung ist auch die Voraussetzung für das Wirtschaftsprüferexamen: Als Master-Absolvent solltest du drei Jahre Berufserfahrung gesammelt haben, als Bachelor-Absolvent vier Jahre. Erst nach dem Bestehen des Wirtschaftsprüferexamens bist du offiziell ein Wirtschaftsprüfer.
Wir haben bei Professoren nachgefragt, wie sich Studierende am besten auf den Berufsweg eines Wirtschaftsprüfers vorbereiten können. Die Einschätzungen kannst du in unserem Karrierenetzwerk nachlesen (hier gleich mal einer der Beiträge 🙂 ).