Wer seine Karriere strategisch plant, sieht sich auch die Wettbewerbssituation unter den Arbeitgebern an: Wenn viele Unternehmen um Kandidat:innen buhlen, erhöht dies die Auswahlmöglichkeiten für Absolvent:innen. Die Researcher von Lünendonk & Hossenfelder sehen die WP-Gesellschaften abseits der Big Four auf einem nachhaltigen Erfolgskurs und empfehlen die nachfolgenden Prüfungshäuser aufgrund ihrer attraktiven Angebote.
„Die Berater-Lücke: Consultants und Wirtschaftsprüfer wollen 27.000 Stellen neu besetzen“, titelt das Handelsblatt im Juli. [1] Einen Monat später schreibt das Portal Business Insider „Toptalente dringend gesucht: Warum im Consulting und bei Wirtschaftsprüfern ein Personalmangel droht“. [2] Tatsächlich überbieten sich große wie kleine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften monatlich mit neuen Zahlen zu geplanten Stellenbesetzungen.
Die Bewerbersituation indes ist angespannt, die Absolventenzahlen gehen stetig zurück: Gerade einmal knapp 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Wirtschaftsprüfungsexamina haben die umfangreichen Prüfungen im ersten Halbjahr 2021 bestanden [3] – eine extrem niedrige Zahl angesichts des deutlich höheren Bedarfs. Ist dieser Schritt allerdings erfolgreich gemeistert, stellt sich den Absolventinnen und Absolventen die Frage, welches Prüfungs- und Beratungshaus ihnen die besten Konditionen und das attraktivste Arbeitsumfeld bietet.
Der Kampf um die führenden Köpfe von morgen
Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder widmet sich alljährlich in seinen umfangreichen Analysen und Studien dem Markt für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung. Dabei kommt neben der wirtschaftlichen Entwicklung der befragten Prüfungshäuser natürlich auch dem Thema „Human Resources“ eine herausgehobene Bedeutung zu. Für die in diesem Jahr befragten 67 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie weiteren 14 Allianzen und Netzwerke stellt die Rekrutierung von qualifiziertem Personal die dringlichste und größte Herausforderung für die kommenden zwei bis drei Jahre dar – noch vor Themen wie Digitalisierung, erhöhtem Preiswettbewerb und staatlicher Regulierung. [4]
Mittelständische Prüfungen auf Wachstumskurs
Vor allem mittelständische Wirtschaftsprüfungshäuser sind von der Überalterung ihrer Belegschaft betroffen und buhlen aktiv um die Gunst der Hochschulabgänger:innen. Der Personalmangel dieser Häuser geht gleichzeitig mit einem starken Umsatzwachstum einher. Kumuliert konnten die 25 größten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020 ein sattes Umsatzplus von 341 Millionen Euro generieren.
Reduziert um die Umsätze der sogenannten Big Four (Deloitte, EY, KPMG und PwC) kommen die nachfolgenden großen und mittelständischen Häuser auf ein Umsatzplus von 127 Millionen Euro. In absoluten Zahlen eine beeindruckende Differenz!
Allerdings zeigt sich bei einem detaillierteren Blick auf die Gesamtumsatzzahlen, dass Anbieter aus dem Feld der sogenannten „Next Six“ überdurchschnittlich stark gewachsen sind. Während die Big Four im vergangenen Jahr lediglich um 2,6 Prozent zulegten, konnte das Verfolgerfeld um BDO, Ebner Stolz, Rödl & Partner, Mazars, Baker Tilly sowie Warth & Klein Grant Thornton seine Umsätze um 7,2 Prozent steigern (alle Unternehmen: + 5,4 Prozent).
Der Markt ist derzeit von einem starken Konsolidierungsdruck geprägt, das Wettbewerbsumfeld mehr als volatil. Deloitte, EY, KPMG und PwC reagieren ihrerseits mit einer Diversifizierungsstrategie.
So fanden sich in den vergangenen Monaten insbesondere Digitalagenturen, Softwareunternehmen, Data Analysts und Beratungsunternehmen im Fokus ihrer M&A-Aktivitäten. Diese Verschiebung im Leistungsportfolio der Big Four sowie prosperierende Gewinne aufseiten ihrer Verfolger lassen letztere Häuser in das Blickfeld der Absolventinnen und Absolventen rücken.
Herausfordernde Mandate bei den Next Six
Der Skandal um das ehemalige DAX-30-Unternehmen Wirecard, Auslöser für die verschärfte Regulatorik, hat den Big Four – allen voran dem Wirecard-Prüfer EY – einen massiven Image-Schaden eingebracht. Zwar bleibt die Frage nach tatsächlichen Mandatsverlusten bei Ernst & Young vorerst abzuwarten, doch positioniert sich die unbelastete Konkurrenz bereits mit Nachdruck.
Mit neuen Mandatsgewinnen erregen die Next Six Aufmerksamkeit. So setzte sich BDO beispielsweise erfolgreich bei der Ausschreibung des Softwaregiganten SAP durch (auch aufgrund des Konflikts mit zahlreichen Beratungsprojekten konnte KPMG nicht mehr hinzugezogen werden). Die durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) erforderliche Prüferrotation bei kapitalmarktorientierten Unternehmen entfaltet ihre Wirkung also nicht nur im Rahmen eines Wechsels innerhalb der Big Four. Auch Wettbewerber wie Ebner Stolz, Mazars und WKGT konnten profitieren und scheuen den durch das FISG deutlich erhöhten Aufwand zur Prüfung von §319a-Mandaten nicht. So wird das Verfolgerfeld der Big Four auch immer attraktiver für Nachwuchskräfte.
Im Übrigen: Nicht nur die „Großen Vier“ punkten mit dem fachlichen, internationalen Austausch über Standorte und Ländergrenzen hinweg. Auch die ihnen nach- folgenden Prüfungshäuser sind in Netzwerken und Allianzen zusammengeschlossen und bieten der kommenden Generation ein spannendes und attraktives Umfeld.
Fazit:
Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften abseits der Big Four trumpfen mit einem nachhaltigen Erfolgskurs, ihrer Integration in umspannende Netzwerke sowie vielversprechenden Zukunftsaussichten im Hinblick auf Prüfmandate. Zahlreiche Benefits abseits der attraktiven Vergütung finden sich in den Stellenausschreibungen: Neben Homeoffice-Option und Freistellungszeiten für mehr Flexibilität werden zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten, die Unterstützung bei der Betreuung von Kindern oder anderen Angehörigen, die Bezuschussung von Jobtickets und Mitgliedschaften bei Gesundheits- und Sporteinrichtungen sowie viele weitere Corporate Benefits.
[1] Siehe Bert Fröndhoff/ Michael Scheppe/ Lazar Backovic: Die Berater-Lücke: Consultants und Wirtschaftsprüfer wollen 27.000 Stellen neu besetzen, 13.07.2021, URL: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handelsblatt-umfrage-die-berater-luecke-consultants-und-wirtschaftspruefer-wollen-27-000-stellen-neu-besetzen/27413488.html?ticket=ST-996123-JyEcoJkHIaHLUPgosVqt-ap1 [Zugriff: 15.09.2021].
[2] Siehe Judith Schallenberg-Kappius: Toptalente dringend gesucht: Warum im Consulting und bei Wirtschaftsprüfern ein Personalmangel droht, 11.08.2021, URL: https://www.businessinsider.de/karriere/arbeitsleben/toptalente-dringend-gesucht-warum-im-consulting-und-bei-wirtschaftspruefern-ein-personalmangel-droht-c/ [Zugriff: 16.09.2021].
[3] Vgl. Wirtschaftsprüferkammer: Ergebnisse des Wirtschaftsprüfungsexamens – Prüfungstermin I/2021 –, o. J., URL: https://www.wpk.de/fileadmin/documents/Nachwuchs/Pruefungsstelle/WPK–Ergebnisse_WP-Pruefung_I-2021.pdf [Zugriff: 15.09.2021].
[4] Vgl. Lünendonk & Hossenfelder: Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung in Deutschland, August 2021, Mindelheim.
Autor Jörg Hossenfelder vom Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder ist Kommunikations- und Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater Business-to-Business-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit 2009 ist Hossenfelder geschäftsführender Gesellschafter.