Sie sind am Puls der Zeit, antizipieren WP-Trends frühzeitig: Die besten Lehrstühle für das Fach Wirtschaftsprüfung an deutschen Hochschulen geben uns eine Einschätzung zu den wichtigsten Fragestellungen. Mehr von den Vertretern der Top-Unis findet ihr laufend aktualisiert im WP-Absolventenradar auf high-potential.com.
Welche technologischen Trends werden die Wirtschaftsprüfung in den kommenden Jahren beeinflussen und wie bereitet man sich darauf heute am besten vor?
In den kommenden Jahren werden insbesondere die Künstliche Intelligenz (KI) in Verbindung mit Data Analytics, Process Mining, Text Mining und Robotic Process Automation die Wirtschaftsprüfung in zunehmendem Maße beeinflussen. Aber auch KI-Anwendungen in der Sprach- und Bilderkennung (NPL- und OCR-Anwendungen) werden eine immer größere Bedeutung erfahren. Studierende, die an diesen äußerst spannenden Entwicklungen in der Wirtschaftsprüfung Interesse haben, sollten sich mit diesen Fachgebieten an Ihrer Universität oder Hochschule intensiv auseinandersetzen. Dafür sind Grundlagenkenntnisse zumindest in der Informationstechnologie und der Statistik sinnvolle Voraussetzungen.
Welche Vorteile gegenüber klassischen Beratungsunternehmen können die Consultingeinheiten der WP-Gesellschaften ausspielen?
Die Consultingeinheiten der WP-Gesellschaften haben insbesondere ihre fachlichen Stärken in der Transaktions- und Restrukturierungsberatung, der Beratung zu kapitalmarktorientierten Rechnungslegungsthemen wie Carve-outs und der Prozess- und IT-Optimierung. Beispielsweise können durch den Zugang zu ERP-Systemen beim Mandanten die Prozessketten eines Unternehmens analysiert und Effizienzpotentiale herausgearbeitet werden. Mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) gilt das verankerte Verbot zur Erbringung von Nichtprüfungsleistungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse. Dennoch gehe ich davon aus, dass die Consultingeinheiten auch zukünftig die Wachstumstreiber innerhalb der WP-Gesellschaften sein werden. Nicht zuletzt deswegen, weil die WP-Gesellschaften massiv in die Nachhaltigkeitsberatung investieren werden. WP-Gesellschaften verstehen sich als Hauptansprechpartner bei Unternehmen, um die Nachhaltigkeitsziele hinsichtlich der ESG-Kriterien zu erfüllen und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Mandanten zu stärken. Zudem haben WP-Gesellschaften (insbesondere die Big 4) gegenüber klassischen Beratungsunternehmen den Vorteil, dass sie weitreichende Expertise bei Berichtsanforderungen haben. Schließlich bieten sie auch Prüfungsleistungen über die Nachhaltigkeitsberichterstattung an. Für Studierende empfehle ich daher, sich Kompetenzen in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Studium anzueignen. Wir an der Ruhr-Universität Bochum haben bereits frühzeitig begonnen, das Lehrcurriculum um die Megatrends Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit zu erweitern. Beispielsweise bieten wir Module wie „Data Analytics in Accounting“ an, damit sich Studierende Kompetenzen in digitalen Tools wie zum Beispiel im Bereich Process Mining aneignen können.
Lohnt es sich noch, Steuerberater:in zu werden oder glauben Sie an eine Konsolidierung des Marktes, unter anderem durch die Digitalisierung?
Die Dualen Partner in unserem Studiengang „RSW – Steuern und Prüfungswesen“ bilden die gesamte Breite des Steuerberatungsmarkts ab – von Big 4 bis zu Einzelkämpfern. Wir verzeichnen weiterhin eine große und auch stabile Nachfrage nach den Studienplätzen. Die Kanzleien halten sich also, unabhängig von der Größe, weiterhin für zukunftsfähig und suchen gar händeringend Nachwuchs. Ich glaube deshalb nicht, dass eine vollständige Konsolidierung des Marktes stattfinden wird. Oft kann man – trotz der aktuellen Entwicklungen – den umgekehrten Trend beobachten, dass Mitarbeiter aus größeren Steuerberatungskanzleien ausscheiden, um sich anschließend in kleinen Sozietäten oder als Einzelkämpfer selbtständig zu machen. Und das trotz oder auch gerade wegen der Digitalisierung, die einiges einfacher macht. Natürlich könnte die Konsolidierung des Marktes durch Kostenvorteile bei der Digitalisierung angetrieben werden, aber viele kleine und große Kanzleien nutzen ohnehin bestimmte Softwarelösungen für die Steuerberatung, die bereits für digitales Kanzleimanagement optimiert wurden. Diese Softwarelösungen bleiben weiterhin für die Kanzleien bezahlbar. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass eine disruptive Technologie, die nur für die großen Player am Markt bezahlbar wäre, kommt, derzeit ist sie jedoch noch nicht in Sicht. Deshalb halte ich unseren Beruf weiterhin für zukunftsfähig.
Wo findet man die interessantesten Entwicklungsmöglichkeiten: in Prüfung, Steuern oder Beratung?
Avisierte Karrierepfade hängen mithin von individuellen Präferenzen, ja Leidenschaften ab. Einstiegsgehälter sollten nicht (allein) ausschlaggebend sein. Obwohl der Terminus „Wirtschaftsprüfung“ keinen ausdrücklichen Steuer- oder Beratungsbezug aufweist, sind das Examen und die Tätigkeit von Wirtschaftsprüferinnen und -prüfern keineswegs einseitig fokussiert. Interessant sind Befunde einer Befragung von Studierenden an meinem Lehrstuhl der TU Dresden. Demnach schätzen Studierende die Reputation, die Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch die Arbeits belastung in der Wirtschaftsprüfung als besonders hoch ein. Bei Frauen treten diese Einschätzungen tendenziell deutlicher zu Tage als bei Männern. Inwiefern die Befunde regional bedingt sind, mag dahinstehen. Als meines Erachtens krisensicher entpuppen sich – nicht nur in der Corona-Pandemie – die Bereiche Prüfung und Steuern allemal eher als die allgemeine Beratung.
Wird die KI in absehbarer Zeit in der Lage sein, die Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung in ihrer bisherigen Form zu ersetzen?
Die Digitalisierung und insbesondere KI werden zu großen Veränderungen in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung führen. Es werden sich sowohl die Prüfprozesse als auch die erforderlichen Kompetenzen ändern. So arbeiten bereits heute viele WP-Gesellschaften an eigenen Digitalisierungsstrategien, um etwa Daten effizienter auswerten zu können. Dies wird sich auch auf die Prüfungsqualität positiv auswirken. Die Steuerberatung kann insbesondere von der automatischen Analyse von Steuersachverhalten profitieren und gibt den Beratern mehr Zeit für die individuelle Betreuung der Mandanten. Um diese Potentiale nutzen zu können, ist natürlich Voraussetzung, dass auch die Unternehmen entsprechend aufgestellt sind und ihre Daten digital bereitstellen können. Die Arbeitsweise und erforderlichen Kompetenzen werden sich also ändern mit einem Fokus auf IT-Know-how, das in Zukunft neben dem fachlichen Wissen eine Grundvoraussetzung für die Tätigkeit in diesen Bereichen sein wird. Ein Schub in der Digitalisierung allgemein ist auch durch die Corona-Pandemie zu verzeichnen. Man denke hier zum Beispiel an Remote-Working und Online-Meetings. Auch die regulatorischen Anforderungen werden diesen Bereich prägen. Hier ist die Einführung des European Single Electronic Formats (ESEF) hervorzuheben.
Wie eng ist der Austausch zwischen WP-Gesellschaften und Universität und an welchen Stellen profitieren beide Seiten voneinander?
Der Austausch zwischen der Universität Mannheim und den WP-Gesellschaften ist für beide Seiten überaus eng und seit Jahrzehnten fest etabliert. Die Zusammenarbeit reicht dabei von der Einbindung hochkarätiger Praktiker:innen in die Lehre über gemeinsame Forschungsprojekte bis hin zu Recruitingveranstaltungen und der Karriereunterstützung unserer Studierenden. Somit profitieren alle Seiten auf vielfältige Weise von dieser Partnerschaft. Darüber hinaus prägen an der Universität Mannheim zwei äußerst erfolgreiche Initiativen die Kooperation mit der Praxis: zum einen der Verein „Mannheimer Forum Accounting & Taxation e.V.“ (MaFAT), der – neben der Intensivierung des Austauschs zwischen Studierenden, Fakultät und Ehemaligen – vor allem ein Kommunikationsforums mit Unternehmen schaffen will. Zum anderen bietet die Mannheim Business School den Mannheim Master of Accounting & Taxation an. Der praxisorientierte, berufsbegleitende Studiengang wurde in engem Dialog mit den Big 4 entwickelt, bietet einen verkürzten Weg zum Wirtschaftsprüferexamen und weist eine beeindruckende Bilanz auf: mehr als 700 Studierende haben das Programm bereits absolviert, Alumni wurden bereits zu Partnern und Vorstandsmitgliedern befördert oder arbeiten in Führungspositionen bei den Big 4 sowie in mittelständischen Gesellschaften.
Wie hat sich die Rolle der Prüfungsassistenten in den letzten Jahren verändert und als wie reizvoll gilt dieser Einstieg heute?
Hochschulabsolvent:innen mit adäquaten Kenntnissen in den Bereichen Rechnungswesen, Steuern beziehungsweise Wirtschaftsprüfung werden von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mehr denn je gesucht und umworben. Seit geraumer Zeit wird das Berufsfeld der Wirtschaftsprüfung um zwei wesentliche Dimensionsfelder erweitert, die in der Zukunft eine noch größere Rolle spielen werden als heute und die die Attraktivität für Berufseinsteiger:innen deutlich erhöhen. Da ist zum einen die zentrale Rolle des Themas „Nachhaltigkeit“ für die strategische Ausrichtung, die Governance, die Steuerung sowie die Berichterstattung von Unternehmen. Diese führt dazu, dass auch eine Fülle von nicht-finanziellen, häufig auch qualitativen Parametern in der Unternehmensführung sowie bei der Prüfung von Unternehmensberichten wichtig werden. Hierdurch steigt zwar die Komplexität der Prüfungstätigkeit, gleichzeitig werden aber die Tätigkeitsfelder und Karrierewege vielseitiger, da sie sich nicht nur auf das Gebiet des finanziellen Rechnungswesens beziehen. Ein ähnlicher Effekt ergibt sich durch die gewachsene Bedeutung der Digitalisierung, die nicht zuletzt auch den Prüfungsinhalt sowie die Prüfungsansätze und -methoden wesentlich prägt. Auch dies erhöht die Attraktivität der Wirtschaftsprüfung für Hochschulabsolvent:innen, da Kompetenzen auf dem Gebiet der Informatik und der Data Science einen Berufseinstieg deutlich erleichtern und die Tätigkeit in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch für nicht auf dem Gebiet des Auditing spezialisierte junge Leute ermöglichen und reizvoll machen. Schließlich zeigt sich deutlich, dass die Modularisierung des Wirtschaftsprüferexamens von jungen Prüfungsassistent:innen äußerst positiv beurteilt wird.