Es gibt nicht nur die Big Four
high potential hat sich unter den mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften umgehört und zeigt, worauf sie Wert legen, welche Perspektiven sie im Gegenzug bieten und welche Rolle die KI in der Zukunft der Wirtschaftsprüfer spielen wird.
Wer einen Berufseinstieg bei einer Wirtschaftsprüfung plant, dem fallen auf Anhieb die Big Four ein. Doch auch ein Blick auf mittelständische Wirtschaftsprüfer lohnt sich. Sie können unter anderem mit einer vertrauensvollen Unternehmenskultur punkten. Die dhpg, ein mittelständisches Beratungsunternehmen mit dem Kernfeld Wirtschaftsprüfung, sieht die Unternehmenskultur als ein ausschlaggebendes Kriterium für zufriedene Mitarbeiter. „Der wertschätzende Umgang mit Mandanten und Kollegen ist uns eine Herzensangelegenheit. Basierend auf diesem Gedanken haben wir uns ein umfassendes Leitbild gegeben, das die Kompetenz und den hohen Qualitätsanspruch ebenso hervorhebt wie die offene Umgangsweise und die Freude an der Arbeit. Denn nur, wer etwas gerne macht, macht dies auch besonders gut“, erzählt Prof. Dr. Norbert Neu, Partner und Sprecher der dhpg.
Zudem legen mittelständische Wirtschaftsprüfungen Wert auf eine interdisziplinäre Arbeitsweise. Das bedeutet für junge Berufseinsteiger, dass sie ein breites Spektrum an Aufgaben und Mandanten kennenlernen. Ein weiteres Argument ist die Work-Life-Balance. Besonders Absolventen ist das, laut einer Studie des trendence Instituts, wichtig. Ein positives Beispiel, wie sich eine gute Work-Life-Balance auf die Mitarbeiter auswirkt, zeigt die dhpg. Während Berater in der Consultingbranche meist vier Jahre bei einem Unternehmen bleiben, sind sie bei der dhpg doppelt so lang. „Mehr als 8 Jahre sind die Mitarbeiter durchschnittlich bei uns. Somit begleiten wir sie über verschiedene Lebensphasen hinweg. Für jede Lebenssituation suchen wir in engem Austausch mit den Mitarbeitern flexible Lösungen“, berichtet Professor Neu.
Mittelständische Wirtschaftsprüfungen können mit einer guten Work-Life-Balance bei Nachwuchskräften punkten
Aufgrund eines überproportional starken Wachstums an Beratungseinheiten ist es nicht verwunderlich, dass auch viele Wirtschaftsprüfer für ihre Klienten beratend tätig sind. Durch die zusätzliche Möglichkeit als Berater zu arbeiten, eröffnen sich neue Karrierewege für Absolventen. Allerdings gibt es Unterschiede in den Anforderungsprofilen der Bewerber. „Bei einem Berufseinstieg in der Wirtschaftsprüfung ist für uns der Wirtschaftsprüfungsschwerpunkt und die entsprechenden Studieninhalte wie Bilanzierung und Rechnungslegung wichtig. Damit unterscheidet sich das Anforderungsprofil zu einem Absolventen, der in die Beratung einsteigen möchte. Hier ist besonders der finanzwirtschaftliche Schwerpunkt im Studium, sprich Investitionsrechnung oder Unternehmensbewertungen wichtig“, erzählt Rainer Bongarth, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Steuerberatergesellschaft RSM.
Patrick Oelze, Senior Manager bei der Wirtschafts- und Steuerberatergesellschaft Mazars (Stand Februar 2022) ergänzt, dass Bewerber – für den Bereich Prüfung wie für zukünftige Berater – erkennen lassen sollten, dass sie in der Lage sein werden, die Wertschöpfungskette der Mandaten zu verstehen. „Zum Profil gehört außerdem, dass sich die zukünftigen Prüfer und Berater selbst organisieren können und Sicherheit in der Kommunikation mit dem Team und den Mandanten mitbringen. Sie müssen Schnittstellen managen können und in der Wahl der Arbeitsmethoden kreativ und zielsicher sein, um – am Beispiel der Wirtschaftsprüfung – eine effektive, aber auch eine effiziente Prüfungsdurchführung zu gewährleisten“, führt Patrick Oelze aus.
Doch was ist, wenn man das Studium gemeistert hat, bereit für den Berufseinstieg ist und einem dann die Künstliche Intelligenz (KI) in die Quere kommt? In letzter Zeit wird oft diskutiert, dass KI viele der klassischen Prüfungstätigkeiten übernehmen könne und somit den Menschen überflüssig mache. Werden dann Nachwuchskräfte überhaupt noch gebraucht? Rainer Bongarth von RSM gibt Entwarnung: „Software-Lösungen werden immer komplexer und komplizierter, sodass gerade für die Untersuchungen schlaue Köpfe gefragt sind und Menschen somit niemals überflüssig werden.“
KI wird den Menschen nur unterstützen, aber nicht ersetzen können
Dem stimmt auch Patrick Oelze zu und gibt einen Einblick zum derzeitigen Stand der KI bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften: „KI ist ein Bestandteil der digitalen Transformation im Berufsfeld der Wirtschaftsprüfung. Basierend auf heute schon existierenden und genutzten Methoden des Dataminings wird KI uns in naher Zukunft einen Großteil der Arbeit bei der Beurteilung der Ergebnisse von Datenanalysen abnehmen. KI wird dabei insbesondere die derzeit noch manuell vorgenommene Evaluierung von Ergebnissen solcher Analysen anhand bekannter Muster übernehmen können und darüber hinaus aus vorhandenen Datenstrukturen auch eigenständig und in explorativer Form Erkenntnisse ableiten, die wir derzeit noch nicht mit klassischen Verfahren der Prüfungstechnik generieren können.“ Damit ist für Patrick Oelze aber auch klar, dass es weiterhin erforderlich sein wird, die Erkenntnisse in den Kontext der Gesamtsituation eines Mandanten zu setzen und hinsichtlich der Auswirkung auf die Prüfungsergebnisse zu bewerten – und das können nur Menschen. Außerdem schafft der persönliche Kontakt zwischen Prüfer oder Berater und dem Mandant Vertrauen und gibt ihm Sicherheit. Es kann individuell auf die Bedürfnisse der Mandanten eingegangen werden, etwas das die KI niemals kann.
„Allerdings wird sich das benötigte Skill-Set der Menschen, die wir für die beschriebenen Aufgaben einsetzen werden, deutlich von dem Profil heutiger Mitarbeiter unterscheiden. Künftig werden wir verstärkt Mitarbeiter benötigen, die neben rein betriebswirtschaftlichen Kenntnissen auch ein tiefer greifendes Verständnis für Datenstrukturen sowie ein Prozessverständnis bezüglich Datenverarbeitung und systemübergreifendem Datenmanagement mitbringen”, so Mazars-Manager Oelze. Diese Kenntnisse würden immer wichtiger, um den Prüfungsansatz und die dafür verwendeten Lösungen mit den Systemen und Datenströmen im Umfeld des Mandanten wirksam zu verzahnen. Darüber hinaus würden Mitarbeiter für die bereits erwähnte kontextbasierte Evaluierung von Ergebnissen aus KI-unterstützten Lösungen benötigt.
Da der Mensch bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht überflüssig wird, bleibt noch eine Frage: Welche Vorteile hat es, bei einem Wirtschaftsprüfer auch beratend tätig zu sein? Marco Ehlert, Partner bei Mazars erklärt, welche Vorzüge ein mittelständischer Wirtschaftsprüfer mit sich bringt: „Der unternehmerische Gesamtzusammenhang wird immer wichtiger. Für unsere Mandanten bietet es Vorteile, dass wir über unsere Kerntätigkeiten Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung hinaus beraten können. Unsere Berater verknüpfen das Verständnis von IT und Business-Prozessen wie in den Bereichen Finance, Einkauf und Vertrieb sehr stark und verstehen das Geschäft der Kunden. Ohne diese profunde Kenntnis könnten wir weder als Wirtschaftsprüfer noch im Bereich AOS Services aktiv sein.“
Als Wirtschaftsprüfer auch beratend tätig sein, bringt viele Vorteile mit sich
Während in der Prüfung in den letzten Jahren die Tagessätze eher gesunken sind, wird die Beratung zur Cash Cow für die WP-Gesellschaften. Was bedeutet das für den Berufseinsteiger? Hat eine WP-Ausbildung sogar Vorteile, wenn man später in die Beratung wechseln möchte? Rainer Bongarth von RSM bejaht dies und sieht viele Vorteile darin, als Wirtschaftsprüfer auch beratend tätig zu sein: „Die Ausbildung eines Wirtschaftsprüfers bringt viele Vorteile mit sich, beispielsweise ein fundiertes Wissen über internes, externes Rechnungswesen sowie Bilanzierung. Das erlernte Wissen aus der Ausbildung kann man für eine Beratungstätigkeit nutzen und ist somit anderen Beratern ohne Wirtschaftsprüfer-Background deutlich überlegen.“
Wer eine Karriere in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft starten möchte, hat gute Aussichten. Es muss nur noch der Start gemeistert werden, doch wie? „Ein guter Einstieg kann dann gelingen, wenn für beide Seiten klar ist, dass die Bewerbungsphase mit der Vertragsunterschrift nicht aufhört. Unsere Führungskräfte sind darauf geschult, neue Mitarbeiter gut ins Team zu integrieren. Unser Nachwuchs kann sich darauf verlassen, eine gute Einarbeitung zu erhalten, die ihm den Einstieg ins Unternehmen erleichtert. Umgekehrt erwarten wir von unseren Mitarbeitern, als Botschafter des Unternehmens im Sinne unserer Werte zu agieren“, verrät Prof. Dr. Norbert Neu, Partner und Sprecher der dhpg.
Patrick Oelze ergänzt zur Frage nach den Berufsperspektiven: „Unsere Branche ist im Wandel: Aufgeschlossenheit für neue Methoden und Ansätze und eine damit verbundene Bereitschaft zur aktiven Partizipation an Veränderung bezüglich des eigenen Tätigkeitsprofils als auch der Organisation, ist essenziell. Das berücksichtigen wir selbst bei der Auswahl unserer zukünftigen Mitarbeiter und Kollegen.“