Einen Bedarf an Wirtschaftsprüfern wird es immer geben – lediglich die gesuchten Kompetenzen des Berufsbilds werden sich verschieben. Daher ist es wichtig schon während des Studiums darauf zu reagieren. Prof. Klaus Henselmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg findet eine praktische Ausbildung während des Studiums sehr wichtig und erzählt im Interview wie er dies mit seinen Studierenden umsetzt.
Herr Prof. Henselmann, welche Änderungen erwarten die Wirtschaftsprüfungsbranche in den kommenden Jahren?
Die Arbeit wird der Branche nicht ausgehen, denn die Nachfrage besteht einerseits aufgrund gesetzlicher Anforderungen (die eher mehr als weniger werden), andererseits durch den hohen Beratungsbedarf der Wirtschaft. Die Art der Beratung variiert durchaus, je nach Konjunkturlage: In guten Zeiten Börseneinführungen und Unternehmenskäufe, in schlechten Zeiten Sanierungskonzepte und Wertminderungstest. Hinzu kommt generell die digitale Transformation der Wirtschaft. Dazu muss die Branche permanent genügend gute Nachwuchsmitarbeiter finden. Herausfordernd wird es auch sein, den Spagat zwischen einer kostengünstigen Durchführung der Prüfung und einem verlässlichen Prüfungsurteil zu meistern. Das kann über eine hohe Digitalisierung der Prüfung erfolgen, welche aber auch neue Tools erfordert.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei? Welche Kenntnisse sollten sich Studierende nun unbedingt aneignen?
Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation erfährt auch das Prüfungswesen einen tiefgreifenden Wandel. Unabhängige Softwarehäuser und größere WP-Gesellschaften investieren derzeit massiv in die Digitalisierung der Abschlussprüfung. Um die künftigen Anforderungen besser zu meistern, sind Kenntnisse in folgenden Bereichen nützlich: SAP-System, ESEF und E-Bilanz, Journal Entry Testing, Process Mining, Statistiksoftware, Data Analytics (zum Beispiel mit R, Python oder Rapidminer), Text Mining, Datenbanksysteme, IT-Sicherheit.
Wenn Studierende Sie fragen würden, welchen Reiz die Wirtschaftsprüfung für Sie ausmacht, welche Punkte könnten Sie ihnen sofort nennen?
Erstens: Es wird nicht langweilig, denn statt jahrelanger Routinetätigkeiten wächst man immer an neuen Projekten und zunehmender Verantwortung. Zweitens, und von vielen unterschätzt: Man macht Karriere nicht auf Kosten anderer; es gibt kein gegenseitiges Stühlesägen im Wettlauf um die nächste Beförderung. Wer es möchte, macht in der Branche automatisch Karriere, indem er/sie entsprechende Weiterbildungen besucht und gegebenenfalls Prüfungen ablegt. Drittens, durch den angesammelten Erfahrungsschatz wird man auch außerhalb der Branche ein gesuchter Arbeitnehmer. Viele Beratungsfelder sind äußerst spannend, aber eine solide Grundlage erwirbt man häufig zunächst in der normalen Prüfung.
Vermitteln Sie Studierenden neben theoretischem Wissen auch praktische Fertigkeiten, um beim Berufseinstieg optimal vorbereitet zu sein?
Es geht in unseren Veranstaltungen nicht nur darum, dass man etwas weiß, sondern dass man auch etwas (anwenden) kann. Über zusätzliche Fallstudien durch Lehrbeauftragte und Honorarprofessoren (alle arbeiten unentgeltlich) sowie Gastvorträge und Workshops ist die Lehre im engen Kontakt mit der Praxis. Der „Wegweiser Digitalisierung“ weist auf entsprechende Kurse am eigenen Lehrstuhl, am Fachbereich oder auch empfehlenswerte Onlineangebote durch Dritte hin. In Bachelor-, Seminar- und Abschlussarbeiten werden häufig Themen zur Digitalisierung bearbeitet und prototypisch Algorithmen zur Datenauswertung entworfen. Weitere Anregungen ergeben sich aus meiner jahrelangen Tätigkeit für die Wirtschaftsprüferkammer (Aufgabenkommission für das Wirtschaftsprüferexamen), die Bundessteuerberaterkammer (Seminare, Arbeitsgruppe), den Berufsverband für Unternehmensbewerter EACVA sowie XBRL Deutschland e.V. (Strategiebeirat).
An welchen Fragestellungen arbeiten Sie an Ihrem Lehrstuhl gerade besonders intensiv?
Neben der Unternehmensbewertung sind das alle Fragen rund um die digitale Finanzberichterstattung, also Datenformate bei der Erstellung, Datenanalysen bei der Prüfung und Auswertungen für ein Kreditrating oder für Anlageempfehlungen.
Es gibt ja auch eine Zeit nach dem Studium. Wie findet ein Berufseinsteiger heraus, welche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am besten zu einem passt?
„Wer passt gut?“ Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort, denn die Vorstellungen sind verschieden. Manche mögen später vielleicht lieber mittelständische Mandanten aus einer Hand in allen Fragestellungen betreuen, andere werden gerne Spezialist in einem engen Fachgebiet. Schon wegen der Vorbereitung auf Berufsexamina müssen alle Arbeitgeber in der Breite eine solide Ausbildung anbieten, entweder alleine oder durch Kooperationen. Wie das Training „on the job“ läuft, hängt auch eher von den zuständige Mentoren Frau Meier oder Herrn Müller ab. Im Zweifel gilt „probieren über studieren“ durch ein oder zwei Praktika.
Durch die Digitalisierung verschieben sich bestimmt auch die Kompetenzen, nach denen Arbeitgeber suchen. Worauf werden Arbeitgeber der WP-Branche in Zukunft achten, wenn Sie Kandidaten beurteilen?
Der „Hakelmacher“ mit einem Koffer voller Ordner gehört der Vergangenheit an. Es ist zu erwarten, dass im Zuge der Automatisierung einfache Tätigkeiten von Maschinen beziehungsweise Programmen ausgeführt werden. Zeitgleich wird der Bedarf an Expertenwissen steigen, um die die Ergebnisse dieser Algorithmen zu interpretieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Es kann nicht schaden, hier schon Initiative gezeigt zu haben. Wichtig sind neben Fachkenntnissen auch Neugier und Offenheit für Neues. Gutes Englisch ist ein „Muss“. Wenn man zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, sollte man vorher Informationen über die Situation vor Ort einholen. Das Gespräch könnte auch über die eigene Abschlussarbeit oder aktuelle Berichte/Nachrichten in der Wirtschaftspresse gehen.
Klaus Henselmann studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und der University of Aston in Birmingham, Großbritannien. Nach Promotion und Habilitation in Bayreuth nahm er 1997 einen Ruf an die Technische Universität Chemnitz an. Seit 2006 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen und Prüfungswesen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit übt er weitere Funktionen in Verbindung zur beruflichen Praxis aus:
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- Mitgründer und langjähriges Vorstandsmitglied der EACVA (“European Association of Certified Valuators and Analysts”), einem Berufsverband für Unternehmensbewerter
- Dozent bei den Executive MBA-Programmen der WiSo-Führungskräfte-Akademie (WFA)
- Durchführung von Weiterbildungsseminaren und Workshops, u.a. für die BStBK
- 2013-2018 Mitglied der Aufgabenkommission der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) für das WP-Examen sowie der Widerspruchskommission
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Mehr zum Studium an der FAu findet ihr auch in diesem Beitrag.