Neben den viel angepriesenen Skills in digitalen Tools und IT-Know-how, sollten angehende Absolventen nicht vergessen, dass es auch noch andere Fähigkeiten gibt, die keinesfalls in den Hintergrund rücken sollten. Welche das genau sind und dass neben einer theoretischen Ausbildung auch praktische Weiterbildungen sinnvoll sind, erzählen euch Prof. Dr. Bettina Schneider von der FH Aachen und Prof. Dr. Wilhelm Schneider von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in unserem Interview.
Auf welche großen Herausforderungen müssen sich angehende Wirtschaftsprüfer in den kommenden Jahren einstellen?
Aus unserer Sicht ist neben den zunehmenden regulatorischen Änderungen die rasch fortschreitende „Digitalisierung“, die zum Beispiel auch die Diskussion über die Vollprüfung ausgelöst hat, eine wesentliche Änderung in der Herangehensweise der Prüfer. Zusammen mit der Prüferrotation führt dies u.E. dazu, dass sich die Prüfer in immer kürzeren Abständen in immer komplexer werdende Anforderungen bei sich ständig verschärfender Haftungsproblematik einarbeiten müssen. Hierzu trägt auch das immer komplexer werdende Regelwerk der IFRS bei. Aktuell dürfte der Skandal um Wirecard erneut die Diskussion um die vielbeschworene „Erwartungslücke“ an das Testat befeuern.
Stichwort Digitalisierung: Mit welchen Änderungen müssen angehende Absolventen rechnen und welche Fähigkeiten sollten sie sich aneignen?
„Digitalisierung“ empfinden wir nach „Shareholder Value“ und „Nachhaltigkeit“ als die nächste Management Mode, die durchs Dorf (neudeutsch „die Community“) getrieben wird. Allerdings stecken dahinter umfassende Änderungen in Unternehmen, die von künftigen WPs grundlegende Kenntnisse von IT-Strukturen und -Prozessen erfordern, um die Ergebnisse von Datenanalysen beurteilen zu können. Der virtuose Umgang mit WhatsApp auf dem Smartphone macht Studierende noch nicht zu „Digital Natives“.
Letztlich müssen die Absolventen in der Lage sein, sich in komplexe Anwendungsprogramme (zum Beispiel ERP-Systeme wie SAP) einarbeiten zu können – Excel und vor allem Access als Datenbankprogramm sind schon mal ein guter Start. Viel wichtiger sind jedoch die analytischen Fähigkeiten, die Ergebnisse der Programme auch noch plausibilisieren zu können, ein sicheres Urteilsvermögen und die oben genannte Teamfähigkeit. Wir gehen davon aus, dass hier die Zusammenarbeit von Absolventen betriebswirtschaftlicher und informationstechnischer Studiengänge noch deutlich wichtiger werden wird.
Warum würden Sie Studierenden einen Einstieg in die Wirtschaftsprüfung empfehlen?
Reizvoll sind vor allem die Breite möglicher Einsatzfelder und die Möglichkeit auch zwischen diesen Einsatzfeldern zu wechseln. Außerdem ist jedes Unternehmen anders, so dass immer neue Fragestellungen zu beurteilen sind und die Arbeit dadurch sehr abwechslungsreich ist. Für uns persönlich ist aber am wichtigsten, dass – anders als oft vermutet – der persönliche Kontakt zum und die Kommunikation mit dem Mandanten einen großen Teil der täglichen Arbeit ausmacht.
Die Überprüfung der Berichterstattung von Unternehmen ist ein zeitloses Geschäft. Hinzu kommt, dass man mit dem geschützten freien Beruf des Wirtschaftsprüfers sich persönliche Freiheiten erhält, die zum Beispiel bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf von Bedeutung sein können. Mit einem WP sind Sie nie arbeitslos – zur Not hängen Sie ein Schild an die Tür!
Ihre beiden Hochschulen wurden in der aktuellen Studie des WGMB als eine der besten im Fach Wirtschaftsprüfung ausgezeichnet. Mit welchen initiativen verknüpfen Sie Praxis und Theorie, um die Studierenden auf das Berufsleben vorzubereiten?
Wir haben seit vielen Jahren eine Lehrstuhlübergreifende Zusammenarbeit vereinbart. Unsere Zusammenarbeit im Projekt „Qua-ARC“ (Quality in Accounting – Aachen Rheinbach Community) ist seit vielen Jahren sehr fruchtbar. Insoweit haben wir uns über die Auszeichnung unserer beiden Hochschulen sehr gefreut. Wir führen sie auf unseren Grundgedanken zurück, eine praxisorientierte Ausbildung zu gewährleisten.
So steht die Anwendungsbezogenheit durch das Lösen von Aufgaben / Fallstudien dabei immer im Vordergrund. Die Studierenden müssen zum Beispiel nicht die letzten Forschungsergebnisse zu einer Verästelung im IFRS 9 auswendig lernen, sondern müssen praktisch anhand einer Aufgabenstellung Finanzinstrumente bilanzieren können – nicht mehr und nicht weniger. Wir versuchen auch im Fach Wirtschaftsprüfung „umgekehrte Aufgaben“ zu stellen, indem wir die Lösung präsentieren und die Studierenden eventuelle Fehler suchen lassen.
Außerdem legen wir großen Wert auf Praxiskontakte durch Vorträge und Workshops von Praktikern im Rahmen unserer Veranstaltungen sowie Praktika und Abschlussarbeiten zu praktischen Fragestellungen, bei denen auch Praktiker Zweitprüfer sein können. Unsere Kooperationen können wir uns aufgrund der Vielzahl von Anfragen aussuchen. Wir legen dabei Wert darauf, dass insbesondere die Studierenden hiervon profitieren und besprechen das vorab mit den Kooperationspartnern. So stehen bei unseren „Unternehmernachmittagen“ Fallstudien aus der Praxis im Vordergrund, die Vorstellung des Unternehmens dauert maximal 30 Minuten. Bei möglichen Kooperationspartnern schätzen wir die Reziprozität – insbesondere auch das konstruktive Reagieren auf konstruktive Kritik. Hiermit kommen nicht alle potentiellen Kooperationspartner zurecht.
Gibt es aktuell Fragestellungen, die Sie aktuell besonders beschäftigen?
Derzeit arbeiten wir vor allem an der Umstellung der Lehre auf digitale Formate – dem ist derzeit alles untergeordnet.
Was raten Sie Studierenden, die nach dem richtigen Arbeitgeber innerhalb der WP-Branche suchen?
Aus unserer Sicht ist das Mikroumfeld mindestens genauso so wichtig wie das Makroumfeld. Wir raten Studierenden immer, schon während ihres Studiums durch Praktika oder Praxissemester potentielle Arbeitgeber kennen zu lernen. Bei Bewerbungsgesprächen sollten Absolventen immer auch mit dem potentiellen Fachvorgesetzten ein Gespräch führen. Darüber hinaus empfehlen wir immer ein mehrwöchiges Praktikum, in dem viel intensivere und ungeschminkte Einblicke möglich sind als bei einem Gespräch, bei dem sich beide Seiten möglichst vorteilhaft präsentieren möchten und können. In den ersten Berufsjahren ist das Sammeln von Erfahrungen und das „Dazulernen“ ebenso wichtig wie Mandantschaft, geschäftlicher Schwerpunkt und die Strategie des Arbeitgebers. Demgegenüber sollten Bekanntheitsgrad und Größe der WP-Gesellschaft von untergeordneter Bedeutung sein.
Wichtig ist dabei, dass insbesondere die Bedingungen zum möglichst zügigen Ablegen der Berufsexamina stimmen. Wenn Ihre künftige Vorgesetzte die Frage: „Kann ich für den StB und den WP Überstunden ansparen?“ ebenso lächelnd mit einem „Ja, selbstverständlich.“ beantwortet, wie die Frage: „Sind die Aufträge so kalkuliert, dass ich auch erbrachte Überstunden aufschreiben darf?“ wissen Sie, dass Sie an der richtigen Stelle sind.
Demgegenüber sollten Sie Hochglanzbroschüren und pauschalen Aussagen von „Zeugen“ („Ich arbeite bei XY, alle vertrauen mir und ich wusste schon in meinem Praktikum, dass für mich nur XY infrage kommt“) grundsätzlich misstrauen. Wir beobachten derzeit, dass im Kampf um die Talente, Werbekampagnen und Imagekampagnen teilweise religiöse Züge („Wir bei …“) annehmen. Es gibt nicht die WP-Gesellschaft, die ihre propagierte Unternehmenskultur überall auch durchhalten kann – wir erinnern die Studierenden immer an eine bekannte WP-Gesellschaft, die im Rahmen der Finanzkrise alle Prüfungsassistenten in der Probezeit entlassen hat.
Welche Skills sollten Absolventen neben digitalem Know-how noch mitbringen, um bei Vorstellungsgespräch zu punkten?
Die guten alten analogen Fähigkeiten stehen noch hoch im Kurs: Gutes Deutsch in den Bewerbungsunterlagen, entsprechende Wahl der Studienschwerpunkte und Auswahl von Lehrstühlen, die eine praxisorientierte Ausbildung anhand von Fallstudien ermöglichen. Kenntnisse des potentiellen Arbeitgebers sowie des Berufsweges zum Wirtschaftsprüfer schaden ebenso wenig wie sicheres Auftreten, korrekte Umgangsformen und die Fähigkeit, auch Fachfragen beantworten zu können.