Genau wie viele andere Branchen entwickelt sich die Wirtschaftsprüfung auch immer weiter. Dadurch stehen Studierende oft vor vielen Fragen, besonders in Bezug auf den Berufseinstieg. Im Gespräch mit Prof. Dr. Schmidt von der Universität Leipzig haben wir ihn zu den Veränderungen der WP-Gesellschaft befragt und worauf Studenten besonders achten sollten.
Durch stetige Veränderungen in der Technik und der Struktur der WP-Gesellschaft entsteht für diese immer neuen Hürden. Welchen Anforderungen muss die WP-Branche sich in den kommenden Jahren stellen?
An oberster Stelle dürfte mit Sicherheit die Digitalisierung als Herausforderung und Chance zu nennen sein. Die Möglichkeit, Big Data zu sammeln, zu analysieren und mithilfe von KI Erkenntnisse zu gewinnen, eröffnet ganz neue Wege zur Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Wirtschaftsprüfung. Die Branche ist durch moderne Systemprüfungen längst Vorreiter der Nutzung digitaler Möglichkeiten. Das liegt nicht zuletzt auch an der fortschreitenden Digitalisierung in der Unternehmenskommunikation, zu der das externe Rechnungswesen gehört. Allerdings darf man hierbei die Notwendigkeit der Entwicklung eines für den Berufsstand unabdingbaren „professional judgement“ nicht unterschätzen. Digitalisierung führt nicht zu Rechnungswesenautomaten, die schlicht Daten algorithmisch zu Bilanzen und weiteren Rechenwerken verarbeiten. Rechnungswesen ist Kommunikation im weitesten Sinne, die insbesondere einen Zukunftsbezug beinhaltet. Modernes Rechnungswesen ist von Schätzungen und Ermessensspielräumen geprägt, deren Plausibilität von der Motivation des Managements abhängt, wie das Unternehmensgeschehen an den Kapitalmarkt gelangen soll. Hier sind Wirtschaftsprüfer als Partner der Mandanten besonders gefordert, die Grenzen auszuloten, bis wohin Entscheidungen des Managements tragbar erscheinen. Ein simples „richtig“ oder „falsch“ gibt es nicht. Gleichwohl gibt es wie in keiner anderen Branche eingrenzende Regulierungen, die beachtet werden müssen.
Sie sprachen bereits die Digitalisierung an. Was kann man als Studierender mit Berufsziel Wirtschaftsprüfer machen, um sich auf deren Auswirkungen am besten vorzubereiten?
Natürlich ist es sinnvoll, im Studium digitales Know-how aufzubauen, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten, die zur Auswertung quantitativer und qualitativer Datenmengen zur Verfügung stehen. Neben den grundständigen Fächern, die den Beruf ausmachen – insbesondere im weiten Fach Rechnungswesen – ist es vorteilhaft, Fächer der Wirtschaftsinformatik fokussiert zu belegen. Die großen WP-Gesellschaften sind allerdings längst auch für reine Datenverarbeitungs-Spezialisten offen. Überhaupt hat sich das Einstellungsverhalten sehr weit auf Absolventen verschiedener Fachrichtungen außerhalb der Wirtschaftswissenschaften ausgedehnt. Dennoch haben nach wie vor Absolventen mit den fachbezogenen Schwerpunkten der Wirtschaftsprüfung Vorteile. Das merke ich deutlich in der Weiterbildung von WP-Nachwuchs. Am wichtigsten bleibt für mich, nicht nur fachliches Know-how zu entwickeln, sondern auch das für den Beruf notwendige „Mindset“. Man ist Partner in einer der wichtigsten Tätigkeiten von Unternehmen: der glaubwürdigen Kommunikation des Unternehmenserfolgs an die Kapitalmärkte … die Grundlage nachhaltiger Kapitalbeschaffung.
So wichtig das fachliche Know-how eines Wirtschaftsprüfers ist, ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche Karriere wird gerne übersehen. Die Wahrnehmung der Abschlussprüfung als „notwendiges gesetzliches Übel“ ist bei Unternehmen weit verbreitet. Rechnungswesen ist vor allem für kapitalmarktorientierte Konzerne eine hochkomplexe Materie geworden, deren „Mehrwert“ durch hohe Qualität häufig nicht wirklich wahrgenommen wird. Folglich ist der Kampf der WP-Gesellschaften am Markt um Mandanten bislang häufig über den Preis zu gewinnen. Mandanten aber von der Qualität zu überzeugen, macht den wirklichen Erfolg einer WP-Gesellschaft aus. Mandantenakquisition ist dabei mehr als eine „Softskill“. Workshops und Seminare, wie erfolgreich verhandelt wird, mithin der Aufbau von Verkaufs- oder Akquisitionskompetenz, ebnen hier den steinigen Weg zum Partner einer WP-Gesellschaft, der eben zentral über das Gewinnen von Mandanten geht.
Worin liegt die besondere Attraktivität der Wirtschaftsprüfung und welche Geschäftsfelder finden Sie persönlich besonders interessant?
Der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist seit jeher einer der vielseitigsten überhaupt. Jeder Mandant ist anders und Routinen sind wohl eher die Ausnahme als die Regel. Das klassische Hakelmacher-Bild gilt im Zeitalter der Digitalisierung schon lange nicht mehr. Die Abwechslung ist hoch, auch wenn gewisse Branchenspezialisierungen oder das Konzentrieren auf spezifische Bereiche, die eine hohe Kompetenz erfordern, im Verlauf der Karriere normal sind. WP-Gesellschaften nutzen ihre Kompetenz bekanntlich, um neben Prüfungsleistungen ein weites Feld an Beratung anzubieten. Mit dem Einstieg in eine Gesellschaft eröffnen sich dadurch viele Möglichkeiten der späteren Betätigung.
Während für die Prüfungstätigkeit eine weitgehende Ausbildung in den Kernbereichen des Rechnungswesens vorteilhaft ist, werden auch junge (noch) eher allgemein ausgebildete Bachelor-Absolventen – auch anderer Fachrichtungen – gerne genommen. Das zeigt deutlich die Vielseitigkeit späterer Arbeitsbereiche. In keinem Berufszweig ist zudem die Weiterbildung intensiver, sodass Defizite aufholbar sind, wenngleich, wie erwähnt, ein fachbezogenes Masterstudium klar von Vorteil und nach wie vor gewollt ist.
Der Weg zum Wirtschaftsprüfer ist durch die Notwendigkeit der Berufsexamina nicht einfach. Aber auch hier haben sich durch die Modularisierung des Berufsexamens und damit die Möglichkeiten einer schrittweisen Entwicklung zum fertigen Wirtschaftsprüfer planbar verbessert. Und sollte dieser Weg dann doch nicht ganz richtig sein, eröffnen sich Mitarbeitern von WP-Gesellschaften grandiose Möglichkeiten der Beschäftigung. Es hat Tradition, dass ehemalige Mitarbeiter bei Mandanten hochrangige Positionen wahrnehmen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich im Zeitalter der Digitalisierung auch in dieser Branche neue Möglichkeiten der Arbeitsflexibilisierung ergeben haben, welche eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern.
Welche Kenntnisse geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg, damit diese nach dem Abschluss des Studiums direkt auch in der Praxis erfolgreich sind?
Das Institut für Unternehmensrechnung, Finanzierung und Besteuerung vertritt die für den Berufsstand wichtigsten Fächer mit eigenen Professuren. Bereits im Bachelor-Studium wird Wert daraufgelegt, hier eine hinreichende Tiefe zu vermitteln. Da die Big 4 WP-Gesellschaften alle in Leipzig vertreten sind, werden regelmäßig von diesen Workshops und Seminare angeboten, die ich bereits im Bachelorstudium integriere. Die Nähe zu Berlin führt in jedem Semester dazu, dass auch von diesen Standorten Wirtschaftsprüfer immer wieder zu Vorträgen und Seminaren erscheinen. Eine der Big 4 hält jedes Sommersemester speziell für Bachelor-Studierende eine eigene Vorlesung. Das gilt im Übrigen nicht nur für meine Professur. Auch an der Professur für betriebswirtschaftliche Steuerlehre sind die Big 4 regelmäßig anwesend, freilich eher mit dem Ziel, Steuerberatungsnachwuchs zu gewinnen.
Die Vertiefungsrichtung der Wirtschaftsprüfung im Masterstudium hat zum Ziel, für die Branche die High Potentials auszubilden. Selbstverständlich sind auch hier die Big 4 regelmäßig vertreten, aber auch die „nächste Reihe“ hochrangiger künftiger Arbeitgeber (etwa Mazar-Röver-Brönner-Susat oder BDO). Fast alle Studierenden in dieser Vertiefung haben einschlägige Praktika, meist aus den Workshops heraus entstanden, und regelmäßig sind Arbeitsverträge vor Beendigung des Studiums bereits unterschrieben.
Mit welchen Fragestellungen befassen Sie sich an Ihrem Lehrstuhl momentan besonders intensiv?
Rechnungswesen als Kommunikationstool zu verstehen, prägt meine Forschung. Wie wird die „Sprache“ tatsächlich wahrgenommen und „interpretiert“, welche Rolle spielen dabei Urteile von Wirtschaftsprüfern? Warum entwickeln sich Regeln der Rechnungslegung, vor allem international, so dynamisch, welche Rolle spielen Big Data und KI innerhalb dieser Dynamik? Kommunikation über die systematische Erfassung von Daten ist im Übrigen kein Spezifikum von Unternehmen. Wir alle betreiben bewusst oder unbewusst Rechnungswesen, etwa wenn wir per App Schritte zählen oder Smartwatch Herzfrequenz oder Ähnliches messen. Die Daten werden verfügbar, interpretierbar und können zu Entscheidungen führen … wenn etwa die Krankenkassen Rabatte bei Prämien gewähren, so regelmäßig Schritte > 10.000 per App gemessen und an die Krankenkasse gesendet wird. Rechnungswesen ist Alltag und verändert immer mehr das Verhalten auch außerhalb von Unternehmenslandschaften. Mehrere Forschungsarbeiten gehen in diese Richtung. Tja, und wo Daten erfasst werden, existieren Anreize zur Manipulation. Und der Wunsch, Vertrauen in die Zahlen zu schaffen … womit wir wieder bei der Prüfung und Testierung werden. Es ist naheliegend, anzunehmen, dass der Prüferberuf mit der Digitalisierung neue Betätigungsfelder und „Business Cases“ auftun wird.
Für Studierende kann der Berufseinstieg viele Fragen aufwerfen. In welchen Aspekten unterscheiden sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und wie kann ich den passenden Arbeitgeber innerhalb der WP-Branche finden?
Tatsächlich sind die Unterschiede in den Unternehmenskulturen der Big 4 gar nicht so groß. Die oligopolistische Struktur der Branche führt bei den großen Gesellschaften zu einer gewissen Homogenität, auch wenn der Marktkampf in den Top 4 trotz der geringen Dichte in dem Segment hart ist. Hinsichtlich der Möglichkeiten der Entwicklung ist die schiere Größe, weltweite Präsenz und die enorme Investition in den Nachwuchs ein klares Plus aller Big 4. Regelmäßig sind die Einstiegsgehälter hier etwas höher gegenüber den nächsten Reihen der WPs, jedoch unter den Vieren nur marginal unterschiedlich. Zudem bestehen generell regionale Unterschiede im Einstiegsgehalt, die jedoch kaum die regionalen Differenzen in der Lebenshaltung auffangen.
Die nächste Reihe der WP ist im Übrigen durchaus eine Überlegung wert. Die oben genannten Gesellschaften sind durch Zusammenschlüsse und Vernetzung hinsichtlich Internationalität und interessanter Mandantschaft sehr spannend. Regelmäßig wird auch hier das gesamte Potpourri an Beratung und Prüfung angeboten und die Investitionen in die Weiterbildung absolut mit den Big 4 vergleichbar. Was einem am besten liegt, zeigt ein Praktikum. Man sollte hierbei streuen, nur so findet jeder für sich selbst heraus, welche spezifische Unternehmenskultur am besten passt.
Worauf legen Arbeitgeber der WP-Branche Ihrer Erfahrung nach bei der Einschätzung der Kandidaten am meisten Wert?
Ich kann nur wiederum dringend anraten, sich bereits im Studium, so früh wie möglich, für ein Praktikum zu entscheiden. So erfahren beide Seiten, ob es auch längerfristig passen könnte. Nutzen Sie Workshops, um Kontakte früh zu knüpfen. Suchen Sie Kontakt zu der Niederlassung, die für Sie interessant erscheint, informieren Sie sich über die Niederlassung. Ein erfolgreiches Praktikum ist mehr wert als die Abschlussnote! Nutzen Sie Workshopangebote an den Hochschulen, sie sind gerade dafür gedacht, Kontakte herzustellen! Scheuen Sie sich nicht, Wirtschaftsprüfer zu fragen, wenn Sie zum Beispiel eine Seminararbeit oder eine Präsentation zu einem WP-Thema bearbeiten. Wenn es auf Noten ankommt, dann in den Kernfächern Rechnungswesen, Prüfungslehre, Controlling oder Finanzierung. Sehr gutes Englisch dürfte für internationale Unternehmen klar sein. Eloquenz, ein souveräner Umgang mit Mandanten, Kontaktfreude und auch Reisefreude (im eigenen PKW!) braucht jeder angehende Wirtschaftsprüfer.
Nichts ist im Übrigen peinlicher, als wenn im Interview fachliche Fragen auf Bachelor-Niveau zum Rechnungswesen nicht beantwortet werden können – die Hausaufgaben sollten vorher gemacht worden sein.
Interviewpartner Prof. Dr. Matthias Schmidt leitet das Institut für Unternehmensrechnung, Finanzierung und Besteuerung an der Universität Leipzig.
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