Was hat Physik mit Unternehmensberatung zu tun?
Karina Bzheumikhova hat Physik studiert und ist seit viereinhalb Jahren als Unternehmensberaterin bei PwC am Thema digitale Transformation tätig. Als Studentin und Forscherin wollte sie ursprünglich einfach nur die Welt verstehen, heute arbeitet sie daran mit, sie zu verändern. Warum das kein Widerspruch ist und sie heute parallel wieder studiert, erzählt Karina Bzheumikhova exklusiv in high potential.
Ich hatte immer schon Forschergeist in mir und wollte nach meinem Abitur ein Fach studieren, das mir die Welt, in der ich lebe, besser erklärt, sodass ich sie besser verstehen und hinterfragen kann. Das war auch der Grund, warum ich Physik studiert habe. An der Humboldt-Universität zu Berlin erwarb ich einen Bachelor und einen Master. Theoretische Teilchenphysik war Thema meiner Masterarbeit. Ganz grob gesagt habe ich mich mit denjenigen Zusammenhängen beschäftigt, die auch am CERN in der Schweiz erforscht werden – ich habe es geliebt, mich genau damit auseinanderzusetzen.
Nach meinem Studium wusste ich, dass ich viele physikalische Aspekte unserer Welt verstehen kann. Aber vor allem war mir klar, dass es noch andere sehr komplexe Zusammenhänge gibt, die durch eine physikalische Beschreibung nicht erfasst oder wiedergegeben werden können. Mich hat dann interessiert, die Welt zusätzlich aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, zu analysieren und sie vielleicht auch etwas mitzugestalten.
„Bei uns ist die Vielfalt der Disziplinen extrem hoch. Dadurch lernt man permanent von den Kollegen – das bereichert mich jeden Tag“
Karina Bzheumikhova, Unternehmensberatin bei PwC
Wenn man Physik studiert, kommt man übrigens häufiger mal mit Unternehmensberatungen in Kontakt. Die Consultingbranche stellt gerne Physiker ein und ist deshalb auch auf dem Campus präsent. Ich dachte mir, dass es interessant sein könnte, dort neue, wirtschaftliche Zusammenhänge, unterschiedliche Branchen und verschiedene Projekte kennenzulernen. Nachdem ich bei der Beratung Infosys meinen ersten Job bekommen hatte, bin ich dann nach kurzer Zeit mit meinen Chefs und einem größeren Team zu PriceWaterhouseCoopers (PwC) gewechselt. Bei PwC bin ich nun im zweiten Jahr Senior Consultant, die nächste Stufe ist dann Manager. Mit viereinhalb Jahren bin ich schon ziemlich lange in der Beratung. Viele wechseln in dieser Phase in die Industrie oder zu anderen Unternehmen. Für mich kommt das aber derzeit überhaupt nicht in Frage, denn das, was ich in meinem Job mache, finde ich total spannend und lerne immer noch sehr viel. Das ist mir auch wichtig.
Am besten nenne ich einfach ein Beispiel: Eines meiner letzten Projekte war eine digitale Transformation in einem Dax30-Unternehmen aus der Chemiebranche. Das war ein sehr großes Digitalisierungsprojekt, das direkt vom CEO angestoßen wurde und viele Unternehmensbereiche betraf. Es ging inhaltlich unter anderem darum, neue Geschäftsmodelle zu definieren. Wir sind mit unserem Team in fast jede Business Unit des Unternehmens gegangen und haben vor Ort nach neuen Geschäftsmodellen gesucht. Das betraf sowohl die Produktion, die IT, den Bereich Human Resources und sogar die Unternehmenskultur. Im Grunde genommen ging es um die gesamte Wertschöpfungskette. Meine Aufgabe war es, die digitalen Fähigkeiten zu definieren, die ein Unternehmen von morgen mitbringen muss. Das betrifft beispielsweise die Bereiche Sales, Marketing, Omnichannel-Fähigkeiten oder im IT-Bereich Big Data und Analytics. Auch die Bereiche Supply Chain und Manufacturing schloss das mit ein.
Die große Herausforderung solcher Projekte besteht darin, dass ein Unternehmen eine IT-Architektur benötigt, die die Datenströme in allen unterschiedlichen Unternehmensbereichen am Laufen hält. Häufig ist es heute so, dass unterschiedlichste, oft inkompatible Systeme zur Anwendung kommen. Das können je nach Unternehmensgröße auch mehrere hundert oder tausend unterschiedliche Systeme sein. Es geht um das Thema Datenintegration oder genauer gesagt: Enterprise Integration und Data Integration. Man schafft diese Datenintegration meist über eine sogenannte Middleware, die diese unterschiedlichen Quellsysteme wie SAP oder Microsoft dazu bringt, gut und vernetzt in allen Unternehmensteilen zu arbeiten.
Ich unterstütze meinen Kunden dabei, die IT-Architektur zu dem neuen Geschäftsmodell zu designen und begleite ihn bei der Implementierung. Autohersteller beispielweise werden zukünftig ihre Autos vielleicht gar nicht mehr an Endkunden verkaufen, sondern sie dem Kunden einfach gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung stellen, wie man das heute schon von Carsharingmodellen kennt.
Was mir an meinem Job übrigens mit am meisten Spaß macht, ist die Arbeit in unserem vielfältigen Team. Bei uns arbeiten Wirtschaftswissenschaftler, Physiker, Informatiker, Mathematiker, Wirtschaftspsychologen, Mediziner, Ingenieure und sogar ein Kommunikationswissenschaftler und ein Geograph. Diese Vielfalt ist für mich persönlich extrem bereichernd, weil es mein Wissen stetig vermehrt. Unser im Schnitt dreißig Jahre junges Team ist auf ganz Deutschland verteilt, arbeitet aber sehr eng zusammen. Heute, in der digitalen Welt kann man vieles wunderbar remote machen. Hierfür nutzen wir Google Hangouts, Trello und andere Kollaborationstools. Wir treffen uns aber mindestens alle drei Monate, um wichtige Themen, die das ganze Team betreffen, zu besprechen und natürlich auch unsere Erfolge zu feiern. Was uns außerdem wichtig ist, ist eine flache Hierarchie. Hierzu haben wir uns im Team in sogenannten Pods organisiert. Pods sind kleine Einheiten bis zu sieben Teammitgliedern. Jedes Pod beschäftigt sich mit einem bestimmten Thema, zum Beispiel Recruiting, Thought Leadership oder Go-to-Market. Das Besondere daran ist, dass die Pods eigenständig agieren und Entscheidungen zu diesem Thema treffen. Diese werden an das gesamte Team weitergegeben und bleiben nicht an der Spitze der Pyramide.
Aber das, was ich am meisten an meinem Team schätze, ist das Vertrauen und die Fürsorge, die jeder für den anderen hat. Ich könnte niemals in einem Team arbeiten, das auf einer Ellenbogenkultur basiert. Ich vertraue meinen Kollegen so sehr, dass ich sogar mit einer zusammen wohne. Über die Jahre sind wir enge Freunde geworden und haben eine WG aufgemacht. Aber keine Sorge, das ist nicht Pflicht bei PwC.
„Ich schätze die Flexibilität von PwC sehr. Eine Siebzig-Prozent-Stelle erlaubt mir heute sogar, parallel Mathematik zu studieren“
Karina Bzheumikhova, Unternehmensberaterin bei PwC
Außerdem sind die Rahmenbedingungen für mich wirklich cool. Ich habe in meiner Zeit bei PwC in der Regel jeden Tag nach acht Stunden aufgehört zu arbeiten. Klar, es gibt gegen Ende des Projektes auch mal Tage, an denen man zehn Stunden arbeitet, aber das ist wirklich die Ausnahme. Das ist mir wichtig, denn ich will ja nach einem Arbeitstag, an dem ich etwas geleistet habe, auch Sport machen und mal feiern gehen. Das gehört zum Leben einfach dazu. Außerdem lese ich gerne und dazu benötigt man ebenfalls Zeit. Als Teil der Generation Y möchte ich gerne zeigen, dass wir Leidenschaft, Ambitionen, Integrität, Frechheit und ein bisschen gesunden Hedonismus in uns vereinen.
Die Welt zu verstehen, treibt mich immer noch an. Deshalb studiere ich wieder parallel zu meiner Beratertätigkeit. Ich bin zu meinem Chef gegangen und habe mit ihm ausgehandelt, dass ich eine Siebzig-Prozent-Stelle bekomme. Das war übrigens nicht schwer durchzusetzen – ganz im Gegenteil. Ich bin jetzt dreieinhalb Tage in der Firma, wovon ich aber nur drei Tage zu Kunden reise. Donnerstags und freitags bin ich in der Uni in Berlin und studiere Mathematik. Das fühlt sich momentan für mich richtig gut an und ich verstehe wieder ein bisschen mehr von der Welt, die uns umgibt.
Titelbild: © cydonna/photocase.com
Karina Bzheumikhova, 29, hat einen Bachelor und Master in Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin erworben und arbeitet derzeit als Senior Consultant bei PwC.