Sie fliegen oft unter dem Radar für Absolventinnen und Absolventen, sind aber so etwas wie der Geheimtipp für Einsteiger in die Wirtschaftsprüfung: Genossenschaftliche Prüfungsverbände. Für den Verband bayerischer Wohnungsunternehmen erklären die Wirtschaftsprüfer Andreas Pritschet und Robert Dobroschke, warum der Dreiklang aus gemeinwohlorientierten Aufgaben, rücksichtsvollen Arbeitszeiten und einer sehr fairen Bezahlung so überzeugend ist.
Viele Studierende, die eine Karriere im Audit-Bereich anstreben, haben Genossenschaftliche Prüfungsverbände noch nicht wirklich auf dem Radar. Woran könnte das liegen?
Andreas Pritschet: Wir sind sehr besonders und wir sind in dem, was wir tun, einfach sehr gut. In gewisser Weise also typisch deutscher Mittelstand, der gezielt eine Nische – hier die Prüfung und Beratung von Genossenschaften – bedient und dieses mit Know-how auf höchstem Niveau beherrscht. In der öffentlichen Wahrnehmung kann man das vielleicht am besten mit der Industrie in Deutschland vergleichen: Siemens kennt jeder, URACA, einen Spezialanbieter für Höchstdruckpumpen, kennen die wenigsten. Genossenschaftliche Prüfungsverbände sind auch kleinteiliger organisiert. Häufig spezialisieren sich Genossenschaftliche Prüfungsverbände auf bestimmte Regionen und/oder Branchen. So ist der VdW Bayern regional auf Bayern fokussiert und branchenspezifisch auf die Wohnungswirtschaft.
Beschreiben Sie doch bitte, was die Arbeit für einen Genossenschaftlichen Prüfungsverband generell ausmacht?
Robert Dobroschke: Eine Besonderheit besteht darin, dass Genossenschaftliche Prüfungsverbände in der Regel in der Rechtsform des Vereins organisiert sind – so wie der örtliche Sportverein. Anstelle von ambitionierten Sportlern sind die Vereinsmitglieder aber gleichzeitig die zu prüfenden Mandanten. Genossenschaftliche Prüfungsverbände arbeiten nicht gewinnorientiert, sondern sind ihren Mitgliedsunternehmen verpflichtet. Das schafft natürlich eine ganz andere Arbeitsatmosphäre: Sowohl im Prüfungsteam als auch auf Mandantenseite.
Überhaupt ist es immer wieder schön zu erleben, dass man nicht als lästiger Prüfer, sondern als geschätzter Ansprechpartner und Berater wahrgenommen wird. Unsere Mitgliedsunternehmen wollen einfach einen guten Job machen, und wir können sie tagtäglich dabei unterstützen. Ähnlich wie „der Verband“ arbeiten auch unsere Mitglieder meist nicht gewinnmaximierend. Im Fall des VdW Bayern sind die Mitglieder Wohnungsunternehmen, die Menschen ein bezahlbares Zuhause bieten. Nicht umsonst ist unser Motto seit über 111 Jahren: gut und sicher wohnen.
Was genau macht der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen?
Andreas Pritschet: Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, insbesondere ausgehend von den Arbeitervierteln, erste Wohnungsbaugenossenschaften, die Abhilfe bei der Wohnungsnot versprachen. Hilfe zur Selbsthilfe war das Motto – was damals wie heute Gültigkeit besitzt. Um Missbrauch aller Art zu vermeiden, betrieben seriöse Genossenschaften aus eigenem Antrieb den Zusammenschluss und die Schaffung von Kontrollinstanzen: Genossenschaftliche Prüfungsverbände waren geboren.
Wie wirkt sich dies auf die Unternehmenskultur des VdW aus?
Robert Dobroschke: Unsere Mitglieder stehen für uns ganz klar im Fokus. Erfreulicherweise laufen die meisten Prüfungen mit viel Wertschätzung und auf Augenhöhe ab. Nicht zu Unrecht nennen wir uns deshalb auch „Die Beratungsprüfer“.
Entsprechend kollegial und auf Augenhöhe ist auch unsere interne Kommunikation. Was unsere Unternehmenskultur sicher auch prägt, ist, dass wir mit unseren Mitgliedsunternehmen leistungsgerechte Budgets und Honorare vereinbaren. Wir arbeiten hier nicht gewinnmaximierend, sondern nutzenmaximierend. Ich denke, das prägt unsere Kultur sehr und damit auch das Miteinander. Dies kommt vor allem auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute, was sich unter anderem in einer im Branchenvergleich sehr geringen Personalfluktuation zeigt.
Herr Pritschet, Ihre Mandanten legen vor allem Wert auf eine persönliche Beratung. Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, welche Fragestellungen dabei behandelt werden?
Andreas Pritschet: Viele Mitgliedsunternehmen schätzen gerade den persönlichen Austausch mit dem Prüfungsteam vor Ort. Die Prüfung ist hier auch Austausch und Wertschätzung: Wie können Geschäftsprozesse verbessert werden? Welche Risikoindikatoren sollten noch beobachtet werden? Was sollte in das Reporting an den Aufsichtsrat aufgenommen werden? Und wie machen das eigentlich andere Wohnungsunternehmen? Aufgrund unserer Spezialisierung auf die Wohnungswirtschaft haben wir hier den Überblick und das Gespür für die jeweiligen Standards.
Außerhalb der klassischen Prüfung bieten wir aber auch zahlreiche Leistungen im Bereich der Prüfungsnahen Beratung an: angefangen bei Immobilien- und Unternehmensbewertungen bis hin zu Due Diligence-Prüfungen im Rahmen von Kapitalerhöhungen oder Share Deals. Häufig unterstützen wir auch im Bereich „Wirtschaftlichkeit von Investitionen“, etwa von einzelnen Bauvorhaben, Kauf- oder Verkaufsprojekten. Zunehmend an Bedeutung gewinnen die Bereiche IT und Recht.
Das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ ist ein ganz zentrales, wie man aktuell auch in der politischen Diskussion feststellt. Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Herausforderungen für Ihre Mitgliedsunternehmen entwickelt?
Andreas Pritschet: Die Konflikte in diesem Bereich sind Inhalt vieler Gespräche: steigende Baustandards und Baustoffpreise, Knappheit von Handwerkern aber auch von geeigneten Grundstücken. Daneben steigen die gesetzlichen Anforderungen immer weiter und der Spielraum im Mietrecht wird immer kleiner.
In den letzten Jahren ist die Wohnungswirtschaft außerdem – und das ausdrücklich auch zurecht – stärker in den Fokus der Nachhaltigkeitsdiskussion geraten: sparsamerer Einsatz von Energie, Verwendung von nachhaltigen Rohstoffen, Reduktion von CO2 Emissionen – das sind die Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen.
Das sind alles richtige und wichtige Themen. Für uns und unsere Mandanten darf das bezahlbare Wohnen dabei aber nicht vergessen werden. Unsere Mitgliedsunternehmen sind bereit, entsprechende Investitionen zu leisten, sie müssen dabei aber durch entsprechende Förderungen unterstützt werden. Bezahlbare Mieten sind sonst vor dem Hintergrund der notwendigen Investitionen nicht stemmbar.
Herr Dobroschke, Sie sind als Praktikant beim VdW Bayern eingestiegen und dort mittlerweile Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Was hat Sie im Praktikum so überzeugt?
Robert Dobroschke: Studiert hatte ich eigentlich Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften; die Gelegenheit für das Praktikum hatte sich eher zufällig ergeben und ich dachte mir, dass es ja nicht schaden könne, sich den Bereich Wirtschaftsprüfung einmal anzuschauen.
Während des Praktikums habe ich mich dann von Beginn an ernst genommen gefühlt. Ich war Teil des Teams und hatte Gelegenheit, mich an Projekten zu beteiligen, Verantwortung zu übernehmen und mich einzubringen. Das hat mir sehr gefallen. Auch die Aufgabenstellungen fand ich sehr spannend und abwechslungsreich, sodass der VdW Bayern nach der Beendigung des Studiums die erste Wahl für mich war.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, dass WP-Berufsexamen zu absolvieren?
Robert Dobroschke: Über Erfahrung und regelmäßige Schulungen ist es natürlich möglich, sich viel Fachwissen aufzubauen und sich so vom Prüfungsassistenten zum Prüfungsleiter weiterzuentwickeln. Die Gesamtverantwortung für die Abschlussprüfung lässt sich aber nur über den Weg der Berufsexamina übernehmen – und diese war mir wichtig.
Wer diesen Weg zum WP-Examen gehen möchte, sollte sich bewusst sein, dass die Freistellungszeiten für die Vorbereitungen auf die Prüfungen zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer elementar sind. Diese Vorbereitungszeiten wurden mir gewährt: Der VdW Bayern bietet an dieser Stelle umfangreiche Unterstützung – auch finanzieller Art – auf dem Weg zum Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer an.
Und selbst wer spürt, dass er oder sie auf diesem Weg dann doch in eine andere Richtung tendiert, sich etwa lieber im Bereich IT-Prüfungen oder Immobilienbewertung spezialisieren möchte, erfährt die erforderliche Unterstützung.
Mit welcher Art Mandantschaft haben Sie es in Ihrer beruflichen Praxis zu tun?
Robert Dobroschke: Bei unseren fast 500 Mitgliedsunternehmen findet man Kleinstmandate, aber auch große Unternehmen in Konzernstrukturen. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen in der Prüfung. Bei den meisten unserer Mandanten ist es so, dass Vorstand und Aufsichtsrat sich als Verwalter fremden Vermögens verstehen, was gerade in der Prüfung eine große Offenheit und Ehrlichkeit uns gegenüber nach sich zieht: Unsere Mandanten wollen nichts verschleiern oder verstecken. Vielmehr kommen die meisten unserer Mandanten vorab auf uns zu und fragen, wie es richtig geht. Gleichwohl wahren wir natürlich unsere kritische Grundhaltung und führen eine risikoorientierte Prüfung durch.
Der VdW Bayern bietet auch Consulting über eine eigene Tochtergesellschaft an.
Andreas Pritschet: In unserer Consultingtochter haben wir ganz unterschiedliche Spezialisten beschäftigt. Dort gibt es Kollegen mit Ingenieurshintergrund, die bautechnische Beratung leisten oder auch Aktuare, die mathematisch-statistisch fundiert im Bereich der Altersversorgung beraten können. Und natürlich arbeiten im Consulting Kollegen, die sich ganz der Organisationsentwicklung widmen: Passen die Prozesse im Unternehmen noch, etwa nach einer Umstellung des ERP-Systems? Unser Ansatz reicht bis hin zur Nachfolgeplanung und Suche von geeigneten Kandidaten. Daneben gibt es aber zum Beispiel auch noch eine Steuerberatungsgesellschaft und eine Gesellschaft, die als sehr agiler und erfolgreicher Versicherungsmakler für unsere Mitgliedsunternehmen tätig ist.
Unsere Leser stellen sich beim Vergleich möglicher Arbeitgeber oft die Frage, welcher Output von ihnen erwartet wird, wie dieser honoriert wird und welche Kultur herrscht. Wie sehen Sie den VdW Bayern diesbezüglich aufgestellt?
Andreas Pritschet: Bezüglich der finanziellen Komponente sehe ich uns sicherlich mehr als konkurrenzfähig. Bei uns werden ein 13. und 14. Monatsgehalt gezahlt, dazu gibt es vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersversorgung, Beihilfeversicherung und einiges mehr.
Wir kümmern uns aber auch intensiv darum, dass unsere Kolleginnen und Kollegen sich bei uns wirklich wohl fühlen. Prüfungen etwa müssen nicht zwingend beim Mandanten vor Ort stattfinden, wodurch wir anstrengende Reisezeiten minimieren. Über unseren „Smart Sync Server“ sind die Prüfungsdateien im Prüfungsteam synchronisiert, über die Cloud-Lösung wird mit dem Mandanten kommuniziert und moderne Kollaborationstools sorgen für die Zusammenarbeit im Prüfungsteam.
Wichtig war und ist uns dabei, neben einer angenehmen Arbeitsatmosphäre auch gute Arbeitsbedingungen zu schaffen: Mit angemessener Bezahlung, modernen IT-Tools sowie realistischen Zielvorgaben motivieren wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Innerhalb welcher zeitlichen Freiräume können sich diese bewegen?
Andreas Pritschet: Flexibles Arbeiten im Rahmen der Projektanforderungen ist bei uns der Normalzustand. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind hierbei sehr frei in der eigenen Arbeits- und Zeiteinteilung. Wir sind uns dabei aber der Verantwortung als Arbeitgeber sehr bewusst: Arbeits- und Privatleben vermischen sich heute zunehmend, die Abgrenzung wird schwieriger. Wir achten strukturiert darauf, dass gesetzliche Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden. Auch ausreichende Erholungsphasen sind uns hierbei wichtig. Die bei uns vorliegenden Strukturen nützen nach unserer Überzeugung dem Einzelnen und auch dem Team, denn: Prüfung ist Teamarbeit! Sowohl das Prüfungsteam muss sich austauschen als auch der Kontakt mit dem Mandanten muss sichergestellt sein.
Wie zeigt sich beim VdW Bayern die Digitalisierung in der Prüfung?
Robert Dobroschke: Prüfungen sind zu 100 Prozent remote möglich. Gleichzeitig versuchen wir, uns immer weiter zu verbessern und neue Digitalisierungsprojekte anzustoßen. Die WP-Branche ist insgesamt eher konservativ und häufig müssen auch erst die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden – wie es bei den digitalen Originalprüfungsberichten der Fall war.
Diesen Wandel spüren natürlich auch unsere Mandanten. So gab es teilweise Vorbehalte beim Einsatz der Cloud – diese galt es dann im Gespräch zu entkräften. Der Beratungsbedarf ist hier – über die einzelne Prüfung hinaus – groß.
Ihr Dachverband GdW ist in mehrere Regionalverbänden organisiert, welche in ganz Deutschland Prüfungsleistungen anbieten. Suchen Sie signifikant Berufseinsteiger, wie steigen diese ein und was ist für sie wichtig zu wissen?
Andreas Pritschet: Bei uns in Bayern gab es in den letzten Jahren geradezu einen Gründungsboom von Wohnungsunternehmen. Allein aus diesem Wachstum heraus wollen wir uns personell breiter aufstellen. Daneben, und das betrifft alle Genossenschaftlichen Prüfungsverbände im GdW gleichermaßen, werden in den kommenden Jahren viele Kolleginnen und Kollegen der Baby Boomer-Generation in den verdienten Ruhestand gehen.
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter starten zunächst bei uns als Prüfungsassistenten. Neben einem einschlägigen abgeschlossenen Studium – etwa Jura, BWL oder Informatik – ist das Interesse und der Ehrgeiz, Dinge verstehen zu wollen, entscheidend. Nach meiner Überzeugung und Erfahrung kann man sich problemlos in die spezifischen Themen einarbeiten. Wichtig zu wissen ist sicherlich, dass man über ein Mentorenkonzept immer eingebunden ist in ein herzliches Team und in ein engmaschiges Aus- und Fortbildungskonzept.
Unsere klassische Frage zum Ausstieg lautet: Warum sollte man sich unbedingt als erstes beim VdW Bayern bewerben?
Andreas Pritschet (lacht): Man muss sich nicht unbedingt zuerst bei uns bewerben, ich kann es aber nur jedem empfehlen, sich bei uns zu bewerben. Ich bin überzeugt davon, dass wir ein attraktives Gesamtpaket bieten: interessante Aufgaben, eine Branche, die Gutes tut, Respekt und Wertschätzung im gegenseitigen Umgang.
Abgerundet wird unser Angebot durch Karrieremöglichkeiten: Jeder, der bereit dazu ist, übernimmt bei uns auch Verantwortung und macht entsprechend Karriere – ich selbst habe meine gesamte berufliche Laufbahn im VdW Bayern verbracht und mein Kollege Robert Dobroschke ist das beste Beispiel dafür, wie man sich bei uns vom Praktikanten zum Wirtschaftsprüfer qualifizieren kann.
Die Wirtschaftsprüfung bietet hier meiner Meinung nach den bestmöglichen Einstieg – nirgendwo sonst bekommt man so tiefe und detaillierte Einblicke in unterschiedliche Unternehmen und gewinnt ein Verständnis für Geschäftsmodelle und Unternehmensprozesse. Ob der Weg dann irgendwann in Richtung Consulting, Steuerberatung oder Bewertung führt – das steht bei uns jedem individuell offen.