Ihre Herzensangelegenheit ist das Wohnen der Zukunft: Ulrike Janssen, Geschäftsführerin der LEG Wohnen NRW GmbH. Im Interview erklärt sie uns, welche gesellschaftlichen Fragen ein Wohnungsunternehmen heute stellen muss und dass das Immobiliengeschäft definitiv auch Frauensache ist. Warum dabei Mentoren, Gestaltungsspielräume und Diversität in Teams eine große Rolle für den Erfolg, lest ihr hier.
Frau Janssen, wie sieht ihr bisheriger Werdegang aus? Und was waren Ihre wichtigen Learnings auf diesem Weg?
Ich bin in der Nähe von Leipzig aufgewachsen und habe nach dem Abitur an der Universität Leipzig Betriebswirtschaftslehre studiert – schon mit dem Schwerpunkt Immobilienwirtschaft. Nach dem Studium wollte ich gern weg aus Leipzig und war grundsätzlich offen für alles. Diese Offenheit ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Junge Menschen sollten den Blick regelmäßig nach links und rechts richten, um den richtigen Weg für sich zu finden. Mein Berufseinstieg war dann in einem kleinen Beratungsunternehmen, das heißt, ich musste direkt ins kalte Wasser – kleines Team und Verantwortung für Projekte ab dem ersten Tag.
In einer Rückschau würde ich sagen, dass mein Weg insgesamt recht klassisch verlaufen ist. Nach meiner Beraterzeit habe ich in einem Unternehmen angefangen, welches ich vorher beraten habe, und war dort für den Aufbau eines neuen Tochterunternehmens verantwortlich. Nach der Beratung war mir wichtig, nicht nur Präsentationen und Konzepte zu entwerfen, sondern ich wollte gern Dinge umsetzen und mit Leben füllen. Zudem suche ich gern die Herausforderung.
So einen Weg muss jeder und jede für sich selbst finden und entscheiden, was man erreichen möchte. Ich hatte das Glück, immer eine Art Mentor an meiner Seite zu haben: jemanden, der mich angeschubst, der aber auch das Potenzial gesehen hat, der einen fordert, aber in schwierigen Situationen auch unterstützt. Das ist wichtig, um sich sukzessive in Führungsrollen hineinentwickeln zu können.
Einblicke in ein zukunftsorientiertes Arbeitsfeld
Heute sind Sie Geschäftsführerin bei der LEG Wohnen NRW GmbH, eines Tochterunternehmens der LEG Immobilien SE. Für welche Bereiche tragen Sie Verantwortung und mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich täglich konfrontiert?
Ich bin mit meinem Team direkt für die technische Betreuung der Immobilien zuständig. Daraus ergibt sich ein unglaublich breites Spektrum an Themen: Wir steuern Handwerker:innen und Generalunternehmer:innen und kümmern uns mit eigenen Teams um das Kleinreparaturmanagement. Wir sind für die Modernisierung und den Umbau unserer Gebäudebestände und die Sanierung von leerstehenden Wohnungen zuständig, wir machen das klassische technische Immobilien- beziehungsweise Facility Management sowie das Energiemanagement und den Einkauf.
Das alles geht mit einigen Herausforderungen einher. Als Wohnungsunternehmen sind die Gebäudebestände selbstverständlich der Kern unseres Geschäfts. Wenn wir keine attraktiven, zeitgemäßen Wohnungen anbieten, haben wir weniger Erfolg als Vermieter. Meine Arbeit dreht sich deshalb auch um zentrale Themen unserer Zeit und um gesellschaftliche Fragestellungen: Wie erreichen wir Klimaneutralität, welche technischen Lösungen brauchen wir für das Wohnen der Zukunft? Wie reduzieren wir den Ressourcenbedarf, welche Partner garantieren uns nachhaltige Materialverfügbarkeit und günstige Rahmenverträge? Hinzu kommen Themen, die jede Unternehmensleitung beschäftigen, etwa der Aufbau und das Wachstum von erfolgreichen Teams.
Dies ist nicht die erste Führungsposition, die Sie bekleiden, Sie haben bereits in anderen Immobilienunternehmen Verantwortung übernommen. Was begeistert Sie an dieser in unserer Wahrnehmung eher maskulin geprägten Branche besonders und welche spannenden Aufgaben hält sie Ihrer Meinung nach für junge Absolvent:innen bereit?
Ich würde an dieser Stelle gar nicht die Geschlechterfrage stellen. Bei der LEG haben wir im operativen Bereich zum Beispiel 52 Prozent weibliche Führungskräfte und 43 Prozent weibliche Mitarbeiterinnen. Somit ist unser Unternehmen nicht sonderlich maskulin geprägt. Und diese Quoten kenne ich auch aus meinen vorherigen Tätigkeiten.
Vielmehr muss man an dieser Stelle – neben den Kernfragen aus der Bewirtschaftung – den Blick für neue spannende und strategische Themen öffnen. Hier müssen wir uns stetig weiterentwickeln, neue Impulse aufnehmen und bieten deshalb beispielweise immer mehr mieternahe Dienstleistungen an. Da ist auch Mut und Kreativität gefordert, nicht nur wohnungswirtschaftliche Kenntnisse.
Mich begeistert die Arbeit mit Immobilien, weil sie viele spannende Themen berührt und mich vor immer neue Aufgaben stellt. Ich selbst habe, wie schon gesagt, in einer kleinen Unternehmensberatung angefangen. Dort habe ich mich viel mit Marktanalysen und der strategischen Ausrichtung von Portfolien beschäftigt, um meine Kund:innen bestmöglich zu beraten. Anschließend war ich mehr als zehn Jahre im Property Management tätig – dort habe ich viele verschiedene Unternehmen aus dem Gewerbeimmobilienbereich betreut und musste mich immer wieder in neue Sachverhalte reindenken.
Und nun bin ich bei der LEG – das heißt, ich beschäftige mich mit Wohnimmobilien. Das zeigt aus meiner Sicht sehr gut, welche thematische Bandbreite in der Branche existiert. Allein in einem Konzern wie der LEG gibt es unzählige Themen- und Aufgabenbereiche. Insgesamt ist die Arbeit im Immobilienbereich in den vergangenen Jahren vielseitiger und moderner geworden. Themen wie Digitalisierung und neue Arbeitskonzepte gehen auch an uns nicht vorbei. Der amtierende LEG-Vorstand und alle Führungskräfte haben beispielsweise allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Du angeboten. Das wirkt sich sofort positiv auf das Miteinander aus und wird von den Kolleginnen und Kollegen fast durchgängig gut angenommen.
In welchen Bereichen suchen Sie Mitarbeiter:innen mit Studienabschluss in den kommenden Jahren?
Wir sind stets auf der Suche nach Nachwuchs mit einer fundierten fachlichen Ausbildung. Deshalb entwickeln wir stetig unseren Recruitingprozess weiter, bauen unsere Recruitingkanäle aus und bieten umfangreiche Benefits sowie ein branchenüberdurchschnittliches Gehalt, um die besten Bewerber:innen für uns zu gewinnen. Darauf alleine möchten wir uns aber nicht verlassen. Insbesondere gut ausgebildete Immobilienfachkräfte sind ein wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Wohnungsunternehmen. Daher hat die Ausbildung bei der LEG einen sehr hohen Stellenwert und wir bilden bedarfsgerecht für unser Unternehmen aus. In diesem Jahr haben wir 16 neue Auszubildende zu Immobilienkaufleuten eingestellt. Nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss bieten wir allen Azubis eine Übernahme bei der LEG an. Zusätzlich haben wir unsere Programme für ein duales Studium in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt, etwa im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsinformatik und Facility Management. Mit unseren Neueinstellungen 2021 beschäftigen wir derzeit zehn duale Studierende. In Zukunft werden wir den Fokus hier noch stärker auf die Bestandsbewirtschaftung unserer Immobilien legen. Wir werden immer Bedarf an Fachleuten mit technischem und baulichem Hintergrund haben, wie Bauingenieur:innen, Architekt:innen, Facility Manager:innen oder TGA-Ingenieur:inne
Die komplexe Herausforderung der Diversity im Unternehmen
2019 hat LEG die Charta der Vielfalt unterzeichnet, die sich für mehr Diversität in der Arbeitswelt einsetzt. Im gleichen Jahr ist Ihr Unternehmen jedoch von der AllBright Stiftung kritisiert worden, weil es sich keine ausreichend positiven Ziele für die Besetzung von Führungspositionen durch Frauen gesetzt habe. Was hat sich in Ihrem Unternehmen seitdem verändert?
Eines gleich vorweg: Die Kritik der Allbright Stiftung erfolgte zu der Zeit, als wir noch übergangsweise – im Rahmen des Generationenwechsels in unserem Vorstand – mit Lars von Lackum (CEO) und Dr. Volker Wiegel (COO) einen zweiköpfigen, rein männlichen Vorstand hatten. Inzwischen ist unser Vorstand mit CFO Susanne Schröter-Crossan zu einem Drittel weiblich besetzt und die Kritik obsolet.
Generell muss man aus meiner Sicht zwei Aspekte unterscheiden. Einerseits verstehe ich die damalige Kritik. Bei einem börsennotierten Unternehmen schaut man verständlicherweise auf Vorstand und Aufsichtsrat. Das zeigt aber nur einen Teil der Wirklichkeit. Bei der LEG Wohnen NRW sind wir in der operativen Geschäftsführung zum Beispiel zwei Frauen und ein Mann.
Andererseits finde ich es verkürzt, beim Thema „Diversity“ nur auf die Geschlechter zu blicken. Vielfalt bedeutet doch viel mehr: Aus meiner Sicht funktionieren Teams dann am besten, wenn Jüngere und Ältere, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die von unterschiedlichen Herkünften und Ausbildungswegen geprägt wurden, zusammenarbeiten. Gerade in meinem Bereich, der technisch geprägt ist, sehe ich eine riesige Bandbreite, vom Azubi über die Handwerksmeisterin bis zum Wirtschaftsingenieur und der Architektin. Als großes Unternehmen bildet sich bei uns die Diversität der Gesellschaft ab, das macht unsere Teams aus. Darauf bin ich sehr stolz und davon profitiert die Zusammenarbeit in den zahlreichen Teams spürbar – mal ganz abgesehen davon, dass es in dieser Konstellation auch einfach Spaß macht.
Die LEG Immobilien SE belegt im BCG Gender Index unter 100 untersuchten Unternehmen Platz 52, hat sich jedoch im Vergleich zum Vorjahr stark verbessert und sich von Platz 93 hochgekämpft. Wo sehen Sie weiterhin Verbesserungsbedarf beim Thema Female Empowerment?
Auch hier finde ich, dass man einen differenzierten Blick braucht. Wir können als Unternehmen viele Möglichkeiten bieten, das geschieht bei der LEG auch in vielen Bereichen. Wir haben etwa ein Mentoring-Programm zur gezielten Förderung von Mitarbeiterinnen in verschiedenen Positionen aus diversen Fachbereichen aufgelegt, dass ich für sehr wichtig halte. Im Rahmen dieses Programms werden 14 Mentees von einem Mentor oder einer Mentorin aus den obersten Führungskräfte-Ebenen für zunächst ein Jahr begleitet und in ihrer individuellen Entwicklung gefördert. Unser Ziel ist es, die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern bei der LEG durch neue berufliche Erfahrungen, Networking und stetigen Austausch zwischen Mentee und Mentor zu stärken. Auch ich habe in meiner Laufbahn immer wieder Unterstützung erfahren und davon profitiert – in meiner persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Im beruflichen Leben müssen sich Frauen gegenseitig unterstützen. Dazu würde ich explizit auch die Positionierung verstehen: es ist zu einfach, wenn Frauen in Führungspositionen sagen: „Es gibt kein Problem, ich habe es schließlich auch geschafft“.
Denn darin liegt die Kehrseite der Medaille: Wir haben auf der gesellschaftlichen Ebene ein Problem. Es gibt die vielzitierte „Gläserne Decke“, mehr oder weniger unabhängig vom Unternehmen und der Branche. In absoluten Führungspositionen sind noch immer überproportional viele Männer. Das zu thematisieren und anzugehen, ist aktuell wichtiger als lange Zeit vorher, denn die Corona-Pandemie hat uns in dieser Hinsicht zweifellos zurückgeworfen. Der deutlich größere Teil der Mehrarbeit in den Familien wird von Frauen getragen. Probleme dieser Art löst man aber nicht als Unternehmen, sondern nur gesamtgesellschaftlich.
Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach Diversität für den Erfolg Ihres Unternehmens?
Ich persönlich halte Diversität für ein Erfolgsmerkmal von Teams. Wir sind in der Wohnungswirtschaft vor so viele komplexe Herausforderungen gestellt – Klimawandel, die Renovierungswelle der EU, die digitale Steuerung der Prozesse und Verbräuche, moderner Kundenservice etc. – dafür brauchen wir viele Expertinnen und Experten mit ganz verschiedenen Kompetenzen. Ich würde die Diversität also von dem Wissen und den Fähigkeiten ausgehend begreifen, die ein Mensch mitbringt. Wichtig ist, dass auch die Kompetenzen divers sind, nicht ausschließlich das Geschlecht.
Zum Ende unsere Standardfrage: Welche Fragen würden Sie heute als junge Absolventin einem potenziellen ersten Arbeitgeber stellen, um zu wissen, ob er der richtige für Sie ist?
Wieviel Verantwortung bekomme ich? Und wieviel Gestaltungsspielraum räumt man mir ein?
… und wie würden Sie diese für LEG beantworten?
Bei der LEG bekommt man in seinem jeweiligen Bereich viel Gestaltungsspielraum. Wir vertrauen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und übertragen ihnen die Verantwortung für ihre jeweiligen Aufgaben. Ich bin überzeugt: Nur dann entwickelt man einen direkten persönlichen Bezug zum Ergebnis seiner Arbeit und gestaltet den Prozess aktiv mit. Und nur dann kann man als Person, und letztlich auch als Unternehmen daran wachsen.
Hier findest du einen Beitrag zu Valentina Daiber, Frau im Vorstand von Telefónica Deutschland
Ulrike Janssen ist seit Januar 2019 bei der LEG Geschäftsführerin und verantwortlich für die Bereiche Technik, Energie und Einkauf. Zudem ist sie Geschäftsführerin der WohnServicePlus GmbH und der EnergieServicePlus GmbH. Zuvor war die Diplom-Kauffrau für unterschiedliche Firmen tätig. Unter anderem war sie Geschäftsführerin der RGM Retail GmbH und PropertyFirst GmbH sowie Head of Property Management Germany bei Jones Lang LaSalle SE.