Parshad Esmaeili hatte schon als Teenager das Bedürfnis, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Eigentlich wollte sie deswegen Politikerin werden. Während ihrer Auftritte als Stand-Up Comedienne entdeckte sie ihr Talent als Entertainerin. Inzwischen hat die Vierundzwanzigjährige eine große Follower-Gemeinde auf allen bekannten Plattformen. Ihrem Anspruch, die Gesellschaft ein bisschen besser zu machen, ist sie treu geblieben.
Parshad, du liebst es, die Menschen zum Lachen zu bringen. Welche Themen sind dir über die unterhaltenden Aspekte hinaus wichtig?
Ich versuche in meiner Arbeit als Entertainerin die Tragödie mit der Komödie zu verbinden. Je älter ich werde, desto bewusster wird mir, wie begrenzt die Möglichkeiten des Einzelnen sind, nachhaltig etwas zu verändern. Das frustriert mich auch oft. Dennoch habe ich für mich beschlossen, an meiner Utopie einer freien und liebevollen Gesellschaft festzuhalten. In mir steckt sowohl eine politische, nachdenkliche Parshad als auch eine Comedienne. Denn allem Übel zum Trotz ist es wichtig, zu lachen und sich abzulenken. Die zwei Pole meiner Persönlichkeit bringe ich auch in meine Arbeit ein. Neben reiner Comedy zum Abschalten beinhaltet ein großer Teil meiner Performances Gesellschaftskritik. Mein Ziel ist es, damit den Menschen einen Spiegel vorhalten, sie dazu anzuregen, ihr eigenes Verhalten – wie ihren Medienkonsum – zu reflektieren. Wir geben als Gesellschaft den sozialen Plattformen viel zu viel Macht und Raum. Die negativen Folgen sind im alltäglichen Miteinander zu spüren, denkt man beispielweise an die unerreichbaren Schönheitsideale, die sowohl weibliche wie auch männliche Influencer propagieren. Ich will mit meiner Kunst zum Nachdenken anregen, eine Vorbildfunktion möchte ich aber eher nicht ausfüllen. (lacht) Besonders wichtig sind mir Themen wie Selbstliebe, Toleranz aber auch Bildungskritik: Das deutsche Lehrsystem baut auf junge Menschen einen enormen Druck auf, der schwer zu ertragen ist. Das ganze Bildungswesen ist nur auf Leistung ausgerichtet und darauf, im kapitalistischen Wirtschaftssystem erfolgreich zu sein. Ich will meinen Followern aber klar machen, dass SEIN einen viel größeren Wert hat als HABEN.
„Ich will mit meiner Kunst der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten“
Parshad Esmaeili
Welche Erfahrungen machst du mit Hate Speech oder sexualisierter Gewalt in digitalen Räumen?
Keine Gute. Leider erreicht mich Hate Speech in einem sehr hohen Ausmaß und auf unterschiedlichen Kanälen. Ich habe den Eindruck, als triggere ich ältere Männer geradezu, mich zu beschimpfen. Sogar Familienväter, von denen man denkt, sie wären emotional reifer, investieren ihre Zeit in Hass-Nachrichten. Es erreichen mich Voice-Messages, DMs oder Kommentare zu meinen Posts, die von Kritik an meinem Äußeren über Drohungen bis hin zu sexualisierten Gewaltfantasien reichen. Manche Verfasser scheinen regelrecht besessen davon zu sein, meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Zum Teil schicken mir auch Frauen Mitteilungen mit gut gemeinten Ratschlägen. Ich wurde zum Beispiel gewarnt, nie einen Mann zu finden, weil meine derbe Ausdrucksweise abschreckend wirke. Als ich noch jünger war, habe ich mir das alles sehr zu Herzen genommen und extrem darunter gelitten. Vor lauter Selbstzweifel habe ich zwischenzeitlich sogar damit aufgehört, meinen YouTube-Kanal zu bespielen. Die Auswirkungen, die der Hass auf mich hatte, waren enorm.
Welchen Weg hast du für dich gefunden, damit umzugehen?
Für mich sind die sozialen Medien Fluch und Segen zugleich. Durch die Online-Plattformen konnte ich mir eine große Community aufbauen, andererseits waren die Anfeindungen mir gegenüber überwältigend. Seit ich damit angefangen habe, besonders übergriffige Nachrichten zu veröffentlichen und auf meinen Kanälen über das Thema „Hate Speech“ aufzuklären, hat der Shitstorm glücklicherweise etwas nachgelassen. Außerdem konnte ich mit der Zeit auch eine gewisse Distanz entwickeln. Niemand muss das, was ich mache, feiern oder überhaupt nur einen einzigen Beitrag gut finden. Ich nehme das alles nicht mehr so persönlich. Ein Mindestmaß an Respekt fordere ich aber trotzdem ein und versuche es auch meinen Hatern entgegenzubringen. Die meisten Menschen sind nicht grundlos voller Hass. Vielleicht haben sie etwas Schreckliches erlebt und sind deswegen verbittert. Ich möchte ihnen in jedem Fall mit Liebe begegnen. Wir sind alle Menschen, Schwestern und Brüder. Manche Leute sind in ihrer persönlichen Entwicklung nur noch nicht so weit, das zu begreifen.
Hier findest du einen weitern Beitrag zu einer interessanten Female Leadership Persönlichkeit