Jasmina Čović hat die Women’s Football Agency gegründet, welche eine der weltweit führenden Beratungsagenturen im Frauenfußball ist. Es würde sie auch reizen, Geschäftsführerin in einem Männerprofiverein zu werden – allerdings gibt es kaum ein Business, welches weniger auf Geschlechterdiversität setzt.
Jasmina, du warst 21jährige Studentin, als sich für dich die Tür zu einer Karriere als Spielerberaterin öffnete. Erzähl uns doch bitte, wie es dazu kam?
Meine Spielerberaterkarriere fing ehrlicherweise ungeplant an. Ich wusste schon immer, dass mich diese Branche besonders interessiert, allerdings hatte ich keinen konkreten Plan dafür gehabt und war natürlich auch noch mitten im Studium, da macht man sich normalerweise keine großen Gedanken darüber. Per Zufall hat mich eine Spielerin vom FF USV Jena (jetzt FC Carl Zeiss Jena Frauen, Anm. d. Red.) angesprochen und gefragt, ob ich einer ehemaligen Mitspielerin von ihr helfen könne, in die Frauen-Bundesliga nach Deutschland zu kommen. Das hat gut funktioniert, wodurch ich wiederum an eine andere Spielerin weiterempfohlen wurde – so lief das Business dann praktisch von selbst an.
Heißt „es lief von selbst “, dass es keine Meilensteine auf deinem Weg gab?
Ein großer Meilenstein war mit Sicherheit die Entscheidung, mich mit Brian Eylert zusammen zu tun. Wir bereichern uns gegenseitig mit unserem Wissen und Erfahrungen und können durch diese Zusammenarbeit sehr stolz sagen, dass wir aktuell eine der erfolgreichsten Beratungsagenturen im Frauenfußball sind. Die Konzeption unserer neu geschaffenen Agentur „Women’s Football Agency“ und alle damit verbundenen Bereiche der Außendarstellung war sicherlich auch ein Meilenstein. Des Weiteren ist es für uns sicherlich auch eine enorme Bestätigung unserer Arbeit und Expertise, dass wir es geschafft haben, viele Spielerinnen – unter anderem Nadine Angerer, Ana Maria Crnogorčević und Simone Laudehr – dazu zu verhelfen, eine überdurchschnittlich erfolgreiche Karriere zu machen. Das ist das Schönste an diesem Job: Zu sehen wie man Teil des Erfolges der Spielerinnen ist.
Mit den Aufgaben der Spielerberatung verbindet man in erster Linie, lukrativere Verträge zu organisieren und gegebenenfalls dafür notwendige Transfers anzuschieben. Was leistet du noch für deine Spielerinnen?
Das sind natürlich die beiden Kernaufgaben des Geschäfts, dafür engagieren uns die Spielerinnen in erster Linie. Dahinter steckt aber natürlich auch jemand, der die Karriere im Gesamten planen muss – und nicht nur, wo es als nächstes hingeht. Wir unterstützen hierbei eben auch bei der Karriere nach der Karriere und helfen Spielerinnen bei der Jobsuche oder bei geeigneten Praktika. Simone Laudehr etwa hat über uns ihren Job beim FC Bayern München bekommen. Es ist nun mal so, dass die Fußballkarriere auch Verletzungen und Konflikte mit sich bringt, für die die Spielerinnen dann auch jemanden benötigen, der ihnen eine objektive Sicht gibt und sie unterstützt. Was ich damit sagen will ist, dass der Betreuungs- und Beratungsaufwand höher ist, als man vermuten könnte: Einfach nur die Spielerin vermitteln und die Provision kassieren reicht nicht. Ich muss praktisch permanent erreichbar sein und mein Handy ist seit meinem 21. Lebensjahr maximal sieben Stunden pro Tag ausgeschaltet und das eben nur, wenn ich nachts schlafe.
„Mit dem richtigen Konzept und kompetentem Personal bin ich überzeugt, dass der Frauenfußball ein hohes Potenzial hat“
Spielerberaterin Jasmina Čović
Unterscheiden sich denn die Fragestellungen für Spielerberaterinnen im Frauenfußball von denen im Männerfußball?
Mit Sicherheit! Die Spielerinnen machen sich viel mehr Gedanken, manchmal sogar zu viele. Sie sind vielseitig interessiert an Dingen außerhalb des Fußballs, etwa für Musik, Kunst und Literatur. Sie suchen Kontakte außerhalb des Fußballs, um auch mal etwas anderes zu sehen. Durch die parallel ausgeübten Berufe oder Studiengänge ergeben sich mehr persönliche Entfaltungsmöglichkeiten für die Spielerinnen. Ob das in Zukunft allerdings so bleiben wird, ist fraglich, da immer mehr Geld in den Markt fließt und die Spielerinnen mittlerweile gut leben können von ihren Verdiensten.
Was an Verdienstmöglichkeiten bieten sich denn Bundesligaspielerinnen bis hin zu internationalen Top-Spielerinnen?
Es gibt tatsächlich immer noch Vereine, die einer Bundesligaspielerin nur 450 € pro Monat anbieten und es dann persönlich nehmen, wenn man als Berater fragt, wie die Spielerin denn davon leben solle. Dazu muss man wissen, dass der Zeitaufwand der Spielerinnen in der Bundesliga, aber auch in der 2. Bundesliga enorm ist und sich nicht vom dem der Männer unterscheidet. Die Spielerinnen verzichten auf so viel, nur um erfolgreich Fußball spielen zu können. Aber um die Frage korrekt zu beantworten – das Maximum was eine internationale Top-Spielerin aktuell verdienen kann, ist eine Summe im sehr niedrigen 6-stelligen Bereich. Die breite Masse der Profispielerinnen verdient im unteren bis mittleren 5-stelligen Bereich. In den USA läuft das anders auf Grund des Salary Caps. Da verdienen die Top-Spielerinnen ohnehin die ganz großen Beträge durch Werbepartnerschaften.
Wie hat sich der Frauenfußball in Deutschland wirtschaftlich entwickelt?
Eine wirtschaftliche Entwicklung kann man schon erkennen, allerdings ist diese marginal. Dabei ist der Frauenfußball aktuell die am schnellsten wachsende Sportart. Es braucht aber zusätzlich eben auch Menschen, die unternehmerisch denken und bereit sind, in diese Sportart zu investieren und das Potenzial darin zu erkennen. Mit dem richtigen Konzept und kompetentem Personal bin ich überzeugt, dass der Frauenfußball ein hohes Potenzial hat. Dazu lohnt es sich auch, mal auf die Insel nach England zu schauen und zu sehen, wieviel man erreichen kann, wenn man es gut macht. Das Maß aller Dinge ist allerdings der US-Frauenfußball. Die US-Nationalspielerinnen haben den eigenen Verband wegen Geschlechterdiskriminierung verklagt und nun in einer Equal Pay-Vereinbarung erreicht, in gleicher Höhe wie ihre männlichen Kollegen bezahlt zu werden.
Ist ein ähnliches Vorgehen auch in Deutschland möglich?
Nein – und das hat verschiedene Gründe. Die US Nationalmannschaft genießt eine große Beliebtheit in den Staaten und ist nicht zu vergleichen mit unserer deutschen Nationalmannschaft. Die US-Mädels kennt man und jeder kann mit den Namen der Spielerinnen etwas anfangen. Deshalb sind ja auch die Sponsorendeals so hoch, da die Reichweite der Spielerinnen immens groß ist. Wenn du in Deutschland jemanden fragst, wer Lea Schüller oder Lina Magull sind, dann wirst du vergeblich auf eine korrekte Antwort hoffen. In den Staaten macht man sehr vieles richtig, wie ich es am Beispiel der Portland Thorns beobachten konnte – dort hat man vieles von Anfang sehr genau geplant und sich mit kompetentem Personal exzellent aufgestellt. Den großen Unterschied sehe ich jedoch bei den Spielerinnen selbst. Die Amerikanerinnen zeigen Charakter und machen den Mund auf, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. In Deutschland hingegen nimmt man vieles, was nicht korrekt läuft, einfach hin und schweigt es aus. Das habe ich oftmals erlebt und höre es auch heute noch von vielen Spielerinnen, so dass ich darin ein generelles Problem in Deutschland sehe. Auf einer DFB Spielerberater Tagung waren wir und Jörg Neblung die einzigen Berater, die sich kritisch zu vielen Herangehensweisen des DFB geäußert haben, der Rest hat geschweigen. So kann man leider keine Veränderungen voranreiben.
Da du gerade Jörg Neblung erwähnst: Gibt es unter den Spielerberatern ein Vorbild für dich?
Ich habe generell keine Vorbilder muss ich ehrlichweise sagen. Viele Berater, insbesondere bei den Männern, werben auf aggressive Art und Weise Spieler:innen ab. Das erleben wir gerade auch im Frauenfußball. Wenn die großen Männeragenturen in den Markt eindringen, ist man so gut wie chancenlos – außer die Spielerinnen zeigen Charakter und bleiben uns treu, weil sie dankbar für alles sind, was wir für sie getan haben. Ich schätze allerdings Dietmar Ness und meinen Geschäftspartner Brian Eylert sehr. Die beiden sind seit sehr vielen Jahren im Geschäft und haben Spielerinnen unterstützt und gefördert, als es noch niemanden interessiert hat und es wirklich nur kleine Beträge zu verdienen gab. Sie haben versucht das Maximum herauszuholen in einer Branche, die nicht viel hergegeben hat und belächelt wurde. Das ist meiner Meinung nach übrigens auch eine ganz besondere Qualität, aus schwierigen Startvorraussetzungen viel zu machen.
„Diversität tut jedem Unternehmen gut“
Spielerberaterin Jasmina Čović
Du hast einmal gesagt, es würde dich durchaus reizen, als Sportdirektorin auch mal bei einem Männerprofiverein zu arbeiten?
Ja, ich würde gerne als Sportdirektorin oder vielleicht sogar noch mehr als Geschäftsführerin bei einem Männerprofiverein arbeiten. Allerdings bin ich Realistin und weiß, dass es wie ein 6er im Lotto ist, Geschäftsführerin in einem Bundesligaklub zu werden. Die Stellen werden so gut wie immer nur an Personen vergeben, die besondere Beziehungen zum Verein oder dem Vorstand pflegen. So ist das eigentlich auch mit allen anderen Führungspositionen generell im Sport, diese werden am liebsten an Vereinsinterne vergeben oder an Personen mit starkem „Vitamin B“.
Wie blickt denn der Männerprofisport auf Frauen im Fußball?
Ich glaube, dass die neue Generation der Männer viel offener dafür geworden ist. Der SSV Ulm hat zum Beispiel mit Miriam Krüger eine Geschäftsführerin und in Braunschweig gibt es mit Nicole Kumpis seit Kurzem eine Frau als Vorstandsvorsitzende. Meine Einstellung dazu ist, dass jeder eine Chance verdient hat und der bessere sich durchsetzen sollte, unabhängig von Geschlecht, Alter und Hautfarbe. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Diversität jedem Unternehmen gut tut.
Welchen Input könnte eine Geschäftsführerin oder Sportdirektorin einem Bundesligaklub der Männer geben?
Ich denke, dass Frauen durch ihre Soft Skills mit einem ganz anderen Ansatz an diese Aufgabe herangehen würden. Generell glaube ich, dass Frauen mehr Wert auf die Kommunikation mit den Spielern legen würden und auch empathischer zu vielen Entscheidungen und Auseinandersetzungen stehen. Aus eigener Erfahrung kann ich allerdings auch sagen, dass Frauen oft rigoroser sind als Männer in Konfliktsituationen und in Verhandlungen. Selbstverständlich kann man das nicht pauschalieren, es gibt immer Ausnahmen.
Wäre eine Frau auf der Position für einen Bundesligaklub eher Risiko oder Chance?
Es wäre beides. Ein Risiko, weil extrem viel Druck und Erwartungen auf der Sportdirektorin lasten würden, aber andererseits auch eine Chance, denn es würde klar ein Zeichen gesetzt werden, dass man unabhängig des Geschlechts, sondern alleine nach Kompetenz und Qualifikation die Position vergibt. Geduld ist hier natürlich die wichtigste Komponente, eine neue Sportdirektorin wird Zeit brauchen und diese sollte man ihr auch geben. In jedem Fall wäre es sehr interessant zu sehen, wie sich eine Frau als Sportdirektorin eines Männerfußballvereins schlägt.
Welches sind deine Pläne zum Ausbau deiner Agentur?
Wir setzen weiterhin unseren Fokus auf eine ehrliche und langfristige Beratung während und vor allem auch nach der Karriere. Generell planen wir uns in der Vermarktung noch besser aufzustellen. Aktuell können nur die Top Spielerinnen vermarktet werden, die durchschnittlichen Spielerinnen sind für Sponsoren leider uninteressant. Da wird es in der Zukunft sicherlich auch eine Entwicklung geben und auf diese müssen wir gut vorbereitet sein.
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