„Suzie wird die erste Frau auf dem Mars“
… stand damals in Dr. Suzanna Randalls Abizeitung. Mittlerweile ist sie Astrophysikerin und Astronautenanwärterin – der Kindheitstraum vom Weltall ist zum Greifen nahe. Mit einer Mischung aus wissenschaftlichem Ehrgeiz und unerschütterlicher Hartnäckigkeit will sie nicht nur die Erde, sondern auch das männerdominierte Universum der Raumfahrt erobern.
Viele Kinder träumen davon, Astronaut:in zu werden. Für Sie ist der Traum zum Greifen nah. Wie kam es dazu?
Der Wunsch, Astronautin zu werden, begleitet mich seit meiner Kindheit. In meiner Abizeitung stand damals: „Suzie wird die erste Frau auf dem Mars.“ Dabei hatte ich bis zur 11. Klasse keine Leidenschaft für Physik. Zum Glück bekam ich in der Oberstufe einen sehr motivierenden Physiklehrer. Durch ihn stellte ich fest, dass mir das Fach doch lag. Nach dem Abi zog es mich für das Astronomie-Studium ans University College London, da man dort sofort im Fachbereich und am Teleskop arbeiten konnte. In Deutschland hätte ich zuerst Physik studieren müssen. Für die Promotion verschlug es mich nach Montreal. Im Anschluss wollte ich nach München ziehen, ohne jedoch die Astronomie aufzugeben. Ich bewarb mich bei der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching bei München und bekam den Job.
Die ESO betreibt die größten Teleskope der Welt in Chile: Zunächst arbeitete ich für das Very Large Telescope (VLT) und später bei ALMA, einem Millimeter-Teleskop, bei dem die ESO Partner ist. 2016 stieß ich dann auf eine Anzeige für das Ausbildungsprogramm „Die Astronautin“. Obwohl ich nicht damit rechnete, weiterzukommen, wurde ich nach einem langen Auswahlprozess 2018 als Astronauten-anwärterin aufgenommen.
Dr. Suzanna Randall ist eine deutsche angehende Astronautin und Astrophysikerin. Sie studierte in London und schloss ihre Promotion in Montreal ab. Sie arbeitet seit 2006 als Wissenschaftlerin für die ESO Garching und betreut das Weltraumteleskop ALMA in Chile. 2018 wurde sie Astronautenanwärterin für das Projekt „Die Astronautin“, welches zum Ziel hat, eine deutsche Astronautin ins All zu bringen. Seit dem Abschluss des Basistrainings arbeitet sie an der Finanzierung und Weiterentwicklung des Projekts. Außerdem ist Randall in der Wissenschaftskommunikation tätig und setzt sich für Förderung und Gleichberechtigung von Frauen in Wissenschaft und Technik ein.
Was hat Sie motiviert, sich trotz Absage der ESA später bei „Die Astronautin“ erneut zu bewerben?
Als ich mich 2008 bei der ESA bewarb, hatte ich keine hohen Erwartungen. Ich wusste, dass sich Tausende bewerben würden und die Chancen sehr gering waren – und ich hatte mich nicht wirklich auf die Auswahltests vorbereitet. Bei „Die Astronautin“ hatte ich dazugelernt – und mich gezielt und intensiv auf die Tests vorbereitet. Manchmal braucht es vielleicht eine Absage, um später dann reifer und reflektierter zu sein – und bereit für eine Zusage.
Mittlerweile haben meine Kollegin Insa Thiele-Eich und ich die Basisausbildung abgeschlossen. Verzögerungen und Rückschläge sind bei einem solch komplexen Gebiet wie der Raumfahrt aber vorprogrammiert. Ursprünglich war ein Start zur ISS für 2020 anvisiert, aber aufgrund finanzieller und politischer Herausforderungen wurde der Termin mehrfach verschoben. Wichtig ist es, einfach weiterzumachen, auch wenn vielleicht am Ende nicht ich diejenige bin, die in der Raumkapsel sitzt.
Wie behalten Sie Ihr Ziel trotz der Ungewissheiten im Auge?
Ich glaube, es ist wichtig, jeden Tag Freude an dem zu haben, was man tut, auch wenn das große Ziel noch nicht erreicht ist. Man muss auch realistisch sein und akzeptieren, dass nicht immer alles klappt, aber trotzdem weiter machen. Mein Tipp ist, nicht verbissen an etwas festzuhalten: Es ist wichtig, zu erkennen, wann es Zeit ist, loszulassen, aber trotzdem den eigenen Weg weiterzugehen, auch wenn er nicht immer gerade verläuft.
„Wir haben das Ziel, die Raumfahrt in Deutschland kommerziell nachhaltig zu gestalten „
Wie darf man sich ein „Astronaut:innen-Training“ vorstellen?
Die Ausbildung zur Astronautin war komplett selbst organisiert, da wir eine private Initiative sind. Wir hatten intensive Trainingsmodule, gefolgt von Phasen, in denen wir uns wieder voll auf unsere Berufe konzentrierten. Ich hatte das Glück, dass die ESO mir bis zu 50 Prozent Freistellung gewährte, sonst wäre das kaum möglich gewesen. Das Training selbst war sehr abwechslungsreich: Wir haben auf Parabelflügen Schwerelosigkeit erlebt, Notfallverfahren geübt, uns durch Simulationen mit den Software-Systemen der ISS vertraut gemacht und uns in der Zentrifuge den Raketenstart-Belastungen ausgesetzt. Wir trainierten im Raumanzug unter Wasser und arbeiteten unter extremen Bedingungen, zum Beispiel in engen Höhlen.
Zusammen mit dem DLR bereiteten wir Experimente zu den Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Sehkraft vor. Es gibt zwar einige Studien, aber vor allem von Frauen zu wenige Daten. Es scheint, dass die Sehkraft bei Männern in der Schwerelosigkeit stärker nachlässt, aber wir benötigen mehr Probandinnen, um das zu bestätigen. Das Basistraining haben wir Ende 2022 abgeschlossen. Seitdem konzentrieren wir uns vor allem auf die Finanzierung und Weiterentwicklung des Projekts.
Ihr ISS-Aufenthalt wurde auf unbestimmt verschoben. Wie geht es jetzt für Sie weiter?
Wir verfolgen weiterhin das Ziel, eine deutsche Astronautin ins All zu bringen. Dafür haben wir inzwischen das Projekt „Mission Homebound“ – eine Weiterentwicklung des Programms „Die Astronautin“ – gestartet, mit dem Ziel, die astronautische Raumfahrt in Deutschland kommerziell nachhaltig zu gestalten. Es geht da- rum, die astronautische Raumfahrt als Wirtschaftsleistung zu etablieren und gleichzeitig umweltfreundlicher zu gestalten.
Wir setzen auf wiederverwendbare Technologien, wie sie zum Beispiel bei SpaceX entwickelt wurden, und versuchen auch, unsere eigenen CO2-Emissionen zu minimieren. Beispielsweise ernähre ich mich mittlerweile vorrangig pflanzenbasiert und werde das auch während der Mission tun. Wir hoffen, damit mehr Bewusstsein zu schaffen, dass man mit pflanzenbasierter Ernährung sogar als Astronautin erfolgreich sein kann. Das wird ein langer Prozess, aber wir sind dabei, ein detailliertes Business-Konzept zu entwickeln, und suchen Investoren aus der Wirtschaft sowie Unterstützung von der Staatsregierung und den Bundesländern.
Auf der anderen Seite möchte ich weiterhin in der Wissenschaftskommunikation aktiv bleiben. Ich moderiere den englischsprachigen Science-Channel „Chasing Starlight“ der ESO, und bei Terra X Lesch & Co werde ich auch weiterhin zu sehen sein. Auch die Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Kunst interessieren mich sehr, und ich könnte mir vorstellen, mich in dem Bereich stärker zu engagieren.
Wie hat sich seit Ihrer Kindheit die Wahrnehmung von Frauen in der Raumfahrt verändert?
Als Kind war Sally Ride, die erste US-amerikanische Astronautin, für mich eine wichtige Inspiration. Sie zeigte mir, dass auch Frauen in der Raumfahrt erfolgreich sein können. In meiner eigenen wissenschaftlichen Laufbahn habe ich wenig Nachteile erfahren, weil ich eine Frau bin. Selbst während meiner Promotion, als ich die einzige weibliche Doktorandin in der Physikabteilung und damit eine Exotin war, hat mich das eher angetrieben als entmutigt.
Die öffentliche Wahrnehmung von Frauen im MINT-Bereich hat sich in den letzten Jahren glücklicherweise verändert. Allerdings bleibt noch viel zu tun, der Anteil weiblicher Raumfahrer zum Beispiel liegt derzeit nur bei etwa zehn Prozent. Dabei gibt es viele Argumente dafür, dass Frauen für längere Missionen sogar besser geeignet sein könnten als Männer. Frauen haben in der Regel ein geringeres Körpergewicht und verbrauchen weniger Sauerstoff und Nahrung, was bei Langzeitmissionen im Weltraum definitiv von Vorteil ist – denn jedes Gramm weniger, das ins All fliegt, spart Tausende Euro.
„Der Anteil weiblicher Raumfahrer liegt derzeit nur bei circa zehn Prozent“
Mittlerweile stehen Sie durch Ihr mediales Engagement immer mehr im Auge der Öffentlichkeit. Wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung über die Jahre verändert?
Sally Ride wurde 1983 für ihren 6-tägigen Aufenthalt im Weltall gefragt, ob sie Make-up und stolze 100 Tampons mitnehmen wolle. Sie lehnte das Make-up ab, weil sie dort oben Wichtigeres zu tun hätte, als sich hübsch zu machen. Inzwischen liegt zum Glück auch bei Frauen der Fokus generell mehr auf der fachlichen Leistung als auf Äußerlichkeiten.
Aus eigener Erfahrung muss ich aber sagen, dass in der Hinsicht noch keine wirkliche Gleichberechtigung herrscht. Ich bekomme, anders als meine männlichen Kollegen, neben positivem Feedback auch manchmal Kommentare unter meinen Videos wie „Bei solchen Augen kann man sich nicht auf den Inhalt konzentrieren“. Das ist vielleicht sogar nett gemeint, fühlt sich aber an wie eine Abwertung meiner fachlichen Kompetenz.
Als Frau in der Öffentlichkeit versuche ich es zu halten wie Angela Merkel, die in der Hinsicht ein Vorbild für mich war. Sie hat nie groß thematisiert, dass sie eine Frau ist, sondern einfach gemacht – und durch ihre Leistung von sich überzeugt.
Haben Sie aus Ihrem Basistraining etwas mitnehmen können, was unseren Leser:innen im Alltag helfen könnte?
Was ich aus meiner eigenen Erfahrung mitnehme, vor allem aus dem Training als Astronautin, ist, dass man sich oft viel mehr Stress macht, als nötig wäre. Ein Beispiel: Während einer Übung in einer Unterdruckkammer wurde uns gesagt, dass der Sauerstoff abgeschaltet wird, und ich hatte schreckliche Angst, dass ich keine Luft bekommen würde – und es sich anfühlen würde wie in einem Horrorfilm. In Wahrheit war es aber viel weniger schlimm, als ich es mir vorgestellt hatte. In solchen Momenten merkt man, dass man viel mehr aushalten kann, als man denkt.
Mein Tipp wäre also, entspannt zu bleiben und mit Freude und Vertrauen an Herausforderungen heranzugehen. Denn wenn man die Dinge locker nimmt, können auch Dinge, vor denen man Angst hat, am Ende sogar Spaß machen.
Erinnern Sie sich an ein Erlebnis, bei dem Sie besonders stolz auf Ihren Beruf waren?
Was mich am meisten berührt, ist, wenn ich Mädchen inspirieren kann. Eine Geschichte, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, betrifft die Tochter einer Kollegin, die zum Karneval als Astronautin gehen wollte. Die Jungs in ihrer Klasse meinten jedoch, dass das nur Männer wie Alexander Gerst werden könnten. Also habe ich ihr einen Brief geschrieben und ihr mit Insas und meinem Kinderbuch „Unser Weg ins Weltall“ Mut gemacht.
Kurz darauf bekam ich ein Foto von ihr im Astronautenanzug beim Karneval. Sie schrieb mir, wie glücklich sie damit war, und den Jungs in ihrer Klasse zeigte sie unser Buch und sagte: „Schaut, da sind zwei Frauen drauf, natürlich kann ich das auch!“ Es macht mich stolz, wenn ich merke, dass ich etwas bewirkt habe – und sei es nur bei einem einzigen Mädchen, das sich bei ihrer Kostümwahl nicht unterkriegen lässt.
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