Weichenstellungen im Studium
Analytische Fähigkeiten und intellektuelle Agilität im Umgang mit Big Data – das sind Anforderungen, die an künftige Wirtschaftsprüfer gestellt werden. Insofern sind veränderte und erweiterte Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten gefragt. Dies bedeutet für Absolventen vor allem die Chance, sich weniger mit Routineaufgaben, sondern stärker mit intellektuell herausfordernden Aufgaben zu beschäftigen.
Eine zentrale Entwicklung im Rahmen der Digitalisierung im Prüfungskontext ist Big Data Analytics. Die diesbezüglichen Aussagen sind schillernd und reichen von der Kennzeichnung von Big Data als „game-changer in auditing“ bis hin zu der Behauptung, dass es in naher Zukunft statt Stichprobenprüfungen nur noch Vollprüfungen geben wird, was allerdings nicht der Fall sein wird.
In der Abschlussprüfung werden datenanalytische Verfahren eingesetzt, um in prüfungsrelevanten Daten Muster, Abweichungen und Inkonsistenzen zu entdecken. Beispielsweise lassen sich Anomalien bei den Umsatzerlösen im Einzelhandel deutlich besser auf der Basis disaggregierter Tagesdaten im Vergleich zu Wochen-, Monats- oder Jahresdaten erkennen. Für den Abschlussprüfer ist dies ein wichtiger Risikoindikator. Weiterhin lassen sich große Datenbestände des Mandanten oder auch externe Daten auf Korrelationen prüfen. Der Prüfer muss dann entscheiden, ob es sich hier um rein zufällige Muster handelt oder gegebenenfalls um Indizien für Falschdarstellungen im Jahresabschluss. Zudem werden Datenanalysen zunehmend explorativ eingesetzt, sodass der Prozess der Abschlussprüfung einen verstärkt iterativen Charakter besitzen wird. Auch zeichnen sich neue Probleme, wie zum Beispiel die Beurteilung der Verlässlichkeit der herangezogenen Daten ab. Demnach wird das Berufsbild herausfordernder, aber auch attraktiver.
Wird Big Data Analytics bereits in der Prüfungspraxis eingesetzt? Ein umfassender Einsatz bei den Prüfungsgesellschaften ist derzeit nicht feststellbar. Gleichwohl investieren besonders die großen Prüfungsgesellschaften erheblich in geeignete Tools und verwenden diese in abgegrenzten Bereichen bereits in der Prüfungspraxis (zum Beispiel EY Helix, Halo bei PwC, X-Ray bei Deloitte). Der Einsatz dieser Tools setzt regelmäßig elektronisch lesbare Unternehmensdaten beim Mandanten voraus, wie dies vor allem bei großen Mandanten der Fall sein dürfte. Oftmals finden sich indes konventionelle Datenanalysetools (zum Beispiel eine Analyse von Datenbeständen mittels Prüfsprachen wie IDEA und ACL, jetzt Galvanize). Allerdings zeichnet sich ab, dass Datenanalysen auf Grundlage von Massendaten künftig obligatorisch sein werden, auch wenn der Normengeber dies derzeit nicht vorschreibt.
Autor Prof. Dr. Klaus Ruhnke, Freie Universität Berlin, FACTS Department, Inhaber der Professur für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung mit Forschungsinteressen in den Bereichen empirische, insbesondere verhaltensorientierte Prüfungsforschung, IT-Einsatz in der Prüfung sowie IFRS-Rechnungslegung.
Wie bereiten sich Studierende am besten auf den Wandel vor? Gefordert ist ein betriebswirtschaftliches Studium mit Schwerpunkten in den Bereichen Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung sowie geeigneten Vertiefungen in der Wirtschaftsinformatik. Gefragt sind fundierte Kenntnisse der Buchführung, der Erstellung von HGB- und IFRS-Abschlüssen sowie theoretische und praktische Kenntnisse der Abschlussprüfung und zusätzliches Fachwissen, Kenntnisse und Fähigkeiten in den folgenden Bereichen: Ökonometrie, Programmierung, Datenbanken, Tools zur Datenextraktion sowie Verfahren und Tools zur Datenanalyse.
Vor allem Tools zur Visualisierung, Process Mining, Text Mining sowie Prognoseanalytik sind im Bereich Wirtschaftsprüfung wichtig. Da diese Bereiche bereits einzeln betrachtet sehr anspruchsvoll sind, kann nicht erwartet werden, dass Studierende in allen Bereichen tiefgehende Kenntnisse besitzen. Allerdings sollten anschlussfähige Kenntnisse vorhanden sein, die sich nach Berufseinstieg durch ein Training on the Job in geeigneter Form vertiefen lassen. Zudem wird der Bereich Wirtschaftsprüfung durchlässiger für IT-Experten mit einschlägigen Kenntnissen in der Rechnungslegung und Prüfung.
Besonders deutlich werden die veränderten Ausbildungserfordernisse auch mit Blick auf die internationalen Entwicklungen. Hier hat das International Accounting Education Standards Board jüngst unter anderem verbesserte berufliche Kompetenzen vorgeschlagen, die durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erforderlich sind. Neu ist auch das Erfordernis einer intellektuellen Agilität, welches sich auf die Fähigkeit des Prüfers bezieht, neue Daten zu berücksichtigen und bestehende zu überdenken sowie hieraus resultierende Schlussfolgerungen neu abzuschätzen. Dies schließt die Identifikation neuer oder alternativer Arbeitsweisen sowie eine rasche Anpassung an veränderte Umstände ein. Dieses Erfordernis verdeutlicht sehr gut das sich abzeichnende veränderte Anforderungsprofil! Da es sich bei den Daten stets um prüfungsrelevante Daten handelt, ist eine Interpretation und Analyse ohne eingehende Rechnungslegungs- und Prüfungskenntnisse nicht möglich.
Wie sollten Studierende bei der Auswahl von geeigneten Studiengängen vorgehen? Das Angebot an den Hochschulen ist derzeit sehr heterogen und auch qualitativ sehr unterschiedlich. Hier hilft eine eingehende Beschäftigung mit den Internetauftritten der Studiengänge und der beteiligten Lehrstühle sowie auch der Studien- und Prüfungsordnungen nebst Modulbeschreibungen, auch wenn es sich hier um ein etwas mühsames Unterfangen handelt. Vertrauen Sie hierbei nicht alleine auf Schlagworte der Selbstdarstellung im Internet!
Hilfreich erscheint weiterhin eine Beschäftigung mit den folgenden Fragen: Hält die Hochschule besondere Angebote in diesen Bereichen bereit, wie gemeinsame Studienangebote im Bereich BWL und Wirtschaftsinformatik oder ein Digitalisierungszertifikat mit besonderen Angeboten im Bereich Data Analytics? Werden Gastvorträge in diesem Bereich angeboten? Sind einschlägige Datenbanken (etwa Dafne, Amadeus) an den Hochschulen vorhanden und ist es möglich, Module oder Schulungen in gängiger Analyse- und Statistiksoftware (zum Beispiel R, Stata, Tableau) zu belegen? Kann die Bachelor- oder Masterarbeit in diesem Themenfeld geschrieben werden und bietet die Hochschule neben der Betreuung am Lehrstuhl weiteren Support wie beispielsweise in einer statistischen Beratungseinheit an? Forschen die betreffenden Lehrstühle im Bereich Data Analytics? Suchen Sie auch das Gespräch mit Angehörigen des WP-Berufes oder IT-Experten, die sich in diesem Bereich bewegen.
Demnach wird das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers künftig herausfordernder und attraktiver. Stärkere analytische Fähigkeiten sind gefragt. Big Data Analytics kann den Prüfer wirkungsvoll unterstützen, jedoch individuelles prüferisches Urteilsvermögen nicht vollständig ersetzen. Vielmehr muss der Prüfer im Sinne einer eigenverantwortlichen Berufsausübung gem. § 43 Abs. 1 WPO immer in der Lage sein, die gegebene Unterstützung nachzuvollziehen und zu hinterfragen. Demnach stehen auch künftig der Mensch und die Arbeit im Prüfungsteam im Mittelpunkt.