Du bist auf der Suche nach dem perfekten Berufseinstieg und liebäugelst mit der Beraterbranche? Um alle deine Fragen dazu zu beantworten und mögliche Klischees gleich einmal auszuräumen, haben wir Claudia Hupprich für einen Blick hinter die Kulissen gebeten.
Die Anzahl der Beratungsunternehmen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Waren es 2010 noch rund 13.850 Unternehmen, stieg die Anzahl im Jahr 2018 auf fast 20.000 Beratungshäuser (Quelle Statista 2020). Dies hat natürlich einen entsprechenden Einfluss auf die Anzahl offener Stellen und auf die Anzahl an Jobangeboten für angehende Berater.
„Die Erfolgsgeschichte im Consulting mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 7,5 Prozent geht ins achte Jahr. Noch stärkeres Wachstum wird zurzeit nur durch den Mangel an qualifizierten Beratertalenten begrenzt.“ Ralf Strehlau, BDU-Präsident
Die Unternehmensberatungen bieten daher attraktive Jobangebote für neue Mitarbeiter und Arbeitszeitmodelle wie Sabbaticals, Elternzeiten, Teilzeit oder Leave-Programme für Weiterbildung.
Die Beratungsbranche ist jedoch nicht für jeden gleichermaßen geeignet. Deshalb sollten potentielle Bewerber einen klaren Blick auf den Beratungsalltag gewinnen.
Vielfalt und Herausforderungen
In kaum einer anderen Branche sind die Aufgaben so vielfältig und abwechslungsreich. Man lernt innerhalb kurzer Zeit unterschiedliche Unternehmen und Geschäftsmodelle kennen und begegnet jeden Tag neuen Herausforderungen, die innovative und passgenaue Lösungsansätze erfordern. Die potentielle Lernkurve wie auch die Erwartungen an Berufseinsteiger sind daher hoch.
Ein Juniorberater, der in seinem ersten Projekt mitarbeitet, wird anfangs vor allem erfahrene Kollegen bei ausgewählten Aufgaben unterstützen, möglicherweise aber auch schnell eigene Aufgabenbereiche übernehmen. Dies erfordert ein hohes Maß an Selbstmotivation und Selbstmanagement. Es geht darum, (Teil-)Ergebnisse möglichst schnell und belastbar zur Verfügung zu stellen. Problemstellungen des Kunden gemeinsam im Team zu lösen. Kein „one size fits all“, sondern passgenaue Lösungen mit echtem Mehrwert für den Kunden zu entwickeln. Wer sich jetzt schon im dunklen Anzug oder Kostüm sieht, um dem Kunden eloquent eine neue, innovative Lösung zu präsentieren und die Zustimmung des Kunden zu gewinnen, läuft jedoch Gefahr, eine Überraschung zu erleben. Denn nicht jede Aufgabe, nicht jede Herausforderung ist gleich spannend. So mancher Juniorberater erlebt den ersten Frust im Projekt, wenn die Realität mit den eigenen Erwartungen nicht mithalten kann, wenn das jeweilige Arbeitspaket langweilig ist oder reine Zuarbeit zu den spannenderen Aufgabenpaketen darstellt. Dann ist Durchhalten angesagt, um weiterhin auf einem hohen Leistungsniveau zu arbeiten. Denn mit jedem Projekt steigt die eigene Erfahrung und vergrößert sich der eigene Verantwortungsbereich.
Mein Koffer & ich
Neben dem Laptop gehört der Koffer quasi mit zur Grundausstattung. Denn die allerwenigsten Beratungen können einen Projekteinsatz vor Ort, sprich heimatnah, garantieren. Die Arbeit erfolgt überwiegend beim Kunden vor Ort und das bedeutet eine entsprechende Reisetätigkeit. Viele Beratungshäuser sind in der Vergangenheit jedoch davon abkommen, die Berater von Montag bis Freitag beim Kunden einzusetzen, und dazu übergegangen die Frage des Arbeitsorts flexibler zu gestalten. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass das Projektteam an vier Tagen pro Woche vor Ort beim Kunden eingesetzt wird und am fünften Tag vom Home Office oder vom Firmenbüro aus arbeitet. Egal wie die jeweilige Vereinbarung im Projekt ist, potentielle Bewerber für den Einstieg in die Beratung sollten sich darüber im Klaren sein, dass Reisen zum Job dazu gehört. Im positiven Sinne bedeutet das, dass man in der Beratung viele verschiedene Orte sieht. Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille: Ein immer wiederkehrendes Ein- und Auspacken des eigenen Koffers wird zur Pflichtübung. Und nicht immer liegt der Kundenstandort in einer spannenden Metropole wie London, Berlin oder München.
Teamplayer gesucht
In den meisten Projekten erfolgt die Kundenarbeit im Team. Berater sein heißt daher ein wirklich guter Teamplayer sein. Je nach Projekt werden die Teams aus unterschiedlichen Experten zusammengesetzt, die beratungsintern in speziellen Gruppen, sogenannten Practices, aufgeteilt sind. Diese Gruppen können auf Basis verschiedener Themenfelder (zum Beispiel IT-Security) oder branchenbasiert (zum Beispiel Automotive) eingeteilt sein. Für das Projekt sucht der Projektverantwortliche dann die geeigneten Personen aus, um ein passgenaues Team zusammenzustellen. Einzelkämpfer haben da wenig Chance, sondern es sind Menschen gefragt, die zuverlässig arbeiten und sich schnell in eine Aufgabenstellung sowie ein neues Team einarbeiten können. Wer also erwartet, die meiste Zeit in einem festen Kollegenkreis zu arbeiten, wird enttäuscht werden. Wer sich neugierig immer wieder auf ein neues Team einlassen kann und sich darauf freut neue Kollegen kennenzulernen, ist in der Beratung genau richtig.
Utilization is key
Eine wesentliche Zielgröße ist im Consulting die sogenannte „Utilization“, das heißt der Anteil der vom Kunden bezahlten Arbeit an der Gesamtzahl an verfügbaren Arbeitsstunden. Für Juniorberater liegt die Größe in den meisten Fällen um die 80 Prozent, das heißt es wird erwartet, dass 80 Prozent der eigenen Arbeitszeit auf ein Projekt gebucht wird. Die restlichen 20 Prozent sind für Weiterbildung oder administrative Aufgaben vorgesehen. Mit zunehmender Erfahrung und dem Aufstieg in die nächsten Karrierestufen sinkt die geplante „Utilization“, dafür steigt der Anteil an Managementaufgaben und Umsatzzielen. Da die eigene „Utilization“ eine wichtige Kenngröße beim Erreichen der nächsten Karrierestufe ist, tun clevere Juniorberater also gut daran, nicht nur beim Kunden, sondern auch in der eigenen Firma entsprechend sichtbar zu sein, damit sie von den erfahrenen Kollegen bei zukünftigen Projekten in der Planung berücksichtigt werden.
Diversity
Kleine wie auch große Beratungshäuser wissen es schon lange: Teams, die aus unterschiedlichen Geschlechtern und Kulturen bestehen, arbeiten meist erfolgreicher zusammen. Das wird aktuell auch dadurch reflektiert, dass der Anteil weiblicher Mitarbeiter in großen und mittelgroßen Beratungsunternehmen kontinuierlich steigt. Während allerdings der Anteil weiblicher Berater auf dem Level Juniorberater bei ca. 43 Prozent und auf dem Level Seniorberater bei ca. 38 Prozent liegt, ist der Anteil von Frauen in der Unternehmensleitung immer noch gering und liegt aktuell bei ca. 10 Prozent (Quelle: BDU). Um das Consulting nicht nur für Frauen beim Berufseinstieg, sondern auch auf den folgenden Karrierestufen weiterhin attraktiv zu gestalten, bieten viele Beratungshäuser mittlerweile vielfältige Angebote, um die Familienfreundlichkeit in der Branche zu erhöhen.
Die Unternehmenskultur macht’s
Wer sich für die Beratungsbranche entschieden hat, der hat die Qual der Wahl in Bezug auf die Frage wer als potentieller Arbeitgeber in Frage kommt. Es gibt natürlich einige „hard facts“ wie zum Beispiel die Unternehmensgröße oder eine Branchenspezialisierung. Aber noch viel wichtiger sind die „soft facts“, dazu gehören vor allem Aspekte hinsichtlich einer passenden Unternehmenskultur. Die Arbeit im Consulting bietet jede Menge spannende Perspektiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Kaum eine andere Branche bietet so viel Abwechslung, Herausforderungen und Möglichkeiten zur Potentialentfaltung. Und dass Beratungstätigkeiten kein „nine to five“ Job sind, sondern tendenziell eher aus langen Arbeitstagen bestehen, wissen die meisten. Dies funktioniert am Ende jedoch nur auf der Basis einer Unternehmenskultur, die allen Mitarbeitern Lust auf die gemeinsame Zusammenarbeit macht. Denn Lust wie auch Frust entstehen vor allem im täglichen Miteinander. Fragen Sie sich daher im Bewerbungsprozess, wie kompatibel die jeweilige Unternehmenskultur zu ihren eigenen Werten und Prioritäten ist. Können Sie sich mit der Unternehmenskultur und den gelebten Werten identifizieren? Welchen Eindruck gewinnen Sie im Rahmen des Bewerbungsprozesses? Können Sie sich vorstellen, sich mit ihren jeweiligen Gesprächspartnern auch nach einem langen Arbeitstag zu einem gemeinsamen Arbeitsessen im Team zu treffen? Reicht Ihre Motivation aus mit den Kollegen im Projekt auch einmal die eine oder andere Nachtschicht einzulegen, um wichtige Projekttermine zu halten?
Wenn Sie diese Fragen positiv beantworten können, steht einer Bewerbung nichts mehr im Wege.
Viel Erfolg dabei!
Über die Autorin
Claudia Hupprich ist Gründerin und Managing Partner der Unternehmensberatung consulting @ work. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt sie Menschen und Organisationen, die sich in Veränderungsprozessen befinden oder in solchen befinden möchten. In ihrem neuen Buch „Success Journey – Die Erfolgsreise zu Ihren Zielen“ (Haufe-Verlag, 2020) gibt sie Beratern wie auch Nicht-Beratern jede Menge Impulse und Praxistipps, wie man seine Ziele erfolgreich erreicht.
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