Viele Studierende, die eine Karriere in der Wirtschaftsprüfung anstreben, denken bei der Berufsplanung zuallererst an die Big 4. Dabei hat auch das sogenannte Verfolgerfeld, die Next 10, viele gute Argumente. Professor Dr. Henning Zülch zieht einen Vergleich und erklärt, welche Vorzüge die Branchenführer und ihre Herausforderer bieten.
Big 4 vs. Next 10, wer ist „besser“? Eine wichtige Frage, die sich Absolventen, die sich für den Bereich Audit oder Advisory begeistern, oft stellen. Beide Unternehmensgruppen wollen per se talentierte Nachwuchskräfte, werben mit spannenden und kreativen Projekten, bieten flexible Arbeitszeitmodelle, welche dennoch arbeitsintensiv sind – das ist kein Geheimnis.
Grundlegend unterscheiden sich die Karrierepfade der Big 4 und Next 10 im Auditbereich nicht groß voneinander. Bei beiden ist die Lernkurve im Audit- und Advisory-Bereich enorm steil. Dennoch gibt es vereinzelt Besonderheiten, die die Next 10 auf ein „Next Level“ heben und so auch für Absolvent:innen interessant werden können. Dabei kommt es allerdings darauf an, was den Absolventen wichtig ist und in welcher Form sie Karriere machen möchten.
Die Big 4-Gesellschaften sind natürlich aufgrund ihres Bekanntheitsgrads den anderen Gesellschaften auf den ersten Blick überlegen. Ausdruck dafür sind breitflächige Veranstaltungsreihen in Universitäten, vielfältige Publikationen zu sämtlichen Wirtschaftsthemen sowie öffentliche Wirtschaftsrankings, in welchen die Big 4 vielfach auftauchen. Sie stehen regelmäßig in der Öffentlichkeit, besitzen einen klar höheren Marktanteil, beschäftigen im Schnitt doppelt so viele Mitarbeiter und verfügen über weitaus mehr Standorte deutschlandweit. All das führt zunächst zu einer größeren Sichtbarkeit gegenüber Kunden, aber auch potentiellen Mitarbeitern.
Es gibt viele Punkte, worin die Big 4 im ersten Moment überzeugen können – die Next 10 im zweiten Moment aber umso mehr. Wenn man hinter die Kulissen schaut, wird man merken, dass diese Gesellschaften keineswegs die „zweite Klasse“ sind. Sie können in gewissen Dingen die Big 4 sogar abhängen und heißen schließlich nicht umsonst Verfolger.
Internationalisierung ist ein Punkt, worüber sich die Verfolger mittlerweile ebenso profilieren können. Auch sie haben ein großes, globales Netzwerk, dieses muss nicht immer das größte sein. Es bietet den Mitarbeitern genauso den Austausch zu internationalen Prüfungs- und Beratungsteams. Die Next 10 bieten ihren Fachkräften ebenso sogenannte Workations und Secondments in unterschiedlichen Ländern an. Zudem offerieren die „Next 10“ jährliche Schulungen sowie Workshops für die fachliche Weiterentwicklung sowohl im Inland als auch im Ausland. Bei der Chance in internationalen Teams zu arbeiten haben die Big 4 mitunter mehr und vielfältigere Angebote (long- und shortterm), die sie ihren Mitarbeitenden in unterschiedlichen Berufslevel präsentieren können.
Generell sind sämtliche Prozesse bei den Big 4 von A bis Z strukturiert, jeder Teilprozess vordefiniert und in konkrete Bahnen gelegt. Sowohl in Projekten, als auch auf dem Weg vom Assistant bis zum Partner. Das muss man mögen. Hinsichtlich der Karrierestufen sowie den jeweiligen Gehaltsklassen gibt es ganz klare Grenzen.
Bei den Next 10 scheint das etwas individueller anpassbar zu sein. Das kann mitunter den Vorteil haben, dass man einen Senior Manager Titel oder aber auch Partnertitel früher erwerben kann, wenn andere Umstände, wie die persönliche Performance, gegeben sind.
Die Next 10 bieten ebenso Traineestellen sowie Mentorenprogramme. Der Fokus auf die Mitarbeiterentwicklung eines einzelnen ist dabei ein Pluspunkt bei den Next 10. Aufgrund der Vielzahl der Mentees bei den Big 4 Gesellschaften ist das individuelle Eingehen auf Mitarbeiter mitunter nicht machbar.
Bei den Next 10 besteht in der Regel ein umfassender Support zwischen Mitarbeitern mit höheren und niedrigeren Karrierestufen, wodurch ein besserer Austausch zu den Bedürfnissen und Entwicklungsmöglichkeiten stattfindet. Die Bezahlung fällt bei beiden Unternehmensgruppen nicht sonderlich auseinander. Daran knüpft sich ein weiterer Punkt, worin sich die Next 10 zu den Big 4 abheben: Die Individualität der eigenen Mitarbeiter. Bei den Next 10 können sich vor allem junge Mitarbeiter tendenziell besser im Unternehmensnetzwerk positionieren. Dadurch ist es unkomplizierter, eigene Fachthemen zu platzieren und im Netzwerk und im Kollegenkreis sichtbar zu werden. Aufgrund der Vielzahl an Mitarbeitern geht man damit bei den Big 4 tendenziell eher unter – zumal es für viele Themen schon jahrelang Ansprechpartner gibt. Bei den Next 10 kann man sich daher zu bestimmten Themen auch bereits in den unteren Karrierestufen schneller ein Standing im Unternehmen erarbeiten und sich über die Berufsjahre zu einem konkreten Ansprechpartner etablieren. Zudem ist es einfacher im Unternehmensnetzwerk Kontakte aufzubauen, da das Netzwerk viel familiärer ist als bei den Big 4.
Ein weiteres Thema ist die Abwechslung und Vielfalt im Arbeitsalltag. Bei den Next 10 sind die Tätigkeiten mitunter abwechslungsreicher, aufgrund kleinerer Mandatsgrößen. Dadurch erhalten die Mitarbeiter einen Einblick in verschiedene Sachverhalte sowie Fachthemen, prüfen diverse Bilanzposten und lernen verschiedene Prüfungsteams kennen. Bei den Big 4 Gesellschaften sitzt man mitunter mehrere Monate in einem Prüfungsteam bei einem Mandat zusammen. Somit ist man bei den Next 10 als junger Assistent automatisch näher an den Mandanten, kann eine Prüfung von vorne bis hinten überblicken und nicht nur zwei Prüfungsgebiete über mehrere Wochen bearbeiten. Demnach ist es schneller möglich, eigene kleine Prüfungsmandate zu übernehmen und zu verantworten. Dabei geben die Next 10 einen gewissen Freiraum in der Gestaltung der Arbeitsprozesse und der Bearbeitung der einzelnen Projektstufen.
Während man bei den Next 10 vielleicht mehr Abwechslung in einer Abschlussprüfung hat, trifft man bei Big 4 Prüfungen dagegen eher auf Spezialthemen. Hier sind die Big 4 aufgrund ihrer Grundsatzabteilungen definierter aufgestellt. Sie greifen dabei auf ein großes Netzwerk mit breitem Fachwissen zurück. Es gibt riesige Expertenteams zu einzelnen Fachthemen, wie IFRS-Sonderthemen, Steuerthemen oder diverse Nachhaltigkeitsthemen. Diese haben sich über Jahre etabliert und werden insbesondere bei Sonderthemen bei großen Prüfungsmandaten eingespannt. Diese Themen können mitunter auch zielführend für die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter sein. Bei den Next 10 gibt es auch Fachexperten für Spezialthemen. Allerdings finden diese sich in kleineren Teams wieder.
Bei den Förderungen und Weiterbildungsprogrammen ähneln sich die Unternehmensgruppen. Die Next 10 fördern die Berufsexamina mit relativ hohen Summen und ziehen dadurch teilweise an den Big 4 vorbei. Ebenso werden duale Bachelor-, Master- und Promotionsprogramme großzügig unterstützt.
Schlussendlich gibt es sowohl bei den Big 4 als auch Next 10 Vor- und Nachteile. Beide bieten aber grundsätzlich sehr gute Karrierechancen. Welcher Karrierepfad bei dem einen oder anderen nun besser passt, muss jeder Absolvent, der in dem Bereich Karriere machen möchte, selber wissen. Das kann man gut über Praktika oder Werkstudentenjobs herausfinden.
Die einen Absolventen werden die Big 4 bevorzugen und aus gutem Grund werden manche Absolventen die Next 10 bevorzugen. Die geringen Differenzierungsmerkmale können für manch einen aber entscheidend sein. Die Frage ist dabei nur, wie man die Karrierepfade begehen und zu seinem beruflichen Ziel gelangen möchte.