„Unternehmen brauchen mehr ‚masculine energy‘“, behauptet Mark Zuckerberg. Für den CEO von Meta ist die Geschäftswelt in den letzten Jahren zu weiblich geworden. Hat sich da einer zu tief gebückt, um den Ring des amerikanischen Präsidenten zu küssen? Oder wird es zukünftig zum Trend, Frauen mit dem Hinweis auf fehlendes Testosteron gezielt Aufstiegschancen zu verbauen? Die Trump-Administration jedenfalls konzentriert sich darauf, ihre Anti-Wokeness-Kampagnen weiter auszurollen. Während Diversity-Programme in Unternehmen über Jahre voller Überzeugung aufgebaut wurden, droht nun ein Backlash und Verlust von Akzeptanz. Wie beurteilen weibliche Top-Managerinnen aus Deutschland diese Entwicklung und was raten sie jungen Student:innen in Hinblick auf ihre Karriereplanung?
Diversity, Equity & Inclusion (DEI) stehen unter Beschuss
In den USA verschärft sich die Lage – Donald Trump hat DEI-Programme per Dekret aus Bundesbehörden verbannt. Das US-Bildungsministerium geht aktuell gegen rund 50 Hochschulen vor, die weiterhin Programme zur Förderung benachteiligter Gruppen anbieten. Ivy-League-Unis wie das MIT, Yale oder Berkeley stehen im Fokus der Ermittlungen, weil sie Stipendien gezielt an Minderheiten vergeben haben. Trumps Argument: Leistung zählt, nicht Identität. Doch Kritiker:innen warnen: Diese Politik zerstört langfristig Chancengleichheit – und könnte sich auch auf die Arbeitswelt ausweiten.
Während der Anti-Wokeness-Trend in den USA konkrete Konsequenzen hat, stellt sich die Frage: Wird der Kampf gegen Diversity nach Europa überschwappen? Die Debatte ist längst in Deutschland angekommen. Doch wer mit Frauen in Wissenschaft und Führung spricht, merkt schnell: Vielfalt ist keine nette Zugabe, sondern essenziell für Innovation und wirtschaftlichen Erfolg in unserer Demokratie.
Diversity unter Druck und Demokratie gleich mit?
Dass Vielfalt angegriffen wird, ist kein Zufall. Es geschieht in einem größeren Kontext – einem, der weit über die Wirtschaft hinausgeht. „Weltweit steht die Demokratie unter Druck, in vielen Regionen ist sie sogar auf dem Rückzug. Der Demokratie-Index der Economist Intelligence Unit zeigt, dass wir auf einem historischen Tiefstand sind. Nur noch acht Prozent der Weltbevölkerung leben in vollständigen Demokratien, während 40 Prozent in autoritären Regimen leben“, erklärt Dr. Anna Herrhausen, Vorständin der Phineo gAG. „Das ist ein globales Phänomen, das auch hier in Deutschland spürbar ist.“
Dieser Druck hat direkte Auswirkungen auf Unternehmen. Denn wenn Staaten Gleichberechtigung als „Bedrohung“ inszenieren, sickert diese Haltung auch in die Wirtschaft. Plötzlich wird Vielfalt nicht mehr als Stärke gesehen, sondern als Risiko. Doch das ist ein fataler Irrtum – denn Studien belegen das Gegenteil!
Unternehmen, die auf Vielfalt setzen, sind innovativer, widerstandsfähiger und erfolgreicher. Wer sich heute gegen DEI stellt, entscheidet sich bewusst für Stillstand.
Warum Unternehmen nicht auf Vielfalt verzichten können
Erfolgreiche Unternehmen setzen längst auf Vielfalt – nicht aus Imagegründen, sondern aus Überzeugung und wirtschaftlicher Notwendigkeit. „Viele Studien zeigen, dass Unternehmen ihre Kunden nur verstehen können, wenn ihre Belegschaft ein Abbild der Gesellschaft ist“, sagt Heike Prinz, CTO von Bayer. „Gute Teams sind diverse Teams – keine Gruppen aus Abziehbildern mit identischem Background.“
Dennoch hält sich die Vorstellung, DEI sei nur ein Wohlfühlprogramm für „Woke-Aktivisten“. Dabei ist Vielfalt ein Wirtschaftsfaktor. Unternehmen, die Diversität ignorieren, schaden sich selbst.
Zu einem vielfältigen Team gehören eben auch unter anderem Frauen – auf Führungsebene und in allen Sektoren. Die Realität in MINT-Berufen und anderen männerdominierten Branchen zeigt: Frauen müssen oft stärker kämpfen, um ernst genommen zu werden. Das bestätigt auch Dr. Annette Hamann, CIO von Beiersdorf: „Nach meiner Erfahrung steht man in männerdominierten Bereichen stärker unter Beobachtung und wird schneller kritisiert. Doch Frauen bringen wertvolle Fähigkeiten mit – und darauf sollte man aufbauen.“
Ein Schlüsselfaktor, um diesen Druck in Stärke zu verwandeln: Mehr Sichtbarkeit für Frauen in Führung und MINT-Berufen. Denn nur, wer gesehen und gehört wird, kann auch etwas verändern.
Sichtbarkeit als Schlüssel: Warum Role Models und Netzwerke jetzt noch wichtiger werden
Gute Leistung allein reicht oft nicht aus – gerade in männerdominierten Branchen muss man auch wahrgenommen werden. „Seid sichtbar. Meldet euch zu Wort. Sagt eure Meinung“, rät Dr. Alexandra Kohlmann, Geschäftsführerin der ROWE Group. „Und noch ein Insider-Tipp: Es gibt immer informelle Strukturen, in denen Entscheidungen fallen. Wer nicht Teil davon ist, bleibt außen vor.“

Diese Netzwerke entscheiden oft, wer gefördert wird. Deshalb ist Networking für Frauen essenziell: Es schafft Zugang zu wichtigen Gesprächen und Möglichkeiten. Wer nicht mitredet, wird übergangen. Doch Sichtbarkeit allein reicht nicht, wenn die Unternehmenskultur veraltet bleibt.
Dafür sollte jede und jeder Einzelne seinen Beitrag leisten. Es braucht die innere Überzeugung, den Platz verdient zu haben – trotz möglicher Hindernisse. Dabei gilt es, die eigenen Stärken auszuspielen und sich nicht von persönlichen Schwächen limitieren zu lassen.
Führung im Wandel: Was wirklich zählt
Die gute Nachricht: Immer mehr Unternehmen verabschieden sich von alten Rollenbildern. „In meinem Arbeitsumfeld zählt, was jemand tut – nicht, ob die Person ein Kleid oder einen Anzug trägt“, sagt Dr. Laura Sophie Dornheim, CDO der Stadt München. „Diesen Führungsstil möchte ich vorleben – er ist die Zukunft.“
Doch für echten Wandel braucht es mehr als Diversity – es braucht Inklusion. Vielfalt allein genügt nicht, wenn nicht alle Beteiligten die Möglichkeit haben, sich einzubringen. „Neben Diversität braucht es Inklusion. Teams müssen nicht nur unterschiedlich besetzt sein, sondern jedes Mitglied muss tatsächlich gehört werden“, erklärt Heike Prinz von Bayer.
Und selbst wenn Strukturen sich öffnen, bleibt der Weg nach oben herausfordernd. Aufstieg entsteht nicht allein durch harte Arbeit – sondern durch gezielte Förderung und strategische Entscheidungen. „Man kann die gläserne Decke durchbrechen – aber das erfordert aktives Engagement und Entschlossenheit“, sagt Anne Laure de Chammard Mitglied des Vorstands bei Siemens Energy. „Ich ermutige alle Mädchen und Frauen, ihre Ziele konsequent zu verfolgen und sich gegenseitig zu unterstützen.“
Es geht nicht nur um Gleichberechtigung – es geht um Fortschritt
Die Entwicklungen in den USA sind eine Warnung. Wenn wir Diversity nicht aktiv verteidigen, droht ein Rückschritt. Der Anti-Wokeness-Trend zeigt, dass Errungenschaften nicht selbstverständlich sind – sie müssen immer wieder neu erkämpft werden.
Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich gerade amerikanische Unternehmen – die zugleich wertvolle Arbeitgeber in Deutschland sind – bei dem Thema DEI positionieren werden. Können sie eigenständig in Europa agieren? Oder wird es eine Order aus den USA geben, die vor allem dem US-Präsidenten gefallen soll?
Unternehmen, die auf Vielfalt setzen, sind innovativer, widerstandsfähiger und erfolgreicher. Wer sich heute gegen DEI stellt, entscheidet sich bewusst für Stillstand. Europäische Unternehmen sollten in dem US-Kurs eine Chance sehen, mit einem weltoffenen Menschenbild die besten Talente nicht nur auf dem alten Kontinent zu halten, sondern auch aus aller Welt anzuziehen.
Die meisten Gespräche der im Beitrag zitierten Top-Managerinnen wurden im März im Rahmen des MMK an der TU München geführt.