Wirtschaftsprüfer ist seit jeher ein attraktiver Beruf für Studienabsolventen. Welche Herausforderungen kommen in Zukunft auf die Branche zu? Und worauf sollten Bewerber bei Wirtschaftsprüfungsunternehmen achten? Das erklärt Prof. Dr. Edgar Löw, Professor mit Schwerpunkt Bankenrechnungslegung sowie nationale und internationale Bilanzierung von der Frankfurt School of Finance & Management.
Ein Generationenwandel in der Branche, gestiegene Erwartungshaltungen der Mandanten und die allumfassende Digitalisierung – die WP-Branche steht vor tiefgreifenden Umbrüchen. Wie will sie auf diese Herausforderungen reagieren? Und wie sieht der Beruf des Wirtschaftsprüfers in Zukunft aus?
Die WP-Branche sieht sich schwindenden Bewerberzahlen hochqualifizierter junger Studienabsolventen ausgesetzt, was sich schon in der Zahl von Kandidaten für das WP-Examen niedergeschlagen hat. In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl von Bewerbern für das WP-Examen um die Hälfte verringert. Gleichzeitig werden in den kommenden Jahren überproportional viele Berufsangehörige in die Altersgruppe über 65 Jahre hineinwachsen, weit mehr als die Hälfte der Wirtschaftsprüfer sind heute schon über 50 Jahre alt. Dieser Trend lässt sich nur durchbrechen, wenn sich die Branche auf veränderte Bedürfnisse ihrer (potenziellen) Mitarbeiter einstellt. Ansonsten schwindet nicht nur die pure Anzahl von Wirtschaftsprüfern, sondern auch die Qualität der Neueinsteiger. In den vergangenen Jahren wurden zwar erste Maßnahmen der Gegensteuerung ergriffen, aber längst nicht vehement genug.
Das WP-Examen gilt nach wie vor – zu Recht – zu den schwierigsten Berufsexamina in Deutschland. Es ist in dieser Form aber nicht zeitgemäß. Die zunehmende Digitalisierung spiegelt sich in den Anforderungen der Examina nicht wider. In Zukunft werden Kenntnisse, wie sie in der empirischen Forschung angewendet werden, immer wichtiger, um aus der Vielzahl gelieferter Daten sinnvolle logische Verknüpfungen aufbauen und richtige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Digitalisierung ist mehr als lediglich zunehmende Automatisierung. Hierauf hat sich die Branche einzustellen. Dies gilt allenfalls partiell für die technischen Veränderungen – hier sind einige WP-Gesellschaften ihren Kunden teilweise sogar überlegen –, sondern vor allem für das Tätigkeitsprofil des künftigen Prüfers. Routinetätigkeiten werden überwiegend entfallen, hochqualifizierte Tätigkeiten, die analytische Fähigkeiten der Mitarbeiter erfordern, demgegenüber zunehmen. Damit steht die Branche vor einem Ausbildungsdilemma. Sie benötigt Mitarbeiter mit hoher fachlicher Qualifikation und entsprechender Erfahrung. Der Erwerb einer solchen Berufserfahrung verläuft künftig nur noch bedingt durch eine Ausbildung beim Mandanten, bei der eine sukzessive Übernahme ansteigender Anforderungen über Jahre hinweg nicht nur das notwendige Fachwissen in praktischer Anwendung vertieft, sondern auch einen wichtigen Erfahrungsschatz aufbaut.
Das WP-Examen hat auf diese Änderungen ausgerichtet zu werden. Es gilt, zügig vorausschauend zu agieren, um nicht später unausgegoren zu reagieren. Dabei ist darauf zu achten, dass die Qualitätsanforderungen im WP-Examen nicht abnehmen, sondern die Prüfungsschwerpunkte verändert werden. Die Regelungen im Steuerrecht sind beispielsweise so komplex und ändern sich so schnell, dass Deutschland nicht nur an der Weltspitze der produzierten Steuerfachliteratur liegt, sondern selbst steuerliche Experten sich fachlich arbeitsteilig aufstellen. Trotzdem darf jeder Wirtschaftsprüfer steuerlich vollumfänglich tätig werden. Dies ist nicht zeitgemäß und darüber hinaus mit Haftungsrisiken verbunden. Wenn ein mittelständischer Wirtschaftsprüfer einen Großteil seiner Tätigkeit mit steuerberatenden Aufgaben verbringt, sollte er zur fachlichen Beratung das Steuerberaterexamen verpflichtend zu absolvieren haben. Damit könnte der Anteil des Steuerrechts am WP-Examen deutlich verringert werden und sich beispielsweise auf den Umfang und Tiefgang der zu vermittelnden Rechtsthemen beschränken. Ähnliches gilt für volkswirtschaftliches Wissen. In den vergangenen Jahren wurden Anforderungen an makroökonomische Kenntnisse ausgeweitet. In der Berufspraxis sind mehr als leicht vertiefte Zusammenhänge in der Regel jedoch nicht gefragt. Über diese Beispiele hinausgehend gibt es weitere Reduzierungsmöglichkeiten, um Räume für zukunftsträchtige Themenstellungen, wie die Digitalisierung, zu eröffnen.
Das Berufsbild wird sich nicht nur fachlich, sondern auch im Profil der Person des Wirtschaftsprüfers selbst grundlegend neu ausrichten. Die Zeiten des ärmelschonertragendenden Erbsenzählers sind schon lange vorbei. Trotzdem hält sich das verstaubte Image in der Öffentlichkeit. Die eingeführte zwangsweise Rotation der WP-Gesellschaft verlangt immer mehr, Mitarbeiter einzustellen, die beides können, prüfen und beraten. Damit einher geht das Anforderungsprofil an die Persönlichkeit – weniger rückwärtsgewandte Prüfung, stärker zukunftsgestaltende Beratung. Wirtschaftsprüfer haben flexibler einsetzbar zu sein. Es gibt Jahre, in welchen die Prüfung im Vordergrund steht, welchen Jahre mit hoher Beratungstätigkeit folgen – und umgekehrt. Die Notwendigkeit, sich selbst zu verändern, wird steigen. Ein zwingendes Erfordernis, gleichzeitig den Arbeitgeber zu wechseln, ist damit nicht verbunden. Gleichwohl erhöht sich die Attraktivität solcher Persönlichkeiten für Berufsveränderungen innerhalb der Branche im engeren Sinne, zwischen WP-Gesellschaften und Beratungsunternehmen, aber auch in Unternehmen unterschiedlicher Branchen.
Die Regulatorik wird sich fortsetzen, die zwangsweise Rotation ist lediglich ein Beispiel. Die Öffentlichkeit erwartet mehr von dem Wirtschaftsprüfer als eine Bestätigung, dass Bilanzierungsregeln eingehalten sind. So, wie Vorstände global handelnder Unternehmen durch ihre Eigentümer zunehmend kritisch hinterfragt werden, wird ein Bedürfnis nach weiter- und tiefergehenden Auskünften an den Wirtschaftsprüfer herangetragen. Die Berichterstattung über die wesentlichsten Prüfungsschwerpunkte als jüngste Rechtsverpflichtung ist nur der Anfang. Forderungen, die Wirtschaftsprüfer sollten den Aktionären in der Hauptversammlung Rede und Antwort stehen, liegen bereits vor. Auf Dauer wird sich die Branche nicht hinter der Verschwiegenheitspflicht und Haftungsüberlegungen verstecken können. Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, eine offenere Kommunikation wird verlangt und über vielfältige Kanäle, einschließlich der Social Media auch gewährt. Den veränderten Informationsbedürfnissen von Aktionären kann sich die WP-Branche dauerhaft nicht verschließen. Der künftige Wirtschaftsprüfer wird insofern über adäquate Kommunikationseigenschaften zu verfügen haben.
Die Regulatorik wirkt indes nicht nur auf den Berufsstand selbst, sondern umfasst auch die Unternehmen. Dadurch lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen. Seit kurzer Zeit gibt es Anforderungen an eine Unternehmensberichterstattung auf dem Gebiet der Corporate Social Responsibility. Noch besteht keine Prüfungspflicht und schon gar nicht durch einen Wirtschaftsprüfer. Die Verantwortung liegt derzeit allein beim Aufsichtsrat. Aber schon aus Haftungsgründen beauftragen Aufsichtsräte in der Regel WP-Gesellschaften. Von dem Prüfer wird erwartet, sich in Gebiete einzuarbeiten, die ihm traditionell eher fernliegen, um darüber ein Prüfungsurteil abzugeben. Die Vielfältigkeit der Aufgaben wird insofern zunehmen, was den Beruf anspruchsvoller und auf Dauer attraktiver gestalten wird.
Zusätzlich wird die Nachhaltigkeit in vielfacher Hinsicht eine zentrale Rolle spielen. Dies gilt für die Geschäftsmodelle der Mandanten, vom Produktionsunternehmen bis hin zu Banken und deren Kreditvergabe in grüne oder braune Unternehmen sowie der entsprechenden Einflüsse auf deren Risikobetrachtung, aber natürlich auch für die Wirtschaftsprüfer selbst, die deutlich komplexere Produkte und Produktionsprozesse auf die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien und –vorschriften hin zu prüfen haben werden.
Insgesamt steht die Branche einschneidenden Veränderungen gegenüber. Marktprozesse im Bereich der Wirtschaftsprüfung sorgen für Marktbereinigungen. Tendenzen zur Größe und zu Spezialisierungen werden sich mit steigender Geschwindigkeit fortsetzen.
Die Digitalisierung macht auch vor dem Berufsfeld Wirtschaftsprüfung nicht halt. Was empfehlen Sie diesbezüglich Studierenden, die eine Karriere als Wirtschaftsprüfer anstreben?
Die Digitalisierung wird fortschreiten und das Arbeitsleben sowohl der Mandanten als auch des Wirtschaftsprüfers deutlich verändern. Hierbei handelt es sich um weitaus mehr als um bloße Automatisierung oder eine schnellere Datenverarbeitung. Es geht um eine (logische) Verknüpfung von Daten, um das Ableiten von Gesetzmäßigkeiten und das Erkennen von Ausreißern. Klassische finanzielle Kennziffern werden mit Informationen aus den Social Media verbunden. Viele denken dabei sofort an gezieltere Werbung. Dies ist aber nur der allgemein bekannte Bezug zur Digitalisierung. Andere beziehen sich auf 3-D-Drucker im Produktionsprozess. Im Dienstleistungsbereich von Banken lassen sich gezielte Anlagestrategien ohne Beratereinsatz deutlich besser auf die Bedürfnisse von Kunden zuschneiden. Selbst einfache Rechtsberatung lässt sich ohne Einschaltung eines Anwalts praktizieren. Im Versicherungsbereich werden Risiken des Fahrers eines PKW genauer berechenbar, die Prämien können sehr stark individualisiert werden. Tradierte Geschäftsmodelle werden verschwinden, neue in sehr hoher Geschwindigkeit entstehen.
Angehende Wirtschaftsprüfer sollten unbedingt während des Studiums oder in ihrer Berufstätigkeit wissenschaftlichen Analysemethoden einen breiten Raum eröffnen. Sie werden nicht selbst programmieren, sie werden aber an der Programmierung als fachlich Sachverständige mitwirken und später die Ergebnisse zu interpretieren haben. Grundlagen der empirischen Wirtschaftsforschung fördern, das entsprechende Rüstzeug zu erwerben. Dabei ist wichtig, Grundannahmen über Kausalzusammenhänge erarbeiten und die Aussagegrenzen bestimmter Ergebnisse einschätzen zu können.
Eine universitäre Ausbildung hat schon immer großen Stellenwert auf die Vermittlung bestimmten Methodenwissens gelegt. Es wird wichtig, komplexe Sachverhalte zu verstehen, in ihnen enthaltene Probleme zu erkennen, in lösbare Teilprobleme zu zerlegen, diese einer Lösung zuzuführen und alles zu einer Gesamtlösung zu verdichten. Studierende sollten in den einzelnen Studien mithin nicht auf dem Niveau der Lösung eines ganz spezifischen Falles in einer Case Study verbleiben, sondern sich viel stärker mit der Lösungsstruktur beschäftigen. Dies erfordert hohe analytische Fähigkeiten, die sie sich aneignen sollten.
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Wirtschaftsprüfung klingt für viele erst einmal nach eintönigem Abgleich von Bilanzposten. Aber welche Aufgaben nimmt ein Wirtschaftsprüfer darüber hinaus in einem Unternehmen wahr? Und was macht das Berufsfeld besonders spannend?
Durch die Prüfungstätigkeiten lernt der Prüfer ein Unternehmen sehr genau kennen. Er vermag die Strategie zu hinterfragen und die Angemessenheit der operativen Umsetzung zu beurteilen. Die gesamte Unternehmenstätigkeit spiegelt sich in dem theoretischen Modell der Bilanzierung wider. Je nach Sinn und Zweck der zugrundeliegenden Bilanzierungstheorie lassen sich sehr genaue Aussagen ableiten. Indem der Wirtschaftsprüfer im Laufe seiner Berufsjahre nicht nur ein einziges Unternehmen kennenlernt, kann er zum wichtigen Gesprächspartner für den Finanzvorstand und den Vorstandsvorsitzenden werden. Bei mittelständischen Unternehmen liegt hierin ein besonderer zusätzlicher Nutzen für die oberste Führungsebene, die häufig intern nur gefilterte Informationen erhält. Dazu ist erforderlich, dass der Wirtschaftsprüfer nicht nur kleinkariert die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kontrolliert, sondern aus dem Zahlenwerk sich ein Gesamtbild verschafft. Mit seiner Branchenexpertise kann er den Unternehmer auf Trends hinweisen und zu einem gesuchten Gesprächspartner werden.
Mit dem profunden Wissen nach abgeschlossenem Wirtschaftsprüferexamen lässt sich mithin sehr gut in die Beratung wechseln. Der Beratungsansatz des ausgebildeten Wirtschaftsprüfers zeichnet sich durch fachlichen Tiefgang aus und reicht über ein reines Folienauflegen weit hinaus. Wer nicht in der Lage ist, die entsprechenden Vorstellungen in der Praxis zu implementieren, wird scheitern. Auf Dauer lassen sich zwischen der reinen Wirtschaftsprüfung und der reinen Beratungstätigkeit weitere Synergien heben – durch Nutzung der Digitalisierung und personellen Austausch.
Im Arbeitsalltag gleicht kein Tag dem anderen – und auch kein Mandant dem anderen. Insofern ist der Beruf sehr vielfältig und abwechslungsreich. Langeweile kann so nicht aufkommen, Veränderungsbereitschaft und fähigkeit sind zentral für die Ausübung des Berufs, gepaart mit Genauigkeit und Tiefgang. Jüngste medienwirksame Fälle zeigen, wie genau, wie kritisch und tief (eigentlich) vorzugehen ist. Mit reiner Routine hat dies nicht das Geringste gemeinsam.
Abgesehen davon hat der Wirtschaftsprüfer Rückgrat zu besitzen, um auch in ethischen Konfliktsituationen seinen Beruf zum Wohle der verschiedenen Rechnungslegungsadressaten auszuüben. In der Finanzmarktkrise gab es zahlreich vorgetragene Kritik, vielfach durchaus berechtigt, dass die Wirtschaftsprüfer zu nachgiebig gewesen seien. Die Einführung der Zwangsrotation durch die EU war eine der Folgen. Daraus scheint der Berufsstand gelernt zu haben. Jedenfalls achten die Wirtschaftsprüfer inzwischen Krise sehr genau auf eine Einhaltung der Bilanzierungsvorschriften, nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch nach deren Sinn und Zweck. Dies ist für das Ansehen des Berufsstandes von fundamentaler Bedeutung. Wer einem Mandanten fachlich fundiert gegenübertritt, leistet einen wichtigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Geld- und Kapitalmärkte – eine gesellschaftlich relevante Aufgabe. Einzelne Gegenbeispiele, etwa Bilanzierungsskandale aufgrund betrügerischen Mandantenverhaltens, vermögen den insgesamt positiven Gesamteindruck in der Entwicklung nicht, zu überlagern. Gleichwohl schaden sie dem Ruf der gesamten Branche.
Prof. Dr. Edgar Löw arbeitete während seiner beruflichen Laufbahn in der Bilantzabteilung der Deutschen Bank sowie als Wirtschaftsprüfer bei KPMG und Ernst & Young. Seit 2014 ist Löw Professor für Rechnungslegung an der Frankfurt School of Finance and Management sowie Programmdirektor der Studiengänge Master in Auditing, M&A Master, Master of Financial Law und Master of Corporate Performance and Restructuring. Darüber hinaus ist er Mitglied in zahlreichen nationalen und eurpäischen Gremien, etwa der European Banking Authority, dem European Banking Institute und dem Institut der Wirtschaftsprüfer.
Von den Studienabsolventen wird meist verlangt, dass sie schon während ihres Studiums Berufserfahrung sammeln. Allerdings kommt der Praxisanteil in der universitären Ausbildung häufig etwas kurz. Wie erleichtern Sie den Studierenden an Ihrer Hochschule den Berufseinstieg nach ihrem Abschluss?
Der Master in Auditing an der Frankfurt School, der unmittelbar auf das WP-Examen vorbereitet, wird ausschließlich berufsbegleitend angeboten. Zulassungsvoraussetzung ist eine sechsmonatige Tätigkeit bei einer WP-Gesellschaft, wovon mindestens drei Monate in der Prüfung zu absolvieren sind, nach Abschluss des Bachelor-Studiums und vor Beginn des Masterstudiums und ein Anstellungsvertrag mit einer WP-Gesellschaft. Dadurch wird bereits eine erste Berufserfahrung gesammelt, bevor das Studium begonnen wird. Dann ist das Zeitmodell so ausgerichtet, dass es den Bedürfnissen des Berufs exzellent entgegenkommt. Studiert wird in den Monaten Mai, Juni, Juli und dann wieder September und Oktober. Die übrige Zeit des Jahres, also die so genannte Busy Season, verbringen die Studierenden vor Ort beim Mandanten. Dadurch sammeln sie permanent praktische Erfahrungen, werden mit steigenden Aufgaben betraut und erhalten kurz nach Abschluss des Studiums und unter der Voraussetzung eines erfolgreich absolvierten WP-Examens in der Regel bereits eine Managerposition. Die enge Verzahnung von theoretischem und gleichzeitig praxisrelevantem Wissen an der Universität und die Erprobung in der Praxis führen zu einer exzellenten Verzahnung von Theorie und Praxis sowie einer vorprogrammierten Karriere in kurzer Zeit.
Was sind ihre persönlichen Berufs- und Forschungsschwerpunkte?
Ich habe vor meiner Tätigkeit als Professor an der Frankfurt School zu Beginn meiner Laufbahn sechs Jahre in der Rechnungslegung bei der größten deutschen Bank gearbeitet, die als erste Bank weltweit die internationalen Bilanzierungsregeln (IAS/IFRS) eingeführt hat. Danach bin ich in die Wirtschaftsprüfung gewechselt und fungierte bei zwei Big Four Gesellschaften fast fünfzehn Jahre als Leiter der entsprechenden Abteilungen als letzte Instanz in Fachfragen zur Bilanzierung von Banken. Nach wie vor bin ich in entsprechenden Arbeitskreisen auf nationaler und europäischer Ebene der Wirtschaftsprüfer tätig sowie bei der European Banking Authority in deren Banking Stakeholder Group, eine Art von Beratungsgremium der EBA. Meine Forschungsaktivitäten zeichnen sich daher durch eine hohe Praxisnähe aus. Insofern liegt quasi auf der Hand, dass ich mich intensiv mit Fragen der Bankbilanzierung nach HGB und IFRS, mit dem Liquiditäts- und Risikomanagement von Banken (aber auch von Industrie- und Handelsunternehmen) sowie der Aufsicht über Banken beschäftige. Bei der Bilanzierung geht es nicht nur um den Ansatz und die Bewertung, etwa die Bildung der Risikovorsorge von Banken, sondern ergänzend um die Offenlegungsqualität, die leider oftmals zu wünschen lässt. Hier ist von der Praxis noch viel zu leisten. In den letzten Jahren kamen Querverbindungen zur Wirtschaftsprüfung hinzu, also das Thema der wichtigsten Prüfungsschwerpunkte (Key Audit Matters), die oftmals zu allgemeine Berichterstattung durch den Aufsichtsrat, die Offenlegung von Corporate Social Responsibility sowie von Sustainable Finance und deren Abbildung in den Konzernabschlüssen. Da ich mich in der Lehre um Berufsethik der Wirtschaftsprüfer kümmere, gewinnt auch dieses Gebiet für mich an Bedeutung und wird sich noch deutlich verstärken.
Ich will eine Karriere im Berufsfeld Wirtschaftsprüfung einschlagen, bin aber angesichts der Angebotsvielfalt in der Branche noch etwas unsicher. Wie finde ich einen Arbeitgeber, der zu mir passt?
Bei der Auswahl der geeigneten WP-Gesellschaft spielen ähnliche Faktoren eine Rolle, wie bei der Wahl eines Industrie- oder Handelsunternehmens oder einer Bank. Die großen Unternehmen sind global aufgestellt und verfügen über ein internationales Netzwerk. Sie benötigen ab einer bestimmten Komplexität des eigenen Hauses und der Mandanten ein hohes Maß an Spezialisierung. Die Karriere ist sowohl in fachlicher Hinsicht, etwa in einer Grundsatzabteilung, denkbar, als auch auf akquisitorischem Gebiet durch Mandatsgewinnung und Mandatsbetreuung. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Regelinterpretation sind Abstimmungsprozesse etabliert, auf nationaler und internationaler Ebene. Die Fortbildung ist aufgrund der zahlreichen Mandatserfahrungen von hoher Qualität – sowohl in theoretisch-fachlicher Hinsicht als auch didaktisch. Der Berufseinsatz kann auf mittelgroßen Mandaten erfolgen, es besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Betreuung der ganz großen Unternehmen. Dies verspricht auf den ersten Blick Glanz und intrinsische Anerkennung. Andererseits wird oftmals berichtet, dass ein wertschätzender Umgang mit Mitarbeitern teilweise deutlich ausbaufähig sei.
Im Zuge der externen Rotation des Wirtschaftsprüfers wechseln Mitarbeiter inzwischen viel schneller von einer WP-Gesellschaft zur anderen, womit sich die Unternehmenskulturen angleichen. Gleichwohl ist festzustellen, dass einigen WP-Gesellschaften ein stärkeres organisches Wachstum gelungen ist, wobei die Unternehmenskultur leichter erhalten bleibt, während andere WP-Gesellschaften eher durch Zugänge von erfahrenen Teams ihre Personalstärke erreicht haben. Bei solchen WP-Gesellschaften ist es davon abhängig, inwieweit die bisherigen Partner eine Tradition der Integration leben, oder die neuen Teams eher um ihrer Kundenkontakte wegen angeworben werden und es in der Folge zu einer Isolierung oder gar zu einer Ansammlung von eher kleinteiligen Einzelunternehmen ohne richtiges Zusammengehörigkeitsgefühl kommt.
Demgegenüber bietet eine weniger große WP-Gesellschaft bisweilen ein eher familiär-vertrautes Umfeld, in welchem sich die Kollegen sehr gut kennen und schätzen und wo die Antwort auf eine Fachfrage auf sehr kurzem Dienstweg zu erhalten ist – vielleicht allerdings zuvor nicht international abgestimmt wurde, woraus gewisse Risiken entstehen können. Die Wertschätzung untereinander ist oftmals sehr hoch. Dies bringt Arbeitszufriedenheit mit sich. Die Kundengruppe stellen überwiegend Unternehmen mittlerer Größe dar. Damit ist das Mandat in seiner geringeren Komplexität besser erfassbar, Zusammenhänge werden erkennbar, das Gesamtbild lässt sich leichter erschließen, weil insbesondere in jungen Berufsjahren keine zu starke Spezialisierung erfolgt. Die Kunden schätzen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sehr, eine Kundenbindung lässt sich schneller aufbauen.
Unterschiedliche Strategien zeigen sich auch hier. Einige WP-Gesellschaften folgen ihren Kunden ins Ausland mit überwiegend eigenen Mitarbeitern und stellen vor Ort lediglich ergänzende lokale Mitarbeiter zur Ergänzung ein. Andere WP-Gesellschaften setzen auf reine Kooperationen mit rechtlich selbstständigen WP-Gesellschaften im Ausland. Wiederum andere kaufen lokale WP-Gesellschaften ein – mit der Folge einer mehr oder weniger aufwendigen Integration. Schließlich gibt es WP Gesellschaften, die sich Nischen suchen und dort hoch spezialisiert sind. Dies kann eine Ausrichtung auf eine bestimmte Branche sein oder auf sehr spezielle Fachgebiete, etwa Restrukturierungs- und Insolvenzfälle.
Am Ende aber hängt die Freude an der Arbeit sehr stark von der individuellen Umgebung am Arbeitsplatz ab, also vom Team, vom Manager, vom Partner, aber auch vom Umgang des Kunden mit den Mitarbeitern.
Im Vorfeld einer Bewerbung sollten mithin ein paar wenige Vorentscheidungen getroffen werden. Wird eher eine generalistisch oder eine spezialisierte Tätigkeit angestrebt, eher die Prüfung von sehr großen oder eher kleinen Unternehmen bevorzugt, eher die Wechselmöglichkeit in den Advisory Bereich oder eine sehr enge Verbindung zum Steuerrecht gesucht? Wenn möglich, sollten sich entsprechenden Vorentscheidungen, gezielte Recherchen anschließen und möglichst weiterführende Gespräche gesucht werden. Entweder verdichtet sich die ursprünglich vorgesehene Planung oder sie ist zu revidieren und neu zu starten. Über einen iterativen Prozess wird die persönliche Neigung letztlich herausgearbeitet und eine Priorisierung möglicher Arbeitgeber vorgenommen.
Es ist also im WP Bereich wie in jeder anderen Branche, wenn es um die Wahl des richtigen Arbeitgebers geht.
Was erwarten Arbeitgeber in der WP-Branche von mir, wenn ich mich bei Ihrem Unternehmen bewerbe?
Jede Gesellschaft sucht junge Mitarbeiter mit möglichst viel Berufserfahrung, sicherem Auftreten und herausragenden Akquisitionsfähigkeiten sowie abgeschlossenem WP-Examen zu einem sehr niedrigen Gehalt. In diesem Sinne bildet die WP Branche keine Besonderheit.
Um zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, ist zunächst (nur) die Papierform relevant. Der Lebenslauf hat vollständig zu sein. Außeruniversitäre Aktivitäten sprechen an, sind aber nicht von überragender Bedeutung. Abgesehen von den Noten, ist unbedingt darauf zu achten, dass die Form der Bewerbung vollendet ist. Tippfehler deuten auf Nachlässigkeiten hin, die dem Qualitätsanspruch des Berufs nicht gerecht werden. Grammatikmängel schlagen sich in späteren Berichten an den Mandanten nieder, wo sie nicht hingehören. Der Stil der Bewerbung und die Optik haben dem Berufsbild zu entsprechen und weichen in diesem Sinne fundamental von einer Tätigkeit in einem Werbeunternehmen ab.
Kommt es zum Gespräch, spielt die Fähigkeit, sich ausdrücken zu können, eine wichtige Rolle, denn ein großer Teil der täglichen Arbeit besteht in der Kommunikation – mit Kollegen und Vorgesetzten sowie mit dem Kunden auf jeglicher Hierarchieebene. Höflichkeit, gutes Benehmen und ähnliche traditionelle Eigenschaften sind in der Branche durchaus gefragt. Im Gespräch darf gelächelt werden. Ein griesgrämiger Mitarbeiter wird auch von Kollegen und vom Kunden ungern gesehen. Arroganz ist nicht gefordert, Selbstsicherheit und Rückgrat schon. Daneben sollte ein Bewerber einer WP-Gesellschaft ein gewisses Fachwissen mitbringen, mithin keine Schwierigkeiten haben, einen einfachen Buchungssatz unfallfrei bilden zu können – ohne Soll und Haben, Aktivseite und Passivseite sowie Aufwand und Ertrag zu verwechseln. Er sollte mithin die elementaren bilanziellen Zusammenhänge verstehen, um sein Interesse am Berufsstand zu untermauern.
So, wie ein Prüfungs- oder Beratungsauftrag lediglich gewonnen werden können, wenn eine inhaltliche Vorbereitung auf den potenziellen Mandanten erfolgt, sollte sich der Bewerber vor dem Gespräch auf sein Gegenüber vorbereiten. Dies gilt zwingend für die WP-Gesellschaft, über die es sich zwingend zu informieren gilt, es kann aber auch hilfreich sein, den Lebenslauf des Interviewpartners zu kennen – allerdings nicht, um ihm über dessen Leben zu berichten, denn dieses kennt er im Zweifel ohnehin besser, sondern um taktisch vorbereitet zu sein, wenn Fragen aus einer bestimmten Richtung kommen. Damit ist ein Bewerber für die meisten Eventualitäten seines Bewerbungsgesprächs sehr gut gerüstet.
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