Karriere kann man auch ohne häufige Unternehmenswechsel machen. Jedenfalls, wenn es nach Valentina Daiber geht, die als Frau im Vorstand von Telefónica Deutschland sitzt. Mit uns sprach sie über Karrierewege, persönliche Vorbilder und die Bedeutung von gegenseitiger Wertschätzung und Diversität im Unternehmen. Außerdem verrät sie uns, wie Telefónica mit dem Ausbau von 5G-Mobilfunknetzen die Digitalisierung vorantreiben und Deutschland nachhaltiger gestalten will.
Schildern Sie unseren Leser:innen doch bitte einmal Ihren bisherigen Werdegang.
Mein bisheriger Lebens- und Karriereweg war sehr abwechslungsreich. Vor über 20 Jahren startete ich als Referentin meine Laufbahn bei Telefónica / O2, damals noch Viag Interkom. Ich hatte mir damit ein sehr agiles Unternehmen in einem bewegten Marktumfeld ausgesucht, denn Ende der 90er Jahre eroberte die Mobilfunktechnologie den Privatkundenmarkt. Anfang der 2000er kam die Entwicklung hin zur verstärkten Datennutzung. Es gab die UMTS-Auktion, in der Unternehmen schwindelerregende Summen ausgaben. Auch das Unternehmen an sich hat sich immer weiter gewandelt: Viag Interkom wurde O2 und war zeitweise ein 100 Prozent britisches Unternehmen. Dann hat uns 2006 die spanische Telefónica gekauft. Also erfuhren wir einen Wechsel von der angelsächsischen zur spanischen Kultur.
Genau wie sich das Unternehmen bewegte, blieb auch ich in Bewegung: Ich habe die verschiedensten Aufgaben und Positionen übernommen. Über eine längere Periode auch in Teilzeit. Von der Rechtsreferentin im Bereich Regulierung zur Interessensvertretung im Rahmen der Verbandsarbeit, dann wieder Recht, gefolgt von Kommunikation und wieder Recht … Es sind genau dieser Wandel und die Interdisziplinarität, die meine Arbeit für mich so spannend machen. Heute bin ich Vorständin für die Bereiche Recht, Compliance, Corporate Security und Datenschutz, Regulierung, Public Affairs und Corporate Responsibility. Auch das ist wieder ein bunter Strauß an Zuständigkeiten, an dem man sieht, dass es kaum noch eindimensionale Verantwortungsbereiche gibt. Interdisziplinarität und lebenslanges Lernen sind eine Pflicht, vor der man keine Angst haben muss.
Inwieweit haben sie sich als junge Studentin oder Berufseinsteigerin einst einen Karriereplan gemacht? Wie gut konnten Sie ihn umsetzen?
Einen wirklichen Karriereplan hatte ich nie. Ich habe mich aber immer wieder mal gefragt: Was ist der nächste Schritt? Will ich den machen und wenn ja, wann und wie? Ein bisschen Strategie spielte also durchaus eine Rolle. Meine Wünsche und Ziele habe ich dann auch aktiv geäußert. Denn mit dem Wissen um die eigenen Stärken, Interessen und Ziele kann man selbstbewusst sein, sich sichtbar machen und aussprechen, was man im Unternehmen erreichen möchte. Wenn ich Gestaltungsräume bekommen habe, dann habe ich sie auch genutzt. Natürlich gab es auch auf meinem Weg Momente, in denen ich die Weichen nicht richtig gestellt habe oder mir der Mut fehlte, zu springen. Das Wichtige ist, aus solchen Situationen seine Lehren zu ziehen. Mir hat es geholfen, zu erkennen, dass die eigene Perspektive auf eine Herausforderung oft nicht mit der Wahrnehmung von außen übereineinstimmt. Wenn Mitarbeitende und Vorgesetzte sagen „du schaffst das“ und an einen glauben, dann sollte man sich diesem Optimismus anschließen. Insgesamt ist es immer besser, Neues zu versuchen und zuzulassen, dass man gegebenenfalls in die falsche Richtung geht oder Fehler macht. Diese lassen sich korrigieren. Das Leben ist schließlich keine Einbahnstraße!
Seit 2017 sind Sie Vorständin Recht & Corporate Affairs der Telefónica Deutschland. Wie schaffen Sie es, eine gute Führungskraft für Ihre Mitarbeiter:innen zu sein?
Was mir in der Vergangenheit geholfen hat, das gebe ich auch gerne meinen Mitarbeiter:innen weiter: Gestaltungsspielräume sowie Vertrauen und Wertschätzung. Denn eines ist ja klar: Nur weil ich im Vorstand sitze, heißt das nicht, dass ich alles weiß und kann. Und was für meinen eigenen Lebensweg gilt, das gilt selbstverständlich auch für meine Kolleg:innen: „Lieber mal in die falsche Richtung laufen, als gar nicht anzufangen.“ Wenn etwas schief geht, dann erkennen wir das im Team gemeinsam und erarbeiten eine Lösung. Ob mich das alles zur guten Führungskraft macht, das lasse ich lieber meine Mitarbeiter:innen beurteilen.
Bis Ende 2021 will Telefónica Deutschland über 30 Prozent der deutschen Bevölkerung mit 5G versorgen, bis 2025 sogar ganz Deutschland. Warum ist es für Sie von solch großer Bedeutung, den Ausbau möglichst schnell voranzutreiben und welche Chancen sehen Sie in dieser neuen Mobilfunktechnologie für die Umwelt?
Wir haben ehrgeizige Pläne und bauen 5G doppelt so schnell aus wie 4G. 5G ist der Mobilfunkstandard, der digitalen Lösungen einen ganz neuen Schwung gibt. Gleichzeitig meistert 5G die mit der Digitalisierung steigenden Datenvolumen mit bis zu 90 Prozent weniger Stromverbrauch pro Byte als Vorgängergenerationen. Und genau diese nachhaltige Digitalisierung brauchen wir, um Klimaziele zu erreichen. Laut dem Branchenverband Bitkom lassen sich in Deutschland allein durch digitale Technologien im Jahr 2030 bis zu 37 Prozent der Treibhausgas-Emissionen einsparen. Dieses Potential wird insbesondere in den emissionsintensiven Bereichen Energie, Verkehr und Industrieproduktion gehoben.
Können Sie uns dafür konkrete Beispiele geben?
Nehmen wir die Stromnetze. Sie werden durch die Verbindung mit Telekommunikationsleistungen zu Smart Grids und ermöglichen es, dass der Strom an verschiedenen Orten gespeichert oder verbraucht wird und das Stromnetz dennoch stabil bleibt. Oder wenn wir uns den Verkehr ansehen: Durch die Vernetzung der Teilnehmer oder gar durch autonomes Fahren können wir einen neuen Grad der Verkehrsoptimierung erreichen. Dadurch können wir uns umweltschonender bewegen. Und in der Industrieproduktion werden Maschinen mit Maschinen über 5G vernetzt. Internet-of-Things-Lösungen und Sensorik optimieren Produktionsabläufe – das wiederum bietet ein enormes Potential, um CO2-Emissionen zu senken.
Und welche Chancen liegen jenseits des Klimas in der Digitalisierung?
Dank der Digitalisierung können wir den allgemeinen Wohlstand steigern, die gesellschaftliche Teilhabe verbessern und letztlich sogar mehr soziale Gerechtigkeit erzielen. Denn Studien zeigen, dass eine Volkswirtschaft mit der Erhöhung ihres Digitalisierungsgrades fast zwei Prozent mehr Wachstum pro Jahr erzielen kann. Außerdem sind Länder mit höherem ökonomischem Leistungsniveau im Durchschnitt auch sozial gerechter. Als Unternehmen demokratisieren wir deshalb den Zugang zu einer nachhaltigen digitalen Zukunft, um einen besseren Alltag für alle zu schaffen. Das gilt für unsere Kund:innen genauso wie für unsere Mitarbeiter:innen. Wir werden allein im Jahr 2021 fast 10 Millionen Menschen durch Förderprogramme sowie speziell geschultes Personal in digitalen Fragen unterstützen. Außerdem stärken wir die Beschäftigungsfähigkeit unserer Mitarbeitenden über Schulungen.
Als Vorständin sind Sie darauf angewiesen, dass eine verbindliche Unternehmenskultur durch alle Bereiche und Hierarchieebenen gelebt wird. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Etablierung einer gleichgestellten Unternehmenskultur?
Eine Unternehmenskultur zeichnet sich durch die gemeinsamen Werte und Überzeugungen der Menschen aus, die im Unternehmen arbeiten. Diese werden im Denken und Handeln sichtbar. Am sichtbarsten sind zunächst die Führungskräfte im Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Sie müssen die Unternehmenskultur vorleben und sind auch für eine gleichgestellte Besetzung von Stellen im Unternehmen mitverantwortlich. Deshalb ist es wichtig, alle Führungskräfte mitzunehmen sowie regelmäßige Führungskräfteschulungen und -veranstaltungen anzubieten – daran arbeitet unser Human Resources Team mit großer Leidenschaft. Denn wir wollen Frauen in Führungspositionen erfolgreich machen und ihren Anteil im Top-Management erhöhen. Wir haben dies fest in unseren Unternehmenszielen verankert und sind bereits vergleichsweise stark aufgestellt. Als eines der wenigen börsennotierten Unternehmen im DAX oder MDAX haben wir zwei Frauen im Vorstand. Im Top-Management liegen wir bei einem Frauenanteil von fast 28 Prozent. 2022 soll dieser bei 30 Prozent liegen. Deshalb machen wir in unserer internen und externen Kommunikation sichtbar, wie wichtig diese Diversität für uns ist. So setzen wir Beispiele und geben Vorbildern eine Bühne. Ich denke, das ist der richtige Weg, um den Gleichstellungsgedanken in allen Köpfen und der Unternehmenskultur zu verankern.
Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach Diversität für den Erfolg Ihres Unternehmens?
Diversität ist ein Treiber für Unternehmenserfolg, steigert unsere Innovationsfähigkeit und ist ein Spiegel der Verschiedenartigkeit unserer Kund:innen, die wir so besser verstehen können. Eine internationale McKinsey&Company-Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Unternehmen mit hoher Geschlechtervielfalt eine um 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Aber für uns als Unternehmen ist Diversität mehr als die Frage nach dem Geschlecht. Wir setzen uns für Chancengleichheit und Vielfalt von Perspektiven, unterschiedlichen Hintergründen und persönlichen und beruflichen Erfahrungen ein. Denn wir glauben, dass wir mit Vielfalt in den Denkweisen und Erfahrungshintergründen unserer Mitarbeiter:innen den zunehmend komplexen Herausforderungen unserer Zeit besser begegnen können.
Haben Sie ein Role Model, das Sie besonders beeindruckt (hat)?
Ich hatte immer wieder das eine oder andere Vorbild, das mich durch Lebensabschnitte begleitet hat. Als junger Mensch hat mich vor allem meine Mutter inspiriert. Sie hat mir immer wieder eingeprägt: „Sei eine unabhängige Frau. Bilde dir deine Meinungen und treffe deine eigenen Entscheidungen. Du trägst die Verantwortung für dich und dein Leben. Du kannst alles werden – auch und gerade als Frau!“ Ich denke, erst über die Jahre des Erwachsenwerdens habe ich begriffen, wie grundlegend wichtig dieser Rat für mich ist. Im Studium und als junge Juristin habe ich mich außerdem an den damaligen Justizministerinnen orientiert, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Brigitte Zypries. Nicht, weil ich in die Politik wollte, sondern weil ich die Selbstverständlichkeit bewunderte, mit der diese Frauen eine bedeutende Rolle für unsere Gesellschaft ausgefüllt haben. Was mir in diesem Zusammenhang aber sehr wichtig ist: Vorbilder müssen nicht immer Eltern, Politiker:innen oder Vorständ:innen sein. Ich bin sehr neugierig auf Menschen und nehme aus den meisten Kontakten etwas mit. Gerade in den vergangenen zwölf Monaten haben mich viele starke Frauen eingeladen, in Interviews und Redebeiträgen über meinen Berufs- und Lebensweg zu berichten. Auf diese Art habe ich viele tolle Frauen kennengelernt, deren Lebenslauf, Haltung und Interessen mich inspiriert haben. Und Inspiration ist der erste Schritt zum Vorbild.
Welche Benefits können Sie Studierenden versprechen, die sich für Ihr Unternehmen interessieren?
Wer sich für unser Unternehmen interessiert, der gestaltet die Digitalisierung Deutschlands maßgeblich mit. Diese Sinnhaftigkeit der Arbeit halte ich persönlich für besonders wertvoll. Dabei spielt das Digitale auch in unserem eigenen Arbeitsalltag eine riesige Rolle. Für uns ist entscheidend, die langfristige Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeiter:innen zu stärken, indem wir ihre digitalen Kompetenzen ausbauen. Mit internen Job-Wechseln, Job-Rotationen und digitalen Lernformaten fördern wir fachliches und persönliches Wachstum. Hinzu kommt, dass unsere Mitarbeitenden dank unseres unternehmensweiten Programms „5 Bold Moves“ eine maximale Flexibilität in der Wahl von Arbeitsort und Arbeitszeit haben. Das ermöglicht viele individuelle Lebensmodelle. Jenseits von Weiterentwicklung und Work-Life-Gestaltungsmöglichkeiten haben wir ein breites Angebot an Sportkursen, Webinaren und Beratung zu aktuellen und gesundheitsrelevanten Themen sowie die Nutzung von Gympass und Job-Rad. Im Übrigen dürfen Werkstudent:innen und Praktikant:innen bei uns frühzeitig Verantwortung übernehmen und Einblick in die Arbeit eines erfolgreichen Konzerns bekommen. Duale Student:innen bekommen darüber hinaus ein Diensthandy und Guthaben, vermögenswirksame Leistungen, eine betriebliche Altersvorsorge und einiges mehr.
Und welche Mitarbeiter:innen suchen sie momentan, aber auch in Zukunft?
Wir sind ein Digitalkonzern. Entsprechend legen wir einen starken Fokus auf Technologie- und Digitalthemen. Wir suchen für so ziemlich jeden Unternehmensbereich Mitarbeiter:innen mit einem Verständnis für Daten. Darüber hinaus sind Erfahrungen im Projektmanagement, im agilen Arbeiten und in crossfunktionalen Teams sowie eine hohe Kundenorientierung von großer Bedeutung. Selbstverständlich achten wir bei Bewerber:innen besonders auf die fachliche Qualifikation, die von Arbeitsbereich zu Arbeitsbereich sehr unterschiedlich sein kann.
Ich persönlich arbeite gerne mit Menschen, die den Mut haben, sich stetig zu verändern und Neues zu wagen. Die neugierig nach rechts und links schauen, um Themen und Projekte zu finden, die sie bewegen und die gleichzeitig unser Unternehmen und das Leben unserer Kund:innen besser machen. Dabei schätze ich vor allem Teamplayer, die Offenheit und Teamgeist zeigen, um gemeinsam echte Ergebnisse erzielen zu können. Wichtig ist mir, dass Mitarbeiter:innen unseren Nachhaltigkeitsgedanken mittragen und gerne auch in ihrem Leben und Arbeiten auf eine Balance zwischen Umweltschonung, sozialem Engagement und wirtschaftlicher Sicherheit achten.
Valentina Daiber kam 1999 zur Telefónica Deutschland, damals noch Viag Intercom, und hat seit 2004 verschiedene Führungspositionen und Aufgaben im Konzern übernommen. 2017 wurde sie zum Vorstand Recht & Corporate Affairs bestellt. In dieser Funktion verantwortet sie die Bereiche Recht, Compliance, Corporate Security und Datenschutz, sowie die Regulierungsarbeit des Unternehmens, die Beziehungen zu Behörden und Regierungsstellen und den Bereich Corporate Responsibility. Zudem führt sie die Hauptstadtrepräsentanz von Telefónica und das BASECAMP in Berlin.