IKEA ist jedem von uns bekannt: In den wenigsten Studierendenwohnungen dürften keine Produkte des Einrichtungsunternehmen zu finden sein. Was aber macht das schwedische Unternehmen als Arbeitgeber aus? Wir sprechen mit der Market Managerin Anja Krause (Bild), Leiterin des offiziell ressourcenschonendsten IKEAS in Deutschlands. Vor 15 Jahren nach ihrem Studium der Sozialwissenschaften eingestiegen, verantwortet sie heute einen Markt mit über 400 Mitarbeitenden.
IKEA hat es geschafft, fünfzig Prozent der Führungskräfte in Deutschland und genauso auf globaler Ebene mit Frauen zu besetzen. Als nächstes Etappenziel soll Parität auf allen anderen Ebenen etabliert werden. Worin sehen Sie den Schlüssel für dieses – in der Unternehmenslandschaft leider außergewöhnliche – Ergebnis?
Unseren Erfolg verdanken wir hauptsächlich unserer Unternehmenskultur, die immer den individuellen Menschen achtet und in den Mittelpunkt stellt. Diese grundlegende Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden hat mich von Anfang an begeistert. Ein gerader Lebenslauf etwa steht bei uns nicht im Vordergrund. Auch längere Auszeiten für Familien und pflegebedürftige Angehörige sind bei uns definitiv kein K.O.-Kriterium für eine solide Karriere. Uns ist sehr wichtig, Menschen nicht ausschließlich auf ihre Leistungen zu reduzieren, sondern Charakter, individuelle Stärken und Motivation in den Vordergrund zu stellen. Genauso achten wir auch auf die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden und eröffnen flexibel angepasste Wege. Ich denke, dass es in einer solchen Kultur leichter ist, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Führungsebene zu erreichen als in traditionelleren Unternehmen. Ich als Mitarbeiterin bin stolz darauf, dass wir Diversität und Nachhaltigkeit in unseren strategischen Zielsetzungen fest verankert haben und wir alles daran setzen, diese zu erreichen.
Nachhaltigkeit und Diversität sind ein gutes Stichwort. Bedingen sich diese beiden Kriterien nicht sogar gegenseitig?
Ja, absolut. Wir verfolgen eine sehr umfangreiche Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Namen „People & Planet Positive“, mit der wir die Klimapositivität bis 2030 erreichen wollen. Als Möbelhaus sind wir in der Pflicht, uns sehr ehrgeizige Ziele zu setzen. Aus diesem Grund liegt der Fokus in unserer Produktion auf erneuerbaren und recycelten Materialen; bei diesen beträgt der Anteil heute bereits 60 Prozent – Tendenz steigend! Neben dieser ökonomischen Nachhaltigkeit bemühen wir uns zusätzlich stark um einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft, indem wir beispielsweise von Gewalt betroffene oder geflüchtete Menschen dabei unterstützen, durch eine Ausbildung oder ein Praktikum bei IKEA im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Insgesamt geht unser Engagement für eine gerechtere Gesellschaft über das 2021 in Kraft getretene Lieferkettengesetz hinaus: Unser Ziel ist es, einen positiven, gesamtgesellschaftlichen Wandel in allen Communitys, mit denen wir zusammenarbeiten, herbeizuführen. Mensch und Umwelt sind dabei nicht voneinander zu trennen, sondern bedingen sich gegenseitig.
Ökonomisches Handeln und Nachhaltigkeit gehören für IKEA zusammen
Market Managerin Anja Krause
Sie selbst sind Market Managerin in Kaarst und sind sowohl für das Einrichtungshaus als auch das Onlingeschäft verantwortlich. Da unsere Ausgabe „Female Leadership heißt: Was ist Ihnen wichtig in der Führung der Menschen, mit denen Sie zu tun haben?
In erster Instanz versuche ich die bereits beschriebene Unternehmenskultur in meinen Markt zu leben. Die Gesamtstrategie gibt uns als Marktleiter einen gewissen Rahmen vor, aber ausfüllen müssen wir ihn vor Ort. Am Wichtigsten ist mir dabei, die Menschen in meiner Filiale nach ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Stärken und Potentiale zu erkennen und zu fördern und immer auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren – das liegt mir sehr am Herzen. Wo überschneiden sich Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiterschaft mit denen der Menschen, die vor Ort an Ihrem Standort leben? An vielen Punkten, weswegen es wichtig ist, mit der gesamten Community Kaarst zusammenzuarbeiten und etwa ein sehr enges Verhältnis zu den sozialen Vereinen vor Ort zu haben. Die Bedürfnisse unseres Umfeldes wurden bei der Planung der Filiale genauso berücksichtigt wie die unserer Mitarbeitenden. So bietet unser Store beispielsweise neben Rückzugsmöglichkeiten für unser Team auch einen tollen Kinderspielplatz oder eine begrünte Dachterrasse. Ich bin überzeugt, dass auch ein Weltkonzern wie IKEA regional verankert sein kann. Natürlich muss das Business grundsätzlich funktionieren, weil nur ein erfolgreicher Markt den Mitarbeitenden gute Entwicklungsmöglichkeiten bieten kann.
Wie kam es, dass Sie nach dem Studium bei IKEA eingestiegen sind und wie verlief Ihr Weg bis heute?
Als Studentin der Sozialwissenschaften war ich damals auf der Suche nach einem Teilzeitjob, der mir genug Zeit lässt, meine Diplomarbeit zu schreiben. Ein guter Freund hat mir den Tipp gegeben, mich bei IKEA zu bewerben. Das hat mich zu einer Anstellung im Verkauf geführt. Ursprünglich hatte ich vor, nach meinem Abschluss im sozialen Bereich zu arbeiten, aber bei IKEA habe ich mich so wohl gefühlt, dass ich tatsächlich nicht mehr wegwollte (lacht). Da das Unternehmen meine humanistischen Werte teilt, fiel mir die Entscheidung sehr leicht, im Anschluss an das Studium ein Trainee-Programm zu starten, was sich als die goldrichtige Entscheidung herausgestellt hat. Anschließend wurde ich zunächst Teamleiterin im festen Bereich „Schlafzimmer“ und Jahr später folgte die Beförderung zur stellvertretenden Abteilungsleiterin für den Bereich Verkauf. Von dort aus ging es für mich in das Service Office der Zentrale Deutschland und weiter in den Bereich Sales, speziell für den Sektor „Küche“. Dort durfte ich Mitarbeiter:innen ausbilden und Verkaufslösungen entwickeln, also alles sehr spannende Aufgaben. Nach zwei weiteren Stationen habe ich die Verantwortung für ein ganzes Einrichtungshaus übernommen und bin dann nach Kaarst gewechselt. Das macht dann insgesamt fünfzehn Jahre IKEA für mich, die extrem abwechslungsreich gewesen sind.
Zusätzlich zu Ihrem anspruchsvollen Beruf sind Sie Mutter. Inwiefern unterstützt Ikea Sie bei der Vereinbarung von Familie und Karriere?
Als meine Frau und ich einen Kinderwunsch hatten, war IKEA von Anfang an unterstützend an unserer Seite. Wir haben uns für den Weg entschieden, ein Pflegekind aufzunehmen. Dabei ist noch mehr Flexibilität gefragt als bei einer Schwangerschaft, da man nicht weiß, wann das Kind kommt. Ich konnte mir spontan Urlaub nehmen, meine Schichten an die familiären Bedürfnisse anpassen und sogar wegen meiner Familie den Arbeitsort wechseln. Ich weiß dies sehr zu schätzen.
Auf der IKEA-Website wie auch im Shop sind die Einkaufstaschen regenbogenfarben gestaltet. Sie leben offen in einer Regenbogenfamilie. Sind das nur gefällige Symbole oder ist IKEA die Sichtbarkeit und Toleranz von queeren Menschen wirklich wichtig?
Diese ist dem Unternehmen auf jeden Fall sehr wichtig! Als ich vor fünfzehn Jahren bei IKEA angefangen habe, war die gesellschaftliche Bewusstsein generell noch eine ganz andere als heute, aber in unserem Unternehmen wurde Equality schon immer als selbstverständliches Menschenrecht gelebt. Inzwischen haben wir auch einen LGBTQI*-Inklusionsplan, um den positiven Wandel in der Gesellschaft zu unterstützen. Das macht mich wirklich stolz!
Wenn man jetzt Lust bekommen hat, sich bei IKEA zu bewerben, auf welche Eigenschaften und Fähigkeiten legen Sie bei Einsteiger:innen besonderen Wert?
Die Freude am Arbeiten mit Menschen steht ganz klar im Mittelpunkt, sie ist die wichtigste Grundvorrausetzung – die sollte man also unbedingt mitbringen. Aber auch Authentizität und der Wille dazuzulernen, sind wichtige Eigenschaften. Wir haben flache Hierarchien und fördern individuelle Stärken. Ich selbst bin ja ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen wichtiger als Zeugnisse sind: Üblicherweise würde man eher einen Management-Background als der einer Sozialwisschenschaftlerin in meinem Job vermuten. Wenn ich die Frage in einem Satz beantworten müsste, würde ich sagen: Wer Spaß daran hat, gemeinsam mit uns den vielen Menschen einen besseren Alltag zu schaffen, ist herzlich willkommen!