Maren Gräf ist Personalvorständin der ŠKODA AUTO a.s. und kann, seit sie 1999 bei Volkswagen begonnen hat, aus einer ganz besonderen Karriere in verschiedenen Topmanagement-Positionen berichten. Die Männerdomäne Autoindustrie wandelt sich und wird diverser – und die Juristin steuert und begleitet diesen Prozess aus allererster Nähe.
Frau Gräf, gibt es ein weibliches Äquivalent zu „Carguy“?
Wir sind auf dem Weg. In der Automobilindustrie gibt es nämlich auch viele Frauen, die für Mobilität und Fahrzeuge brennen und mit Leidenschaft daran arbeiten – etwa als Ingenieurin, Beschafferin, Personalerin oder direkt in der Fertigung. Im Volkswagen-Konzern kenne ich zahlreiche Beispiele. Ich selbst bin eine davon. Historisch betrachtet ist unsere Industrie eine Männerdomäne – doch wir arbeiten daran, ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis zu haben.
Diversity und Inklusion haben wir bei Škoda Auto als wichtiges strategisches Thema verankert. Damit meinen wir nicht nur Frauen. Wir setzen uns für eine offene Unternehmenskultur ein, in der jeder und jede willkommen ist, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, sexueller Orientierung, Religion, und weiteren Faktoren, die das Selbstbild eines Menschen bestimmen. Das ist fair und bringt bessere Ergebnisse. Etliche Studien haben außerdem gezeigt: Diverse Teams sind innovativer. In Zukunft wird es also hoffentlich einen Begriff geben, der weibliche „Carguys“ abbildet.
Bevor Sie Personalvorständin von Škoda geworden sind, verantworteten Sie im Volkswagen-Konzern unter anderem die Management-Entwicklung verschiedener technischer Bereiche. Wie haben sich die Anforderungen an das Management in einer Welt verändert, in der Krisen und Herausforderungen kaum noch Zeit zum Luftholen lassen?
Im Automobilbau waren wir es gewohnt, uns mittel- und langfristige Ziele zu setzen. Produktanläufe planen wir über viele Jahre im Voraus, Investitionen üblicherweise in 5-Jahres-Zyklen. Die KPIs unserer Jahresziele tracken wir quartalsweise.
Durch die multiplen Krisen haben wir gelernt, flexibler und schneller zu agieren – und können auf Informationen und Analysen aus allen Bereichen kurzfristiger zugreifen. Elementar ist dabei eine gesunde Unternehmenskultur, in der sich alle Mitarbeitenden aufeinander verlassen können und an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Die Rolle der Führungskraft ist es, den Teams klare Orientierung und Sicherheit zu geben. Fachliche Expertise bleibt wichtig, aber der Fokus auf Führung von Menschen rückt in den Vordergrund.
Leadership der Zukunft heißt für mich, das Team mit einer klaren Vision zu inspirieren, es mit Vertrauen und den richtigen Tools zu befähigen und Ziele klar zu kommunizieren. Konkret geht es um Wertschätzung, Authentizität, Verlässlichkeit, Resilienz. Und eine gesunde Fehlerkultur.
Gerade im Engineering und der Produktentwicklung der Hersteller sind Frauen rar, obwohl sie eine maßgebliche Käuferschaft darstellen. Warum gibt es keine weiblich positionierte Marke – entwickelt von und für Frauen – in einem Markt von Dutzenden Herstellern, die maskuline Schlüsselreize bedienen?
Unser Ziel ist nicht, Autos speziell nur für Frauen oder Männer zu entwickeln. Wir beschäftigen uns intensiv mit den Wünschen aller potentiellen Kund:innen und haben auf dieser Basis 2022 unsere neue Designsprache eingeführt. Mit neuen Modellen erweitern wir unseren Kundenstamm und schärfen den Kundenfokus. Wir konzentrieren uns auf „Škoda Explorers“, und damit auf Menschen, die Neues entdecken wollen. Mit unserer Strategie Next Level Škoda 2030 haben wir einen klaren Fahrplan, um das Unternehmen sicher durch ein Jahrzehnt der Transformation zu steuern. In 2030 wird Škoda noch internationaler, elektrifizierter und digitaler sein. Unsere Vision: „We will help the world live smarter.”
Unseren Werten bleiben wir treu: simplifying, human, surprising. Gleichzeitig arbeiten wir hart daran, uns diverser aufzustellen. Wir haben uns messbare Ziele gesetzt mit Blick auf Internationalisierung und Frauen im Management: 2012 lagen wir bei nur 11,3 Prozent Managerinnen, heute stehen wir bei 16 Prozent, bis 2030 streben wir 25 Prozent Frauen im Management an. Das ist ein rapider Anstieg. Auch New Work spielt eine Schlüsselrolle bei Diversität. Wir setzen auf Familienfreundlichkeit und flexible Arbeitsformen, wie mobile Arbeit und Job Sharing.
Sollte man sich also als angehende Absolventin gezielt die Autobranche anschauen und mit welchem Mindset ist man dort als Frau erfolgreich?
Man sollte sich gezielt Škoda und den Volkswagen-Konzern ansehen, wenn man Freude daran hat, bei einem Global Player Verantwortung zu übernehmen und mit Herzblut nachhaltige und emissionsfreie Mobilität von morgen zu gestalten. Unsere Industrie ist aktuell eine der spannendsten Transformationsbranchen!
Ob als Trainee, Doktorand:in oder per Direkteinstieg – in einem großen Unternehmen wie unserem gibt es vielseitige Einstiegsmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten.
Um speziell Frauen zu ermutigen in die Autoindustrie zu kommen, haben wir zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel eine Rekrutierungskampagne explizit auf Frauen gemünzt. Auf unserer Karriereseite www.skoda-career.com teilen Mitarbeitende diverser Herkünfte ihre Geschichten. Wir ermutigen Eltern und Lehrer:innen, Kinder für technische Ausbildungen zu begeistern. Außerdem unterstützen wir Communitys wie Czechitas, eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, Vielfalt im Tech-Bereich zu stärken.
Wir etablieren auch neue Formate: Dieses Jahr haben wir den Women‘s Day mit einem besonderen Networking Event gefeiert – mit spannenden Keynote Speakers und fachlichen Deep Dives. Es geht uns darum zu inspirieren und ermutigen, Netzwerke auszubauen und gute Ideen zu teilen. Durch gezielte Maßnahmen liegen wir in den White Collar-Funktionen aktuell bei 35 Prozent Neueinstellungen von Frauen. Als Mindset empfehle ich Leistungsbereitschaft, eine „Can-do“-Attitude und Freude an Teamwork – das gilt für jedes Geschlecht!
Von 2012 bis 2015 leiteten Sie bei FAW-Volkswagen im chinesischen Changchun die Management-Entwicklung im Personalwesen. Welche Erfahrungen haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Das war eine echte Bereicherung! Ich bin ein offener und neugieriger Mensch, deswegen ist das Arbeiten in einem internationalen Konzern genau das Richtige für mich. Meine China-Entsendung war besonders prägend: Plötzlich erlebt man sich selbst als Minderheit. Eine neue Kultur zu verstehen, heißt auch, die eigene Prägung zu erkennen – und sie zu hinterfragen. Sprachlich und kulturell zumeist außerhalb der eigenen Komfortzone zu leben, ist einerseits anstrengend und andererseits erweitert es den persönlichen Horizont – und bringt auch viele lustige Momente. Die Summe der Erfahrungen waren sehr positiv, sie machen stark und resilient.
Worauf muss man verzichten, wenn man eine solche Top-Karriere wie die Ihrige macht?
Es gilt damit umzugehen, dass man die Zeit für Familie, Freunde oder Hobbys oft der großen Verantwortung im Unternehmen unterordnen muss. Ich persönlich teile mein Leben nicht kategorisch in Privat-Zeit und Berufs-Zeit. Es ist alles miteinander verbunden – alle Elemente meines Lebens spielen eine Rolle. Wichtig ist, dass man eine eigene Balance und innere Zufriedenheit findet, und die unterschiedlichen Komponenten des Lebens miteinander in Einklang bringt.
Anstatt „entweder oder“ denke ich „sowohl als auch“. Feste Rituale helfen – für mich ist das beispielsweise der Sonntagsbrunch mit der Familie. Wir reden viel, lachen, diskutieren alle Themen mit einander und planen die nächste Woche. Mir ist wichtig, allen Facetten meines Lebens mit Leidenschaft nachzugehen – ob etwa als Mutter, Freundin oder Personalvorständin. Daraus ergibt sich ein sehr buntes und spannendes Leben!
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