Konflikte gehören zum Führungsalltag – doch wie geht man souverän mit ihnen um? Unabhängig vom Geschlecht müssen Führungskräfte Konfliktfähigkeit und Durchsetzungsvermögen entwickeln, um ihre Teams erfolgreich zu führen. Aber gerade Frauen sagt man nach, im Beruf oft konfliktscheu zu sein. Dabei kann, wer Konflikte früh erkennt und konstruktiv angeht, Missverständnisse klären, Beziehungen stärken und effektive Entscheidungen treffen, wie die Coachin Katrin Sasse erläutert.
Führen Frauen anders als Männer – und wollen Frauen und Männer auch unterschiedlich geführt werden?
Generell zeigen Studien, dass Führungskräfte unabhängig vom Geschlecht unterschiedliche Führungsstile zeigen. Als ich als Führungskraft Ende der 90er und Anfang 2000 gearbeitet habe, wurde ein empathischer und beziehungsorientierter Führungsstil eher den Frauen zugeordnet. In Studien habe ich gelesen, dass davon ausgegangen wird, dass Frauen eher einen transformationalen Führungsstil nutzen und Männer eher einen transaktionalen Führungsstil einsetzen. Meine Erfahrung und Beobachtungen spiegeln das in den letzten fünf Jahren nicht wider.
Der Unterschied zwischen transformationaler und transaktionaler Führung liegt in den Ansätzen, wie Führungskräfte ihre Teams leiten und motivieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die transaktionale Führung auf Belohnung und Aufgabenorientierung basiert, während transformationale Führung auf Inspiration, Sinngebung und Entwicklung setzt. Beide Ansätze haben ihre Vorzüge und effektive Führungskräfte integrieren oft Merkmale beider Stile in ihrer Praxis.
Warum sind Konfliktfähigkeit und Durchsetzungsvermögen wichtig für Frauen, die in Führungspositionen aufsteigen wollen?
Konfliktfähigkeit und Durchsetzungsvermögen sind entscheidende Kompetenzen für alle Führungskräfte, unabhängig vom Geschlecht. Frauen werden manchmal mit zusätzlichen, geschlechtsspezifischen Erwartungen konfrontiert. Der Umgang mit diesen kann durch eine gute Konfliktkompetenz erleichtert werden. Generell hilft ein sicheres Auftreten in Konfliktsituationen dabei, Barrieren zu überwinden und seine Autorität zu behaupten.
Tipp: Probleme direkt ansprechen, anstatt abzuwarten, bis sie sich zuspitzen
Als Studentin ist man noch einige Zeit davon entfernt, eine solche Autorität oder Führungskraft zu sein. Warum sollte man sich trotzdem frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen?
Es ist in jedem Fall ratsam, sich frühzeitig mit Konfliktmanagement auseinanderzusetzen, da dies eine grundlegende Führungsfähigkeit ist, von der alle profitieren – sowohl in ihrer beruflichen Laufbahn als auch im täglichen Umgang mit anderen Menschen. Konfliktmanagement kann dazu beitragen, Missverständnisse zu klären, Beziehungen zu erhalten, die Zielerreichung zu fördern und Stereotypen zu überwinden. Frühzeitig erworbene Fähigkeiten bleiben oft ein Leben lang nützlich.
Welche typischen Konflikte begegnen Frauen auf dem Weg zur Führungskraft?
Leider ist es noch zu häufig so, dass Frauen bezüglich ihrer Führungsrolle Fragen gestellt werden, die Männer nicht zu hören bekommen. Frauen werden mit festgefahrenen Rollenbildern konfrontiert, die bestimmte Verhaltensweisen oder Führungsstile von ihnen erwarten. Dies kann zu internen und externen Konflikten führen, wenn sie sich anders verhalten oder wahrgenommen werden als erwartet. Frauen berichten auch davon, dass sie sich in männlich dominierten Umgebungen oder Teams nicht ernst genommen fühlen. Darüber hinaus müssen Frauen die Balance finden zwischen den Erwartungen, empathisch und fürsorglich zu sein, und der Notwendigkeit, autoritativ und entscheidungsfreudig zu handeln. Diese Situation kann innere Konflikte hervorrufen oder zu Missverständnissen führen.
Dieser Spagat setzt sich fort, wenn wir an das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie denken.
Absolut. Frauen kämpfen mit den gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, was oft zusätzliche Belastung erzeugt. Hinzu kommt, dass Frauen in einem Umfeld, das stark von Wettbewerb und Leistungsdruck geprägt ist, mit Konkurrenzverhalten konfrontiert werden, das spezielle Konflikte mit sich bringt, insbesondere wenn es um Aufstiegs- oder Förderungsmöglichkeiten geht. Auch Generationenkonflikte zeigen sich im wettbewerbsorientierten Arbeitsumfeld.
Wie gehe ich damit um, wenn ich als Frau in einem solchen Arbeitsumfeld auf Vorurteile oder versteckte Widerstände stoße?
Stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein und machen Sie sich Ihre Stärken und Erfolge bewusst, um souverän und selbstsicher aufzutreten. Überprüfen Sie, ob eventuell ein eigenes, negatives Mindset den Umgang mit den Vorurteilen beeinflusst. Eine positive innere Haltung kann erheblich zur persönlichen Resilienz beitragen.
Darüber hinaus sollten Sie Vorurteile oder Widerstände offen und direkt ansprechen. Nutzen Sie dabei Ich-Botschaften, um Ihre Wahrnehmung und Gefühle zu vermitteln, ohne den Gegenüber anzugreifen. Dies kann Missverständnisse klären und die Basis für einen konstruktiven Dialog schaffen.

Außerdem kann es helfen, Verbündete und Unterstützer:innen zu haben, um das Gefühl der Isolation zu überwinden und gleichzeitig strukturelle Herausforderungen im Team oder Unternehmen anzugehen. Nehmen Sie an Schulungen zu den Themen Konfliktmanagement und Kommunikation teil und nutzen Sie die Erfahrungen von Mentor:innen, die ähnliche Situationen durchliefen.
Indem Sie proaktiv auf Widerstände reagieren und für eine offene, respektvolle Kommunikation sorgen, können Sie dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und sich in Ihrer Führungsrolle zu festigen.
Welche Strategien helfen, um Konflikte frühzeitig und eigenständig zu lösen?
Hierzu sind verschiedene Strategien und Ansätze hilfreich:
1. Frühwarnzeichen erkennen, wie zum Beispiel veränderte Stimmungen im Team oder wiederholte Missverständnisse. Das frühzeitige Erkennen von Konflikten ermöglicht es, frühzeitig darauf zu reagieren.
2. Eine der wichtigsten Kommunikationsstrategien bei der Konfliktlösung ist das aktive Zuhören.
3. Sprechen Sie Probleme direkt an, anstatt abzuwarten, bis sie sich zuspitzen. Ein offenes Gespräch unter vier Augen ist oft effektiver, um Spannungen zu lösen, als in größeren Gruppendiskussionen.
4. Nutzen Sie Ich-Botschaften, um Ihre Sichtweise darzustellen, ohne die andere Person anzugreifen oder zu beschuldigen.
5. Richtet den Fokus darauf, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, anstatt sich auf das Problem selbst zu konzentrieren.
6. Machen Sie sich mit verschiedenen Konfliktlösungsstrategien vertraut, wie etwa Verhandeln oder Konsens, und wählen Sie diejenige, die am besten zur Situation passt.
Ein konkretes Vorgehen könnte zum Beispiel so aussehen: Bei einem aufkommenden Konflikt setzen Sie sich mit der betroffenen Person zusammen und besprechen das Problem in einem offenen Dialog. Hören Sie aktiv zu, nutzen Sie Ich-Botschaften, um Missverständnisse zu klären, und suchen Sie gemeinsam nach einer nachhaltigen Lösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt.
Nach mehreren Jahren als leitende Angestellte in der Wirtschaft berät Katrin Sasse seit 2007 als Business Coach und Unternehmensberaterin für Organisations- und Personalentwicklung namhafte Unternehmen. Zusätzlich ist sie seit 2014 als Dozentin, Lehrcoach und Gruppenleiterin am Institut für Psychodynamische Organisationsentwicklung und Personalmanagement e.V. in Düsseldorf tätig.
Seit 2017 ist sie als Partnerin an Bord der Pawlik Consultants und verantwortet den Bereich Executive Coaching und ist Ausbilderin der PAWLIK Coaching Weiterbildung.