„Ich finde es bedrückend, wie sehr junge Frauen an sich zweifeln”
Gerade die wichtigen Role Models, die sich öffentlich zeigen, verkörpern oft den Typus der in allen Lebenslagen souveränen, sicheren Frau. Doch längst nicht alle von uns sind mit unerschütterlichem Selbstvertrauen ausgerüstet. Nina Claudy, die sich selbst als Feministin beschreibt, erklärt die Gründe und zeigt, mit welcher Haltung wir unser Selbstbild entscheidend verbessern können. Sie gibt jungen Studentinnen Tipps, wie sie Selbstmarketing lernen können.
Stell dich doch zu Beginn gerne einmal kurz für unsere Leser:innen vor.
Ich bin 47 Jahre alt und seit zwanzig Jahren in der PR-Branche selbstständig. Mit meinem PR-Büro berate ich mit einem rein weiblichen Team ganz unterschiedliche Unternehmen in Sachen Pressearbeit, Social Media und Markenmanagement. Meine zweite Leidenschaft ist das Unterrichten in der Erwachsenenbildung. Als vor einigen Jahren die Ruhr-Universität Bochum, für die ich schon lange das Thema Networking für den Berufseinstieg unterrichtet hatte, nach einem Format speziell für junge Frauen fragte, war ich begeistert. So entwickelte ich den Workshop „Selbstbewusst und souverän auftreten – Selbstmarketing für Frauen“. Ein Angebot, welches ich selbst als junge Studentin gern angenommen hätte. Meine eigenen beruflichen Erfahrungen als Frau weitergeben zu können und Hilfestellung für die, leider immer noch bestehenden Hürden für junge Frauen im Beruf zu geben, fand und finde ich wunderbar. Ich bin gerne Feministin und möchte wenigstens einen kleinen Teil zur Stärkung von Frauen im beruflichen Kontext leisten.
Du beginnst deinen Workshop mit dem Thema der eigenen Wahrnehmung und des Selbstbildes. Was genau muss man sich darunter vorstellen?
Zu Beginn stelle ich meinen Teilnehmerinnen zwei Fragen:
Was ist deiner Meinung nach wichtig, für ein souveränes Verhalten im Job? Was möchtest du an deinem persönlichen Verhalten ändern? In der Regel kommen sehr ähnlich Antworten und die Frauen erfahren im ersten Schritt, dass es vielen gleich geht. Ein souveränes Verhalten setzen die meisten Kursteilnehmerinnen mit Selbstbewusstsein, Klarheit und dem Setzen von Grenzen gleich. Ändern wollen viele, dass sie „zu“ irgendwas sind: zu leise, zu schüchtern, zu unsichtbar, aber auch zu selbstbewusst, zu ehrgeizig, zu klein, zu groß, zu niedlich. Da ist alles dabei. Ich finde es bedrückend, wie sehr junge Frauen an sich zweifeln und sich als „nicht richtig“ beurteilen. Und ein Schritt dahin, sich als genau richtig zu sehen ist, den eigenen Selbstwert zu entdecken.
Wie kann man denn lernen, seinen Selbstwert zu steigern und das eigene Selbstbild von negativen gesellschaftlichen Einflüssen zu lösen?
Sich überhaupt mit sich selbst, seinen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen zu beschäftigen, ist der erste Schritt zu mehr Selbstbewusstsein und einem gesteigerten Selbstwert. Denn so mache ich mir erst bewusst, wer ich selbst bin, was ich kann und erreichen möchte. Das ist eine Daueraufgabe und hat mit Selbstfürsorge und Achtsamkeit zu tun. Nach innen zu schauen, zu hinterfragen, wie es mir geht, machen viele Frauen nicht. Das hat unter anderem mit unserer Prägung zu tun.
Wir sind alle von sogenannten negativen Glaubenssätzen geprägt, die tief in uns verankert sind und uns teilweise davon abhalten, uns vollkommen zu entfalten. Typische Beispiele dafür sind: „Eigenlob stinkt“, „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, „Ich muss es allen recht machen“, „Ich schaffe das sowieso nicht“, „Das Leben ist kein Ponyhof“. Dass Frauen sich zu sehr zurücknehmen, häufig zuerst an andere denken, sich den Umständen ergeben oder das Gefühl haben, immer Rücksicht nehmen zu müssen ist leider keine Seltenheit und auch nicht unbedingt förderlich. Diese negativen Glaubenssätze lassen sich aber auflösen und in positive umwandeln: „Ich bin so stolz auf mich“, „Ich gönne mir Pausen“, „Ich mache es mir recht“, „Ich schaffe alles“ oder „Ich lebe mein Leben, wie ich es möchte“. Diese Umkehrung sorgt für eine ganz andere innere Einstellung. Auch die eigene Präsentation nach außen hat einen großen Einfluss auf unser Selbstbild. So kann man beispielsweise durch geeignete Kleidung dem eigenen Selbstbewusstsein einen kleinen „Boost“ geben.
Wie hängt die eigene Körpersprache mit einem selbstsicheren Auftreten zusammen und wie genau kann Kleidung dabei helfen?
Ein sicheres Auftreten kann man üben und mit passender Kleidung unterstützen. Aber: Der Blick nach Innen und das Fördern des Selbstwert und des Bewusstseins für sich selbst funktioniert besser. Trotzdem ist es hilfreich, sich mal vor dem Spiegel aufrecht, mit aufgerichteten Schultern und einem geraden Blick hinzustellen. Sich laut und deutlich zu äußern, kann über Stimmbildung und Rhetorik Seminare geübt werden. Die Kleidung sollte zu einem Selbst und der Situation passen. Je nach Branche kann ein schicker Business Look als Rüstung funktionieren, sich hinter einem dicken Schal verstecken, kann ein falsches Signal auslösen. Wichtig ist hier: Kleide dich, wie du dich am wohlsten fühlst und wie du dich stark fühlst – es gibt kein falsch oder zu viel. Es hilft auch, mal bestimmte Looks auszuprobieren.
Folgende Kleinigkeiten können auch helfen, die eigene Körpersprache zu verbessern:
Kopf hoch
Realisiere deine Kopfhaltung in wichtigen beruflichen Situationen und korrigiere sie. Das wird die innere Einstellung ändern und die des Gegenübers. Den Kopf zu heben, macht dich selbstbewusster, mutiger und zuversichtlicher.
Atme tief und stark
Bewusst, in Ruhe und tief zu atmen, stärkt dich innerlich. Besonders dann, wenn du dich atemlos fühlst.
Richte dich auf
Vor dem Spiegel tief einatmen und sich größer werden lassen. Straffe die Schultern, schiebe die Brust raus und sage: „Hier bin ICH. Ich bin…stark, schön, klug…“. Innere Größe macht äußere Größe.
Umarme einen Baum
Gehe in die Natur und suche dir einen schönen, großen Baum. Lehne dich daran oder schlinge die Arme darum. Schaue nach oben in die Krone und spüre die Kraft des Baums, seinen verwurzelten, aufrechten Wuchs. Verinnerliche dies.
Gehen üben
Gehe täglich einige Minuten sehr bewusst: achte auf die Schrittlänge, wie du auftrittst, das Tempo, die Standsicherheit.
Was wären wichtige Tipps, die du Absolvent:innen für ein selbstbewusstes Auftreten geben kannst?
Den Selbstwert fördern. Klingt einfach, macht aber etwas Arbeit. Dazu gehören folgende Punkte:
Verändere deinen Fokus
Aufhören, sich auf das zu konzentrieren, was nicht funktioniert, was dir fehlt oder was dich runterzieht. Der einfachste Weg ist, dass du dich auf das konzentrierst, wofür du dankbar bist. Auf die Dinge, die gut laufen und worüber du dich freust
Nimm Herausforderungen an
Probiere etwas Neues aus, trau dich, etwas zu tun, was dir unbequem ist. Suche nach Gelegenheiten, die dich herausfordern und nimm diese an. Hast du es getan, sei stolz auf dich.
Leben nach deinen eigenen Erwartungen
Es ist nicht dein Job, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Was willst du wirklich? Hinterfrage dich und dein Handeln.
Keine Vergleiche zu anderen
„Zu Vergleichen ist der Beginn der Unzufriedenheit.“ (unbekannt). Niemand ist wie du und das ist wunderbar. Bewunderung und Anerkennung für andere Menschen: JA! – In Ehrfurcht erstarren: NEIN!
Sich selbst akzeptieren heißt Selbstwert steigern
Akzeptierst du dich selbst nicht, so bedeutet das, dass du Teile von dir ablehnst. Mache deine Selbst-Akzeptanz nicht mehr von den Meinungen anderer abhängig. Schau dich an, sei stolz auf dich, sei lieb zu dir selbst.
Wer umgibt dich?
Umgebe dich mit Menschen, die dir wohl gesonnen sind, von denen du lernen kannst und die dir gut tun. Menschen, die ständig nur kritisieren, meckern, negativ sind oder etwas auszusetzen haben, rauben dir deine Energie.
Kannst du unserer Leserschaft noch einige Ratschläge fürs Bewerbungsgespräch geben? Wie verhalte ich mich beispielsweise, wenn die eigenen Führungskompetenzen in Frage gestellt werden, nur weil man nicht dem gesellschaftlichen Idealbild einer „großen und starken“ Führungspersönlichkeit entspricht?
Bei unangemessenen Fragen oder Aussagen hilft das sogenannte Paraphrasieren: Den Satz wiederholen und dem Gegenüber sozusagen zurückgeben. „Sie fragen mich ernsthaft, ob ich der Position gewachsen bin?“ Das Gegenüber muss dann reagieren und man hat Zeit für eine freundlich verpackte, aber sehr klare Erwiderung. Die könnte in diesem Fall lauten: „Diese unangebrachte Frage beantworte ich nicht“.
Sich vor Augen führen, wo die eigenen Grenzen sind, was man sich nicht bieten lassen will, wie wertvoll man selbst ist und dass ein Bewerbungsgespräch immer auf Augenhöhe ist, gehören auch dazu.
Und welche Alltagsübungen kannst du empfehlen, um positive Glaubenssätze zu verinnerlichen und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken?
Ein Notizbuch und regelmäßige Kalendererinnerungen mit dem Termin „Zeit für mich“ einrichten und sich dadurch ganz bewusst Zeit für die Selbstreflektion angewöhnen und die Gedanken dazu notieren. Ein Visionboard mit den persönlichen oder beruflichen Zielen für die nächsten drei und fünf Jahre ist auch schön, um auf kreative Weise Klarheit über sich selbst zu erreichen. Die Punkte zur Steigerung des Selbstwerts angehen, bewusst Zeit dafür einplanen und niederschreiben. So eine Reise könnte man auch mit einer vertrauten Person gehen und miteinander wachsen.
Wenn du mehr zum Thema Coaching für den Berufseinstieg erfahren möchtest, findest du hier unser Interview mit Leadership-Coach Melanie Kaufmann.
Nina Claudy ist seit 20 Jahren als PR-Beraterin und Texterin selbstständig und leitet ihr eigenes PR-Büro. Seit 2007 ist sie zudem als Referentin an verschiedenen Hochschulen und Bildungseinrichtungen der beruflichen Weiterbildung tätig, unter anderem als Lehrgangsleiterin des Zertifikats-Lehrgang Kommunikationsmanagement der „deutschen presseakademie“ (Eigenschreibweise).