Gründerinnen und ihre wunderbaren Start-ups
Wir haben verschiedene Gründerinnen interviewt, die mit ihren Start-ups ganz unterschiedliche Probleme lösen wollen. Eine davon ist Gloria Wagner, die mit ihrer Plattform techwomen.io mehr Frauen in die Tech-Berufe holen und auf ihrem Weg dorthin unterstützen will.
Gloria, nimm uns doch einmal auf Ihrer bisherigen beruflichen Reise mit. Wie kam es dazu, dass du dich entschlossen hast, ein Unternehmen zu gründen?
Selbst meine berufliche Laufbahn begann in bescheidenen Verhältnissen: als Tellerwäscherin in einem Cupcake-Shop im 8. Wiener Gemeindebezirk. Der Laden gehörte der Mutter einer guten Freundin, und so verbrachte ich meine Tage damit, riesige Töpfe voller Schokolade auszuschrubben – durfte aber auch so viele Cupcakes essen, wie ich wollte. Mein Bachelorstudium absolvierte ich in Soziologie an der Universität Wien, getrieben von dem Wunsch, einen positiven Beitrag zur Welt zu leisten. Nebenbei arbeitete ich bei Amnesty International und dem WWF im Personalbereich, wo ich auch Vorstellungsgespräche führte. Um mein Studium zu finanzieren, nahm ich zusätzliche Jobs bei einem Meinungsforschungsinstitut und einem Statistikunternehmen an. Des Weiteren engagierte ich mich bei ACUNS, einer Studentenvereinigung der UN, und dem Verein „Demokratie leben“, wo es darum ging, mehr junge Menschen zum Wählen zu motivieren.
Nach meinem Bachelorabschluss verbrachte ich ein halbes Jahr in Lateinamerika und fand nach einigen herausfordernden Jahren wieder Freude am Leben. Anschließend absolvierte ich meinen Master in Sozioökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien und verbrachte ein Auslandssemester in Mexiko-Stadt an der ITAM (Instituto Tecnológico Autónomo de México), wo ich erstmals mit Business-Theorien in Berührung kam und erkannte, dass diese mir mehr Handwerkszeug bieten als soziologische Theorien. Während meines Praktikums in Mexiko-Stadt fiel mir auf, dass im Entwicklungsteam keine Frauen vertreten waren, sondern nur im Marketing. Zurück in Wien beschloss ich, meine Masterarbeit über die Unterrepräsentation von Frauen in der Technik zu schreiben. Zu dieser Zeit entstand die Idee zu techwomen.io, da ich während meiner Recherchen feststellte, dass es viele Initiativen gab, die jedoch nur offline und lokal agierten. Ich wollte sie auf eine globale bzw. online Ebene bringe. Daraufhin arbeitete ich zwei Jahre lang bei einem Angel-Investor namens i5growth, wo wir in sehr frühen Phasen in österreichische Start-ups investierten und sie insbesondere in den USA skalieren ließen. Diese Start-ups hatten Deep-Tech- und ein enormes Potenzial, das wir mit Business Development, Marketing und der richtigen Rekrutierung voranbrachten. Anschließend war ich anderthalb Jahre lang bei Deepopinion, einem KI-Start-up, das sich auf die Prozessautomatisierung einfacher Aufgaben für große Versicherungen und Banken konzentrierte. Dort war ich die einzige Frau im Team und erkannte, dass es auch nach drei Jahren noch viel zu ändern gab. Daher konzentrierte ich mich vollständig auf techwomen.io.
Stell doch einmal kurz dein Unternehmen vor.
techwomen.io ist eine innovative Online-Plattform, die eine Brücke zwischen Unternehmen mit offenen Technologiepositionen und MINT-Studentinnen bzw. Frauen in der Technologiebranche schlägt. Unser Ziel ist es, eine gegenseitig vorteilhafte Situation zu schaffen, indem wir Frauen den Einstieg in die Technologiebranche erleichtern und Unternehmen hochqualifizierte weibliche Talente vermitteln. Unsere Plattform dient Unternehmen als effektives Recruiting-Tool und stärkt ihre Arbeitgebermarke, indem sie gezielt qualifizierte potenzielle Mitarbeiterinnen anspricht und dadurch die Frauenquote steigert. Gleichzeitig bietet techwomen.io hochqualifizierten Frauen die Möglichkeit, sich umfassend über potenzielle Arbeitgeberinnen zu informieren, mit ihnen in Kontakt zu treten, Informationen zu sammeln und den Bewerbungsprozess zu starten. techwomen.io ist die erste Plattform, die es Frauen ermöglicht, direkt mit weiblichen Rollenmodellen in technischen Berufen zu interagieren, die in den Unternehmen arbeiten, in denen sie sich überlegen, sich zu bewerben. Wir haben erkannt, dass Frauen in der Technikbranche unterrepräsentiert sind und möchten dazu beitragen, diesen Missstand zu beheben.
Unsere Mission besteht darin, mehr Frauen in die Technologiebranche zu bringen. In Österreich sind nur 17% der Fachkräfte in der Technologie weiblich. Wir glauben, dass Frauen aufgrund von fehlender Unterstützung, falschen Stereotypen und fehlenden weiblichen Vorbildern oft unterschätzt werden und sich deshalb nicht für MINT-Studiengänge entscheiden. Wir möchten diese Hemmschwelle verringern und Frauen ermutigen, sich aktiv für technische Berufe zu interessieren. Die Plattform erleichtert jungen Frauen den Einstieg in den technischen Arbeitsmarkt und bietet während des Studiums Unterstützung durch Rollenmodelle. Unternehmen profitieren von einer erhöhten Bewerberinnenzahl, der Möglichkeit, Mitarbeiterinnen an das Unternehmen zu binden, und einer gesteigerten Arbeitszufriedenheit und Leistung. Uns liegt es am Herzen, die Diversität in der Technologiebranche zu fördern und damit einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft und die Gesellschaft zu haben. Unsere Plattform basiert auf dem SDG-Ziel Nummer 5, das die Geschlechtergleichstellung fordert. Wir sind davon überzeugt, dass eine ausgewogene Vertretung von Frauen in der IT zu einem Wachstum des europäischen BIP führen würde. Die Technologie beeinflusst die Lebenswelt aller Menschen, und eine ausgewogene Perspektive ist daher unerlässlich. Durch die Förderung von Frauen in IT-Berufen tragen wir dazu bei, den Fachkräftemangel in MINT-Bereichen zu bekämpfen und das Arbeitsklima an Universitäten und Unternehmen zu verbessern. Unsere Plattform ist die Antwort auf die wachsende Notwendigkeit, Frauen in der Technologiebranche zu unterstützen und zu fördern. Wir sind stolz darauf, einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Schließung des Gender Gaps in der IT-Branche zu leisten. Die Initialzündung ganz am Anfang war mein Praktikum in Mexiko City als ich gesehen habe das kaum Frauen in der Technik sind und als ich realisiert habe, dass das in Europa nicht anders ist wusste ich, dass ich das in die Hand nehmen möchte und muss. Das Thema liegt mir so am Herzen weil ich immer das Gefühl hatte nicht gut genug zu sein und sie Hauptgründe der Unterpräsenz der Frauen in der Technik sind fehlende Sichtbarkeit der Rollenmodelle, fehlende Unterstützung und alte Stereotypen die dazu führen das sich Frauen selber unterschätzen und deswegen die MINT Karriere oft nicht antreten beziehungsweise abbrechen – ich hatte immer das Gefühl nicht gut genug zu sein deswegen ist es so ein Herzensthema für mich Frauen wieder das Gefühl zu geben gut genug zu sein und die Zukunft mitgestalten können.
Wo siehst du dich und dene Plattform in 3-5 Jahren?
Unser Ziel ist es, bis 2030 den Anteil von Frauen in technischen Berufen in der DACH-Region um 50% zu erhöhen. Aktuell liegt dieser Anteil bei 17%, daher streben wir an, diesen auf 25,5% zu steigern. In 5 Jahren sehe ich unsere Plattform als festen Bestandteil des Alltags jeder MINT-Studentin in Europa. Sie wird zu einem Ort des Austauschs, an dem Frauen in MINT-Berufen Mentoring finden und Einblicke in verschiedene Unternehmen erhalten können. Der Gründungsprozess unseres Unternehmens ist bereits in vollem Gange. Wir haben wichtige Schritte unternommen, um die Plattform zu entwickeln und unsere Vision umzusetzen. Dazu gehörten die Konzeptionierung, die technische Umsetzung und die erste Phase der Markteinführung. Als nächstes stehen die Skalierung der Plattform, die Erweiterung unseres Nutzerkreises und die Etablierung von Partnerschaften mit Unternehmen auf unserer Agenda. Wir freuen uns sehr auf die Zukunft und sind motiviert, unser Ziel zu erreichen. Mein größtes Rolemodel ist meine ehemalige Chefin bei i5growth. Als CEO hat sie nicht nur erfolgreich geführt, sondern auch das Geschäft vorangetrieben. Sie hat sich nie davon einschüchtern lassen, die einzige Frau in einem Raum voller Männer zu sein, und hat stets Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gezeigt. Ein weiteres Rolemodel, das ich bewundere, ist die Gründerin und ehemalige CEO von Bumble. Ursprünglich bei Tinder tätig, wurde sie von ihren männlichen Kollegen nicht ernst genommen. Doch anstatt sich entmutigen zu lassen, gründete sie ihre eigene Dating-Plattform, die heute erfolgreicher ist als Tinder. Dies zeigt deutlich, dass Frauen in technologische Entscheidungen einbezogen werden müssen, um den Erfolg von Unternehmen zu gewährleisten. Schließlich beeinflussen Frauen maßgeblich die Kaufentscheidungen und tragen somit entscheidend zum Erfolg eines Produkts und eines Unternehmens bei.
Hast du Tipps für eine Unternehmensgründung, gerade für junge Menschen, die vielleicht noch im Studium stehen?
Selbst während des Studiums ist es durchaus möglich, ein Unternehmen zu gründen. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass Arbeitserfahrung von unschätzbarem Wert ist. Zum einen ermöglicht sie den Aufbau eines wertvollen Netzwerks, zum anderen vermittelt sie einen realistischen Einblick in die Arbeitswelt. Dieses Verständnis halte ich für essenziell, insbesondere für angehende Unternehmerinnen und Unternehmer. Durch Arbeitserfahrung lernt man auch, welche Aspekte der Mitarbeiterführung wichtig sind und welche vermeintlichen No-Gos vermieden werden sollten. Wenn man in einer bestimmten Branche gründet ist es meiner Meinung nach kann Arbeitserfahrung in einer bestimmten Branche durch aus nützlich sein da man die Marktbedingungen, die Bedürfnisse der Kunden und die Konkurrenz besser kennt. Dieses Verständnis ist entscheidend für die Entwicklung einer Geschäftsidee, die einen echten Bedarf deckt und sich erfolgreich am Markt positionieren kann.
Um eine Idee erfolgreich umzusetzen, ist Durchhaltevermögen unerlässlich. Es wird häufig Absagen und Ablehnung geben, aber man darf sich davon nicht entmutigen lassen – das gehört zum Prozess dazu und ist völlig normal. Zusätzlich erfordert es einen langen Atem, um die geplante Vision wirklich in die Tat umzusetzen. Eine Idee im Kopf zu haben, ist das eine, sie in die Realität umzusetzen, etwas ganz anderes. Für den Anfang ist es daher entscheidend, einige grundlegende Fragen zu klären: Wer ist meine Zielgruppe? Welches Problem löse ich für meine Zielgruppe? Welche Konkurrenz löst das gleiche Problem, auch wenn die Lösung eine andere ist? Und wie groß ist mein Markt? Ein abgeschlossenes Studium verleiht zweifellos eine gewisse Glaubwürdigkeit, insbesondere bei potenziellen Investoren. Es hängt aber stark von der individuellen Situation, den persönlichen Zielen und der Art der Geschäftsidee ab. Ein Studium kann wertvolles Wissen und Fähigkeiten vermitteln, die bei der Unternehmensgründung nützlich sein können, wie z.B. analytisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und Branchenkenntnisse. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass viele Fähigkeiten und Kenntnisse auch online erworben werden können. Es geht nicht immer nur um formale Abschlüsse, sondern auch um die Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und sich selbst zu lehren. In einer Zeit, in der Informationen frei verfügbar sind, liegt es an uns, das Beste daraus zu machen und unser Wissen ständig zu erweitern. In meiner Situation konnte ich durch die Erfahrung bei dem Angel Investor sehr viel lernen wie man Business Development macht und in den Mark eindringt.
„Ich bin Gloria, 29 Jahre alt und liebe den Sommer sowie das Meer. Ich stamme aus sehr bescheidenen Verhältnissen und strebte immer nach mehr im Leben. Ich wollte stets ein Vorbild für junge Menschen sein, insbesondere für jene, die aus ähnlichen finanziellen Umständen kommen wie ich. Es ist mir ein Anliegen, ihnen zu zeigen, dass sie trotz aller Hindernisse alles erreichen können, wenn sie nur den Willen dazu haben. Der Kampf aus schwierigen Verhältnissen hat mich persönlich gestärkt und gelehrt, dass Härte und Entschlossenheit eine besondere Stärke verleihen können. Das Reisen ist eine meiner Leidenschaften, insbesondere das Erkunden neuer Kulturen und das Eintauchen in fremde Welten. Tiefe Gespräche, sei es über die Kunst des Lebens oder einfach über die kleinen Dinge des Alltags, bedeuten mir viel. Es fasziniert mich, Menschen kennenzulernen, die aus wenig viel gemacht haben, genauso wie der Wachstumsprozess von Pflanzen aus Samen. Die Natur ist für mich eine Quelle der Inspiration und des Friedens. Mein Ziel ist es, Menschen zu ermutigen und ihnen dabei zu helfen, ihre Stärken zu erkennen und zu entfalten. Meine Freundinnen sind wie eine zweite Familie für mich. Aus tiefgründigen und inspirierenden Gesprächen schöpfe ich viel Kraft und Motivation. Besonders der Austausch mit Freundinnen, die ebenfalls im Geschäftsumfeld tätig sind, bedeutet mir sehr viel und gibt mir wertvolle Impulse für meine persönliche und berufliche Entwicklung.“
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