„Führung kann erlernt werden”
Ihre Forschung wurde schon mehrfach mit Preisen und Best Paper Awards ausgezeichnet und in anerkannten Fachzeitschriften wie dem International Journal of Management Reviews oder dem Journal of Economic Psychology veröffentlicht: Theresa Treffers lehrt zu Organisation, Führung, Diversität, Gleichbehandlung und Zugehörigkeit, Künstlicher Intelligenz, digitaler Transformation und empirischen Forschungsmethoden.
Was ist für Sie beruflicher Erfolg – und wie lässt er sich am besten erreichen?
Beruflicher Erfolg kann einerseits objektiv nach Einkommen und Position beurteilt werden, aber auch subjektiv, das heißt, was ist mir persönlich wichtig in meiner beruflichen Laufbahn. Sind mir Geld und Status wichtig oder Unabhängigkeit und Flexibilität? Es ist schwierig beides zu erreichen, entweder hat man hohen Status und verdient viel Geld oder man ist unabhängig und flexibel. Wichtige Persönlichkeitsmerkmale für objektiven beruflichen Erfolg sind Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und Proaktivität.
Was sind mögliche Erklärungen für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen?
Es gibt grundsätzlich drei Erklärungen:
1. Die Defizit Theorien („Frauen haben nicht das, was es braucht“). Doch eine Metaanalyse zeigt, dass Mitarbeitende weibliche Führungskräfte nicht anders oder schlechter wahrnehmen als männ-liche Führungskräfte. Frauen sind nicht defizitär in der Führung.
2. Pipeline-Theorien („es gibt nicht genügend geeignete Frauen)“. Im MINT-Bereich spielt die Pipeline-Theorie eine gewisse Rolle, da in diesen Bereichen viel weniger Frauen ausgebildet werden, studieren und arbeiten. Die meisten Führungskräfte haben jedoch BWL oder Jura studiert und in diesen Studiengängen sind die Geschlechter gleich verteilt. Je höher und machtvoller die Position, desto weniger Frauen sind vertreten.
3. Stereotype und Unconscious Bias („Frauen werden bei gleichem Verhalten anders beurteilt“). Frauen werden typischerweise als kommunal wahrgenommen, das heißt als warm, freundlich, sympathisch und emotional; Männer werden typischerweise als agentisch wahrgenommen, das heißt als kompetent, entscheidungsstark, analytisch, unabhängig und durchsetzungsstark. Diese Geschlechterstereotype führen dazu, dass Frauen als weniger geeignet für Führungspositionen angesehen werden, da ihr Stereotyp nicht zur Rollenerwartung einer Führungskraft passt. Der männliche Stereotyp hat hier eine bessere (wahrgenommene) Passung und erhält die Position.
Welche Auswirkungen haben Unconscious Bias für Frauen im Berufsleben und im Laufe Ihrer Karriere?
Stereotype werden bereits im Kindesalter von 5 bis 7 Jahren gebildet und verfestigen sich durch die Schule, Ausbildung, Studium und im späteren Berufsleben, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Damit haben Stereotype Einfluss auf die Wahl von Schulfächern, Ausbildung, Studiengängen und Unternehmen. Frauen wählen häufig Berufe, die warm sind, zum Beispiel als Kindergärtnerin oder Grundschullehrerin. Männer hingegen wählen Berufe, die mit agentischem Verhalten verbunden werden, zum Beispiel als Politiker oder CEO.
Man darf nie vergessen: Stereotype sind nachteilig für beide Geschlechter! Nicht nur Frauen können unter Stereotypen leiden, sondern auch Männer. Sie gelten deshalb zum Beispiel als weniger warm und fürsorglich und werden deswegen als weniger geeignet für warme Berufe wie Kindergärtner oder Grundschullehrer wahrgenommen. Es sollte demnach keinen Kampf der Geschlechter geben, sondern Frauen und Männer gegen Geschlechterstereotype
Überzeugen Sie denn die Maßnahmen von Unternehmen, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen?
Eigene Hochrechnungen haben ergeben, dass deutsche Unternehmen 1-2 Milliarden Euro pro Jahr für Diversity Maßnahmen ausgeben. Gleichzeitig sehen wir, dass sich die Anzahl an Frauen inFührungspositionen seit vielen Jahren kaum nach oben bewegt, was zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen von Unternehmen und von der Politik, nicht wirksam sind. Wirksame Maßnahmen zur Erhöhung von Diversität sind, zunächst einmal konkrete Ziele zu setzen, dass der Frauenanteil oder der Anteil diverser anderen Gruppen im Unternehmen erhöht wird. Gleichzeitig ist Diversität nur ein quantitatives Ziel.
Das ultimative Ziel sollte jedoch Gleichbehandlung im Unternehmen sein und ein Gefühl der Zugehörigkeit für alle Mitarbeitenden, unabhängig von Demografie, zu schaffen.
Wie jedes Unternehmensziel sollten auch diese Ziele SMART sein, gemonitored werden und an die Leistungsbeurteilungen der Verantwortlichen gekoppelt werden. Dazu sind neue Strukturen und Prozesse im Unternehmen notwendig, die aber gleichzeitig als organisationale Norm gesehen werden können. Ziele werden dann eingesetzt, wenn sie den Unternehmenszielen förderlich sind und nicht nur durch politische Regulatorik. Maßnahmen können beabsichtigte und unbeabsichtigte Effekte haben. Bei Maßnahmen zur Frauenförderung wird beabsichtigt, Frauen zu fördern, aber gleichzeitig wird manchmal vergessen, dass man damit (unabsichtlich) Männer oder andere soziale Gruppen benachteiligt.
Ist die Fähigkeit zu Führen aus Ihrer Erfahrung trainierbar – oder sind gewisse Charakterzüge dafür nötig, die sich schwer trainieren lassen?
Ja, Führung ist eine Fähigkeit und kann – entgegen manchem Mythos – erlernt werden. Manchen Personen fällt das etwas schwerer als anderen, aber Führung kann erlernt werden. Führung bedeutet andere zu beeinflussen. Dies geschieht meist durch Kommunikation und Koordination um ein Ziel zu erreichen. Ebenso müssen Führungskräfte (datenbasierte) Entscheidungen treffen. Diese Fähigkeiten kann man bereits im Studium, zum Beispiel durch Gruppenarbeiten oder in gemeinsamen Projekten, trainieren.
Sehen Sie die Gefahr eines Survivorship Bias, indem Frauen suggeriert wird, sie müssten sich nur so verhalten wie die Role Models, um erfolgreich zu sein?
Iris Bohnet (Autorin von What works und Professorin an der Harvard Universität) sagt: „Sehen heißt glauben“. Wenn wir also mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Politikerinnen, mehr Gründerinnen sehen, dann sehen junge Frauen und die Gesellschaft das als normal an und wir werden unsere Stereotype anpassen. Was Daniel Kahnemann mit Survivorship Bias meint ist, dass es einen Vergleich zwischen erfolgreichen und nicht-erfolgreichen Personen braucht, um Rückschlüsse auf persönliche Merkmale und Verhaltensweisen treffen zu können. Diese kann man nicht ableiten, wenn man nur erfolgreiche Personen untersucht, sondern man braucht den Vergleich.
In den Führungsebenen findet man Frauen oft im HR-Ressort oder im Kommunikationsbereich. Würden Sie jungen Frauen raten, sich auf diese Segmente zu konzentrieren oder bieten Bereiche wie Finance oder Technology gerade deshalb besondere Chancen, weil Frauen dort so rar sind?
Die Tatsache, dass in diesen Bereichen viele Frauen zu finden sind, liegt daran, dass diese Unternehmensbereiche mit den stereotypisch warmen Attributen von Frauen assoziiert sind. Ich würde jungen Frauen definitiv nicht raten, sich nur auf Bereiche zu konzentrieren, die frauendominiert sind, sondern ich rate jungen Frauen und Männern, dass sie das tun, worin sie exzellent sind. Wenn sie exzellente Arbeit machen, dann werden die Vorgesetzten das merken und die logische Folgerung ist Karriere und Beförderung. Damit können Frauen und auch Männer zu Vorbildern für die nachkommende Generation werden und tragen zur Veränderung von Stereotypen bei.
Werden Frauen, um Anforderungen wie dem Führungspositionen-Gesetz Genüge tun zu können, vor allem auf mittlerer Führungskräfteebene bevorzugt, was den internen Aufstieg betrifft?
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich aus wissenschaftlicher Perspektive keine Frauenförderung unterstütze (wegen Diskriminierung von Männern), sondern Gleichstellung und Gleichbehandlung beider Geschlechter vertrete. Jede Einstellung oder Beförderung sollte nach Leistungs- und Kompetenzkriterien erfolgen, unabhängig von Geschlecht oder anderen demografischen Merkmalen. Dazu müssen evtl. Strukturen und Prozesse im Unternehmen aber auch in der Gesellschaft angepasst werden.
Professor Dr. Theresa Treffers ist seit 2023 Privatdozentin an der TUM School of Management der Technischen Universität München und seit 2016 Professorin für Management und Entrepreneurship an der Privatuniversität Schloss Seeburg in Österreich. Gemeinsam mit Prof. Dr. Isabell M. Welpe veröffentlichte sie einen Blickwinkel aus Forschung und Praxis zu Frauen in Führungspositionen.
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