Daniela Vancic ist seit 2017 die Europäische Programm-Managerin bei Democracy International, wo sie die wichtigsten Projekte und Aktivitäten leitet, die die partizipative und direkte Demokratie auf EU-Ebene fördern. Die Initialzündung für ihr politisches Engagement war die Wahl Donald Trumps und die Gefahren, die von seinen Destabilisierungen für Demokratien ausgehen. Daniela wagt deshalb auch schon einen Ausblick auf die US-Wahl im Herbst 2024.
Welches sind Ihre Aufgaben bei Democracy International?
Als European Program Manager bei Democracy International bin ich für die Verwaltung der wichtigsten Aktivitäten und Projekte der Organisation auf EU-Ebene im Bereich partizipativer und direkter Demokratie verantwortlich. Kurz gesagt, ich bin an Aktivitäten beteiligt, die sich auf die demokratische Reform der EU und ihrer Instrumente sowie auf die Erhöhung und Verbesserung der demokratischen Teilhabe in Europa beziehen. Konkret umfasst das Themen wie die Europäische Bürgerinitiative, bei der ich mich für eine stärkere und bekanntere Europäische Bürgerinitiative, kurz: EBI, einsetze.
Auch berate ich Initiativen für ihre Kampagnen sowie die Konferenz zur Zukunft Europas, eine transnationale partizipative Übung, die im Mai 2022 Vorschläge für die Zukunft Europas veröffentlicht hat. Dort habe ich mich für eine stärkere Rechenschaftspflicht und Nachverfolgung eingesetzt. Mit den Europawahlen im Jahr 2024 nehmen die Aktivitäten zur Förderung der europäischen Demokratie und zur Erhöhung der Bürgerbeteiligung Fahrt auf. Auch da werde ich gebraucht.
Welche Ziele treiben Sie persönlich bei diesen Aufgaben an?
Der Aufstieg und die Wahl des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der viele demokratische Konsequenzen in meinem Heimatland und auch global auslöste, hat mich damals dazu bewegt, aktiv zu werden. Ich will mit meiner Arbeit sicherstellen, dass starke demokratische Institutionen, politische Rechenschaftspflichten und Möglichkeiten für Bürger zur politischen Teilhabe gegeben sind und bestehen bleiben. Durch unsere Herangehensweise möchten wir zu politischer Bildung beitragen. Das ist ein großer Teil der Demokratiegleichung, die unsere Arbeit als NGO, und auch mich persönlich, vorantreibt.
Europa muss in einer sich verändernden globalen politischen Landschaft mehr sein als ein freier Markt oder ein Touristenziel. Europa braucht, wenn es Angriffen auf die Demokratie standhalten will, auf Dauer mehr Rückhalt und Bürgerbeteiligung. Gibt man den Menschen zu wenig Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen, führt das zu Frustration, die sich in der Unterstützung extremistischer, undemokratischer Parteien und Individuen niederschlagen kann, oder eben in geringer Wahlbeteiligung.
Welchen Einfluss haben Kriege und Krisen auf unsere Wahrnehmung von Demokratie?
Es gibt keine Demokratie ohne Freiheit und Frieden, und mit Krieg auf dem europäischen Kontinent ist unsere Demokratie bedroht. Extremistische und antidemokratische Gruppen in Europa versuchen, in Momenten der Instabilität und Angst durch Desinformationskampagnen, die sich an das Wahlvolk richten, für ihre Zwecke zu nutzen. Der russische Angriff auf die Ukraine ist nicht nur ein Angriff auf die nationale Souveränität der Ukraine, sondern auch ein direkter Angriff auf europäische Werte, für die die Ukraine steht, und ein Angriff auf die demokratischen Freiheiten und Rechte der Bürger:innen, die die Macht von Autokraten bedrohen. Bürgerinnen und Bürger sowie demokratische Institutionen müssen widerstandsfähig gegen solche Versuche sein.
Um sicherzustellen, dass Kriege und Krisen die Demokratie stärken und nicht zerstören, müssen die Menschen eine klare Botschaft zugunsten der Demokratie senden, indem sie prodemokratische Kräfte wählen und demokratische Institutionen, die Rechtsstaatlichkeit aufrechterhalten und undemokratische Tendenzen von Führungspersonen herausfordern. Genau deswegen ist aber eine hohe Wahlbeteiligung so unglaublich wichtig.
Donald Trump kandidiert erneut. Das macht uns Sorgen, insbesondere weil die Demokraten keinen wirklich starken Kandidaten haben, der nötigenfalls für den bereits 80-jährigen Joe Biden als Gegenkandidat Trumps dessen Wahl verhindern könnte. Können Sie uns Gründe nennen, warum wir uns keine Sorgen über das Ergebnis machen müssen?
Zum Glück, ja. Die politische Kampagnenzeit in den USA ist normalerweise lang. Um zu beurteilen, wie das endgültige politische Spielfeld im Herbst 2024 aussehen wird, ist es noch viel zu früh. Es gibt mehrere junge und qualifizierte Bewerber für das demokratische Ticket, aber es ist eine kluge strategische Entscheidung für die Demokraten, ihren Kandidaten nicht so früh zu präsentieren, um ein weiteres hitziges politisches Debattenfenster zu vermeiden.
Es ist strategische Absicht, abzuwarten, wie sich die Situation auf der republikanischen Seite entwickelt, bevor der demokratische Kandidat angekündigt wird. Ich bin jedoch optimistisch, dass Trump nicht der republikanische Kandidat und auch nicht signifikante Unterstützung gewinnen wird, da die Zwischenwahlen 2022 gezeigt haben, dass von Trump unterstützte Kandidat:innen fast überall verloren haben. Dies sendete ein klares Signal, dass Trumpismus im Rückgang ist.
Daniela Vancic hat an der Michigan State University studiert und einen Master of International Relations an der Geneva School of Diplomacy and International Relations erworben.
2022 veröffentlichte sie gemeinsam mit anderen Herausgeber:innen ein Buch über Ansätze zur aktiven Bürgerschaft namens „Complementary Democracy: The Art of Deliberative Listening“.
Daniela wohnt in Köln, Deutschland und spricht Englisch, Deutsch, Serbisch und Vlachisch, einen Dialekt des Rumänischen.
Was raten Sie jungen Menschen, die sich politischen Veränderungen gegenüber machtlos fühlen?
Erinnert euch an die Macht, die ihr habt! Es war die progressive Gen Z-Jugend, die den Unterschied bei den Midterm-Wahlen 2022 in den USA gemacht hat und diese zu einem der erfolgreichsten Ergebnisse für die Demokraten gemacht hat. Ich rate jungen Menschen, die formalen Partizipationsmechanismen und -instrumente zu nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen: Das Wichtigste ist, wählen zu gehen und mit Freunden darüber zu sprechen. Oft werden aber Petitionsinstrumente oder Bürgerinitiativen vergessen. Nutzt sie! Wenn junge Menschen in ihrem Land keinen Zugang zu diesen Instrumenten haben oder zu jung sind, um sie zu nutzen, sollten sie sich mobilisieren und aktiv werden und sich über die Themen informieren, die ihnen wichtig sind. Und unterschätzt niemals die Macht der sozialen Medien!
Wenn unsere Leser über ein Gap Year in den USA nachdenken: Welche Eindrücke und Erfahrungen sammelt man in diesem Land?
Es gibt so viele! Ich würde euch dringend ein solches Auslandsjahr in den USA empfehlen. Es ist nicht nur der beste Weg, Englisch zu üben, sondern das Land hat auch eine unglaubliche natürliche Schönheit und viele historische Wahrzeichen. Die USA sind nicht umsonst als „meltingpot“ für ihre Vielfalt bekannt. Das live zu erleben ist wirklich einmalig. Dank der multikulturellen Gesellschaft dort, findet man eine Vielzahl toller Gerichte, die von Ländern auf der ganzen Welt inspiriert sind, mit einem besonderen amerikanischen Flair. Und natürlich sind einige der besten Museen der Welt auch in den USA zu finden.
Obwohl es ein Stigma über die amerikanische Ignoranz gibt, bin ich überzeugt, dass man dort einige der nettesten und aufgeschlossensten Menschen treffen kann. Bei der offenen Diskussion über Politik und einem direkten Austausch miteinander, nähert man sich an und kann so neue Perspektiven verstehen.
Der Democracy International e.V. ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten weltweit einsetzt. Die Organisation wurde 2011 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Köln.
Das Ziel von Democracy International ist es, demokratische Prozesse in allen Teilen der Welt zu fördern. Die Organisation arbeitet mit Regierungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen Interessengruppen zusammen, um politische Reformen und positive Veränderungen zu erreichen.
Zu den Aktivitäten von Democracy International gehören unter anderem die Überwachung von Wahlen, die Entwicklung von Demokratie-Indizes, die Durchführung von Schulungen und Workshops für politische Akteure. Democracy International setzt sich auch für die Stärkung der Rolle der Frauen in der Politik ein und fördert die Partizipation von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen. Die Organisation ist unabhängig und finanziert sich durch Spenden und Zuwendungen von privaten und öffentlichen Organisationen.
Du willst mehr Content aus unserem Female Leadership-Netzwerk? Den bekommst du hier.